Der Begriff „Modulationstransferfunktion“ oder kurz „MTF“ klingt nach höherer Mathematik und wirkt schon deshalb für viele abschreckend. Tatsächlich lassen sich an MTF-Diagrammen viele Eigenheiten eines Objektivs ablesen – wenn man sie zu interpretieren weiß.
Es geht um das optische Bild
Fotografen schauen sich meist lieber Fotos an, aber man müsste schon Dutzende Bilder eingehend studieren, um herauszufinden, was ein MTF-Diagramm auf den ersten Blick sichtbar macht. Allgemein gesprochen ist das vor allem die Auflösungsleistung. Bei diesem Stichwort denkt man zuerst an die Megapixelzahl des Sensors, aber hier geht es um das optische Bild, noch bevor es in ein Raster aus Pixeln zerlegt wird. In einem optischen Bild gibt es keine solche kleinsten, zählbaren Einheiten.
Die Auflösungsleistung des Objektivs bemisst sich vielmehr daran, wie kontrastreich es feine Details abbildet oder in anderen Worten: wie viel des Szenenkontrasts es in das Bild überträgt. Werden benachbarte schwarze und weiße Linien tatsächlich schwarz und weiß abgebildet, bloß dunkel- und hellgrau oder gar als kaum noch unterscheidbare Abstufungen von mittlerem Grau?
Kontrastübertragungen sichtbar machen
Die Kurven in einem MTF-Diagramm zeigen nun diese Kontrastübertragung an, und zwar von der Bildmitte bis in die Ecken. Anders als die Sensorauflösung ist die Auflösung eines Objektivs nicht im gesamten Bildkreis einheitlich, sondern fällt meist zum Rand hin ab. Die waagerechte Achse des Diagramms stellt den Abstand von der Bildmitte dar – beim Kleinbildformat von 0 bis 21,6 mm – und die senkrechte Achse den Kontrast zwischen 0 und dem Maximum 1,0.
MTF-Diagramme enthalten nun allerdings nicht nur eine, sondern meist vier oder mehr Kurven. Zum einen gibt es durchgezogene und gestrichelte Linien. Die durchgezogenen „sagittalen“ Kurven zeigen den Kontrast von Linien an, die von der Bildmitte ausgehen, ähnlich den Strahlen eines Siemenssterns. An den gestrichelten „meridionalen“ oder „tangentialen“ Kurven kann man den Kontrast konzentrischer Kreise ablesen.
Siehe auch:
> Testverfahren BAS Digital für Objektive
Weiterhin gibt es zwei – durch Farbe oder Strichstärke unterschiedene – Paare sagittaler und meridionaler Kurven, nämlich solche für feine und für gröbere Strukturen. Manche Objektive bilden grobe Strukturen kontrastreich ab, bewahren aber wenig Detailzeichnung; umgekehrt garantiert eine hohe Auflösung feiner Muster nicht, dass der Kontrast grober Muster ebenso hoch ist. Bei Kleinbildsystemen verwendet man typischerweise Linienmuster mit 30 und 10 Linienpaaren pro Millimeter; bei APS-C entsprechend 15 und 45 und bei MFT 20 und 60 Linienpaare pro Millimeter.
Noch informativere Diagramme enthalten neben den Kurven zur Kontrastübertragung bei offener Blende auch solche für das auf eine optimale Blende abgeblendete Objektiv, und damit insgesamt acht Kurven.
Was lässt sich an MTF-Kurven ablesen?
Ein perfektes Objektiv hätte eine hohe Kontrastübertragung bis in die Bildecken, erkennbar an geraden Verläufen aller Kurven im oberen Bereich des Diagramms. Wenn der Kontrast bei offener Blende zum Rand hin merklich abfällt, ist das für Porträtfotos mit ohnehin unscharfem Hintergrund akzeptabel, für Architektur- oder Astrofotos hingegen nicht. Fällt der meridionale Kontrast schneller und stärker als der sagittale Kontrast ab, deutet das auf einen Farbquerfehler hin, der sich in den Bildern in komplementärfarbigen Farbsäumen zeigt.
Generell sollten die meridionalen und sagittalen Kurven möglichst parallel verlaufen, was ein ruhiges Bokeh erwarten lässt. Bei beiden Kurven ist ein sanfter Abfall wilden Schwingungen vorzuziehen, also einem Abfall des Kontrasts, der dann zum Rand hin wieder zunimmt.
Am Kurvenverlauf für die hohen Ortsfrequenzen lässt sich die Auflösung feiner Details ablesen, an dem für die niedrigen Ortsfrequenzen die Brillanz der Bilder. Abblenden wird den Kontrast durchweg verbessern, doch nicht in jedem Fall; wenn eine kleinere Blende die Kontrastübertragung nur wenig anhebt, kann das am Farbquerfehler liegen, der auch abgeblendet bestehen bleibt.
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