Leichte Teleobjektive sind das Thema der fünften Folge unserer Reihe. Damit ist der Brennweitenbereich zwischen 60 und 135 mm gemeint. So deckt das leichte Tele einen Bildwinkel von 16 (135 mm) bis 36 Grad (60 mm) ab – kein Zufall: In diesem Bereich ist je nach Abstand eine verzerrungsfreie Abbildung von Menschen im Brust- bis Kopfportrait möglich. Die leichten Telebrennweiten werden daher in klassischer Weise für Portraitaufnahmen eingesetzt, kommen aber natürlich auch bei anderen Motiven zur Anwendung.
Die im Artikel genannten Brennweiten beziehen sich auf Kameras mit einem Vollformatsensor. Haben Sie eine Kamera mit Sensor im APS-C-Format, so entsprechen Brennweiten von 40 bis rund 90 Millimetern in Bezug auf den Bildeindruck dem leichten Tele, bei MFT-Kameras sind es die Objektive mit rund 30 bis 65 Millimetern.
Unsere Objektivschule:
- Allgemeine Erklärungen zur Serie finden Sie hier: Das richtige Objektiv finden – Welches Objektiv für was?
- Teil 1 – Normal- oder Standardbrennweite | Teil 2 – Mittlere Weitwinkel | Teil 3 – Klassische Teleobjektive | Teil 4 – Leichte Weitwinkel | Teil 6 – Ultra-Weitwinkel | Teil 7 – Superteleobjektive
Motive und Bildwirkung
Als Klassiker für Brustportraits können die 85er-Festbrennweiten gelten. Diese für das Vollformat gerechneten Objektive halten ausreichend Abstand zum Portraitierten und bieten als Festbrennweite mit einer Anfangsblendenöffnung von 1,8 oder sogar 1,4 sehr viel Potenzial, um mit geringer Schärfentiefe freizustellen.
Längere Brennweiten wie ein 2/100 mm oder ein 2,8/135 mm eignen sich mit zunehmender Brennweite für Kopfportraits. Oft kommen hier die lichtstarken Telezooms mit einer Anfangsöffnung von f/2,8 (oder wegen der Gewichts- und Geldersparnis) auch f/4 zum Einsatz. Diese Zooms reichen meist von 70 bis rund 200 mm und decken für Portraitfotografen alle wichtigen Brennweiten ab.
60, 90 und 100 (105) mm sind auch klassische Brennweiten für die Makrofotografie. Wobei die 60 mm im Makrobereich etwas kurz sind – Sie müssen sehr nah an das Objekt heran. Viele Fotografen nutzen daher die 60er-Makros an einer Kamera mit APS-C-Sensor.
Makros um 100 Millimeter Brennweite sind Allrounder – Produktaufnahmen, Blüten und die meisten Insekten lassen sich damit fotografieren.
Viele Fotografen nutzen es aber auch für Portraits. Ob das gut funktioniert, hängt letztlich vom Einzelfall ab: Die Linsen sind für den Nahbereich ausgelegt und zeigen gelegentlich ein nicht ganz so schönes Bokeh beim Fokus auf weiter entfernt liegende Motive – der Unschärfebereich ist eventuell unruhiger als bei einem „normalen“ Teleobjektiv.
Auch wenn bei „Landschaft“ viele an „Weitwinkel“ denken: Brennweiten zwischen 60 und 135 Millimeter eignen sich hervorragend für eher grafisch aufgebaute Landschaftsbilder. Spiegelungen in Seen, eine Kombination von Vordergrund mit verdichteten Bergen im Hintergrund und vieles mehr. Auch der oft fotografierte Sonnenuntergang zeigt im Weitwinkel einen nur kleinen Sonnenball – ein guter Kompromiss zwischen Sonnengröße und Landschaft ist das leichte Tele.
Auch in der Aktfotografie ist das Tele ein guter Begleiter: Es verzerrt nicht und sorgt für einen Abstand zwischen Fotograf und Model, der zur Entspannung beiträgt. Voraussetzung ist aber ein ausreichend großer Raum, der den Abstand auch erlaubt. Beim Akt kommen meist die 85er-Telebrennweiten zum Einsatz.
Leichte Teleobjektive: Stärken und Schwächen
Besonders die Festbrennweiten können klein und leicht konstruiert werden – sofern man sich mit einer Anfangsblende von 1,8 bis 2,8 zufrieden gibt. Aufgrund der gemäßigten Brennweite müssen die Hersteller wenig Aufwand treiben – sodass zumindest die lichtschwachen Festbrennweiten relativ günstig sind und meist eine sehr hohe Abbildungsqualität liefern.
Aber schon bei einem 1,8/85 mm am Vollformatsensor gilt: Bei Blende 2 und einem typischen Abstand von 1,5 Metern für ein Portrait beträgt die Ausdehnung des scharf abgebildeten Bereichs etwa 3,5 cm. Nasenspitze und Ohren werden nicht mehr scharf abgebildet.
Bereits mit dieser Brennweite ist sorgfältiges Fokussieren auf die Augen angesagt – oder abblenden. Bei kleineren Sensoren wie MFT wird, um den gleichen Bildwinkel zu erzielen, typischerweise ein Objektiv wie das M.Zuiko Digital 1,8/45 mm zum Einsatz kommen. Hier beträgt der Schärfentiefebereich jedoch bei Blende 2 schon 6 Zentimeter – und der Bildeindruck ändert sich durch die weiter ausgedehnte Schärfe ebenfalls.
Typische Vertreter des Brennweitenbereichs 60-135 mm: Canon, Leica, Nikon, Olympus, Panasonic, HD Pentax
Welche Features können leichte Teleobjektive besitzen?
Die Ausstattung der leichten Telebrennweiten unterscheidet sich: Einfache Portraitlinsen zwischen 85 und 100 Millimeter haben als einziges Komfortmerkmal einen Autofokus. Bei neuen Linsen darf man einen schnellen AF-S-Autofokus erwarten.
Aber: Es gibt von Drittherstellern viele Objektive am Markt, die manuell fokussiert werden müssen. Bei Available Light hilft auch eine Stabilisierung – die entweder die Kamera mitbringt oder eben das Objektiv. Es gibt einige wenige Brennweiten, die zur Beruhigung des Bokehs ein Apodisationsfilter oder ein zusätzliches Linsensystem haben.
Die Telezooms im Bereich von 70 bis 200 Millimeter sind meist mit schnellem AF, eigener Stabilisierung und auch einer Stativschelle ausgestattet. Denn vor allem die lichtstarken Varianten mit einer Anfangsblende von f/2,8 sind recht schwer und entsprechend nur mit Stativschelle vernünftig fixierbar. Empfehlenswert ist eine abnehmbare Schelle, da diese bei der Freihandfotografie stören kann.
Einen Fokusbegrenzer haben in dieser Brennweitenklasse meist nur die Makroobjektive – und das zu recht. Denn der riesige Fokussierbereich führt zu langen AF-Zeiten – wenn der Bereich nicht von vornherein begrenzt wird. Dass Sie nur mit Streulichtblende fotografieren, versteht sich von selbst. Sonst sind auch Portraits im Gegenlicht kaum möglich.
Typische Vertreter des Brennweitenbereichs 60-135 mm: Sigma, Sony, Tampon, Tonika, Voigtländer, Zeiss
Das außergewöhnliche Objektiv
Beim Fujifilm Fujinon XF 1,2/56 mm R haben sich die Entwickler augenscheinlich an einem Klassiker der analogen Fotografie orientiert: Der 85er-Portraitbrennweite mit einer Anfangsöffnung von f/1,4 bis 2. Um die gleiche Abbildungscharakteristik an den kleineren APS-C-Sensoren zu erzielen, musste nicht nur die Brennweite um den Faktor 1,5 reduziert werden, sondern gleichzeitig die Anfangsblende um den Faktor 2 erhöht werden. Das Fujinon XF 1,2/56 mm R bildet deshalb ein 1,8/85 mm fast exakt nach. Dabei ist das Objektiv kompakt und trotz Metallfassung ausreichend leicht geblieben.
Fujifilm bietet das Objektiv in zwei Versionen an: mit und ohne integriertes Apodisationsfilter. Wie diese zweite Variante das bereits schon weiche Bokeh weiter verfeinern kann, erklären wir im nächsten Absatz. Das Fujinon XF 1,2/56 mm R APD verliert durch das Filter nur leicht an Lichtstärke. Beide Varianten besitzen einen Blendenring, der in Drittel-Stufen gerastet ist.
Die APD-Variante zeigt die Abweichung bei der Belichtung auf einer roten Blendenskala an – die Abweichung wird durch den Belichtungsmesser zwar ausgeglichen, ist aber für den Fotografen ein Hinweis, wie stark sich das Apodisationsfilter bei den einzelnen Blenden auswirkt. Ohne APD kostet die Festbrennweite rund 1000 Euro, mit etwa 1300 Euro.
Bokeh-Kontrolle mit APD, DS, STF und DC
Gerade bei leichten Telebrennweiten ist das Bokeh – also die Qualität des in der Unschärfe liegenden Bereichs – ein wichtiges Thema. Bei einigen kurzen Telebrennweiten lässt es sich beeinflussen. Derzeit sind drei Technologien im Markt verfügbar: Apodisationsfilter, Beschichtungen und die Defocus Control-Technik.
Apodisationsfilter (die Technik wird bei Fujifilm APD, bei Sony STF – Smooth Trans Focus – abgekürzt) sind fest in das Objektiv integrierte ND-Filter mit einem radialen Verlauf. Einfach gesagt kappen sie durch die verringerte Lichtleistung im Randbereich die Kontraste an den Kanten der Beugungsscheibchen. Die unscharfen Bereiche werden abgesoftet.
Das Verfahren hat einen Nachteil: Während die Schärfentiefe der eingestellten Blende entspricht, nimmt die Lichtstärke ab – entsprechend unterscheiden sich die F-(Blende) und T-(Transmission)-Werte. Apodisationsfilter arbeiten am effektivsten bei Offenblende, bei zunehmend schließender Blende werden die Auswirkungen (und auch der relative Lichtverlust) geringer. Das Canon RF 1,2/85 mm L USM mit Defocus Smoothing (DS) besitzt eine Linsenvergütung, bei der in der Mitte der Linse ein hoher und am Rand ein geringer Transmissionsgrad definiert wird.
Das Resultat: Unscharfe Bildpunkte im Vorder- und Hintergrund wirken besonders weich und gleichmäßig unscharf. Der Ansatz bei Nikon heißt Defocus Control und arbeitet mit zusätzlichen Linsen im Objektiv. Auch hier geht es um die außen laufenden Lichtstrahlen, die maßgeblich die sphärische Aberration beeinflussen – und durch die zusätzlichen Linsen verändert werden. Bei Nikon kann man einen Ring in F-(Front) und R-(Rear)-Stellung drehen und so bestimmen, wie stark die Unschärfe vor oder hinter dem Schärfebereich softer wird. Eines geht aber immer zu Lasten des anderen. Ein Lichtverlust ist bei Defocus Control nicht zu befürchten.
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