Die dritte Folge unserer Objektivschule dreht sich um die klassischen Teleobjektive. Gemeint sind damit Objektive, die Brennweiten zwischen 135 und 300 Millimeter besitzen oder abdecken. Wir beziehen uns immer auf die kleinbildäquivalente Brennweite, was bedeutet, dass auch ein Pentax APS-C-Objektiv DA 4/60-250 mm (APS-Crop-Faktor 1,5) oder ein Olympus 4-5,6/40-150 mm ED R (MFT-Crop-Faktor 2) darunter fallen. Die diagonalen Bildwinkel betragen bei diesen Brennweiten 18 bis 8 Grad.
Insofern dringt ein 70-200 mm oder 75-300 mm ebenso in den klassischen Telebereich ein wie ein 100-400 oder 150-600 mm.
Unsere Objektivschule:
- Allgemeine Erklärungen zur Serie finden Sie hier: Das richtige Objektiv finden – Welches Objektiv für was?
- Teil 1 – Normal- oder Standardbrennweite | Teil 2 – Mittlere Weitwinkel | Teil 4 – Leichte Weitwinkel | Teil 5 – Leichte Teleobjektive | Teil 6 – Ultra-Weitwinkel | Teil 7 – Superteleobjektive
Teleobjektive: Motive und Bildwirkung
Wie mit anderen Brennweiten auch, können Sie mit Teles fast jedes Motiv fotografieren. Doch für manche Zwecke eignen sie sich besser und für andere weniger.
Wann braucht man also ein Teleobjektiv? Naheliegend ist Entferntes: Wenn Sie nicht näher an Ihr Motiv gelangen können, müssen Sie die Distanz mit viel Brennweite überbrücken. Das kann der Berggipfel gegenüber sein oder der Sportler auf dem weitläufigen Spielfeld, das Sie nicht betreten dürfen.
Es kann aber auch an Ihrem Willen liegen: Sie wollen nicht näher heran an das scheue Reh am Wegrand, weil es sonst davon springt, oder nicht näher an die Naturkatastrophe, weil Sie sonst selber Schaden davontragen. Mit einem Tele bringen Sie kleine Tiere und Blüten groß ins Bild.
Sie können aber auch Details aus einem überladenen Motiv herauspicken, zum Beispiel einen Straßenmusiker aus einem Wirrwarr von Passanten. Per Teleobjektiv können Sie also Ihr Bild aufräumen und konzentrierter gestalten, indem weniger Nebensächlichkeiten zu sehen sind.
Auf die Spitze treiben lässt es sich mit abstrahierenden Ausschnitten, die zumindest auf den ersten Blick nicht verraten, was eigentlich abgebildet ist: Architekturdetails, Körperpartien, Pflanzenteile, Licht-und-Schatten-Spiele.
Die Lichtstärke |
Eine wichtige Kenngröße eines Objektivs ist seine fotografische Lichtstärke oder maximale Anfangsöffnung. Damit ist die maximale Blendenöffnung gemeint, die in Relation zur Brennweite gesetzt wird. Ermittelt wird sie durch eine Rechnung: Brennweite geteilt durch Durchmesser der maximalen Blendenöffnung. Beispiel: Ein Objektiv mit der Brennweite 100 mm und einer Öffnungsweite (Apertur) von 50 mm besitzt eine Lichtstärke von 1:2,0. Somit bestimmt die Lichtstärke darüber, wieviel Licht durch das Objektiv auf den Sensor fallen kann – je kleiner die Zahl, desto größer die Lichtmenge. Da die Blende in den allermeisten Fotoobjektiven verstellbar ist, kann sie auch die Lichtmenge regulieren. Die größte Öffnung der Blende wird auf den Objektiven angegeben. |
Stärken und Schwächen
Sowohl bei Menschenportraits, die typischerweise mit maximal 135 mm aufgenommen werden, als auch bei Tieraufnahmen mit längeren Brennweiten können die Abgebildeten sehr schön freigestellt werden, das heißt, sie befinden sich vor einem – manchmal bis zur Unkenntlichkeit – unscharfen Hintergrund. So lenkt der Fotograf den Betrachterblick ganz konzentriert auf sein Hauptmotiv.
Dabei muss er aber aufpassen, dass die Schärfe exakt auf dem nächstgelegenen Auge liegt, sonst wirkt das Portrait nicht. Ein zu viel an Unschärfe im Hintergrund kann insbesondere bei Tier(bildseri)en irritieren: Wurde das Tier wirklich draußen fotografiert oder doch nur in einer Studiokulisse? Oder wurde der Hintergrund nachbearbeitet?
So attraktiv lange Teles auch sind, die Verwacklungsgefahr nimmt mit der Brennweite rapide zu, erst recht beim Gebrauch einer APS-C-Kamera. Gegen selbst verwackelte Bilder helfen eine und die Kenntnis der Kehrwertregel: Aus der freien Hand fotografieren Sie (ohne Bildstabilisator) ziemlich verwacklungssicher, wenn die Verschlusszeit dem Kehrwert der doppelten kleinbildäquivalenten Brennweite in mm entspricht. Beispiel: bei einem 300-mm-Tele (mal zwei) mit 1/600 s – oder kürzer.
Bei einfacheren Objektivtypen kann das Fokussieren länger dauern: Das liegt an den längeren Einstellwegen der Fokusgruppe, als bei einem Weitwinkel. Zur „Beschleunigung“ durch Verkürzung dient der Fokussierbereichsbegrenzer.
Typische Vertreter des Brennweitenbereichs 135-300 mm: Canon, Fuji, Leica, Nikon, Olympus, Panasonic
Welche Features können klassische Teleobjektive besitzen?
Fast alle der denkbaren Features eines Objektivs können bei klassischen Teles Anwendung finden. Neben dem obligatorischen Autofokus für schnelles, treffsicheres Scharfstellen ist ein optischer Bildstabilisator angeraten, der vor allem in Richtung Endbrennweite den Bildstabilisator der Kamera unterstützt.
Besonders die günstigeren Telezooms haben bei der Brennweitenverstellung einen Tubusauszug. Deshalb ist zum einen ein Schutz vor Staub und Nässe wichtig (schließlich fotografieren Sie mit diesen Objektiven meistens draußen) und zum anderen ein Zoom-Lock, der ein Durchrutschen beim Transport verhindert.
Das Sigma 150-600 mm Sports hat da beispielsweise eine Art Override: Trotz Verriegelung kann mit etwas höherem Kraftaufwand die Sperre absichtlich gelöst werden, sodass keine Zeit mit dem Suchen des Schalters vertrödelt wird. Außerdem kann es sowohl als Dreh- als auch als Schiebezoom (eine ältere, ausleiergefährdete Technik) bedient werden.
Canon bietet bei einigen Modellen eine justierbare Rutschbremse und Sony eine mechanische Zoom-Drehmoment-Anpassung über einen Ring an (FE 4,5-5,6/100-400 mm GM).
Mit steigender Brennweite hilft eine Stativschelle mit Fuß – nicht nur als Tragegriff, sondern um auf einem (Einbein-)Stativ eine stabilisierende Stütze im Schwerpunkt der Kamera-Objektiv-Kombi zu haben. Bei Top-Objektiven lässt sich die Schelle oder wenigstens der Fuß abnehmen (bzw. gegen eine andere Größe tauschen), im Fuß stecken mehrere, verschieden große Stativgewinde und er ist Arca-Swiss-kompatibel geformt – das macht eine Schnellkupplungsplatte überflüssig.
Fokussierbereichsbegrenzer sind sinnvoll, um ein zeitraubendes Durchfahren des Bereichs zwischen Nahgrenze und unendlich bei der Schärfesuche zu verhindern. Hilfreich ist es, wenn nicht nur größere Entfernungen, sondern auch der nahe Bereich ausgewählt werden kann. Denn manches Tele hat eine kurze Nahgrenze, die einen attraktiven maximalen Abbildungsmaßstab erlaubt. So gelingen beinahe Makrofotos.
Eine oder mehrere programmierbare Fokushaltetasten können das Fotografieren beschleunigen. Oft suchen müssen Sie nach der Angabe, ob Sie das Objektiv mit Telekonverter (und AF!) einsetzen können. Angenehm ist es, wenn sowohl die Frontlinse bzw. das Filtergewinde als auch die Streulichtblende gummiert sind, um Stöße abzumildern.
Typische Vertreter des Brennweitenbereichs 135-300 mm: Pentax, Sigma, Sony, Tamron, Zeiss
Das außergewöhnliche Objektiv
Um die Brennweite zu verlängern, werden nicht selten Telekonverter zwischen Kamera und Objektiv gesetzt. Je nach Modell verlängern sie die Brennweite um den Faktor 1,4x, 1,7x oder 2x. Das Anbringen oder Entfernen des Konverters kostet allerdings Zeit und birgt die Gefahr, dass Staub oder Nässe ins Kamerainnere dringt.
Deshalb hatte Canon die pfiffige Idee, den Konverter (bei Canon heißt er „Extender“) gleich ins Objektiv einzubauen. 2013 erschien das Canon EF 4/200-400 mm L IS USM Ext. 1,4x, bei dem der 1,4x-Konverter eingebaut ist und per Hebel in den Strahlengang geklappt wird. Fertig ist das 280-560-mm-Zoom. Einige Fotografen wechselten alleine deswegen die Kameramarke.
Im Jahr 2018 zog Nikon nach und brachte das AF-S Nikkor 4/180-400 mm E TC 1,4 FL ED VR mit etwas kürzerer Start-Brennweite (beide im Test in fM 6/18). Das Nikkor toppte die Leistungen des hervorragenden Canons sogar. Die Leistungen und die fotografische Flexibilität haben ihren Preis, auf der Straße kostet das Canon etwa 10.750 Euro und das Nikkor rund 10.500 Euro.
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