Kameras für YouTuber und andere Video-Blogger sind zurzeit im Trend. Neben den entsprechenden Videofähigkeiten ist ihr wichtigstes Merkmal der seitlich ausschwenkbare Monitor, der besser für Selbstaufnahmen geeignet ist als ein nur nach oben oder unten kippbares Display.
Weitere Voraussetzungen sind Anschlussmöglichkeiten für ein Mikrofon (am besten auch für einen Kopfhörer) und eine kompakte und leichte Bauweise, um die Kamera problemlos im mobilen Außeneinsatz nutzen zu können. Aus dem großen Angebot haben wir neben der ZV-E10 weitere Systemkameras bis ca. 800 Euro ausgewählt, die von den Herstellern als Vlogger-Kameras vermarktet werden – meist sind sie auch in einem entsprechenden Kit mit Mikrofon und Stativ erhältlich.
Von Canon kommt die EOS M50 Mark II, die sogar das Livestreaming auf YouTube beherrscht. Fuji bietet das Einsteigermodell X-T200 im Vlogger-Kit an. Mit dem kleineren Micro-Four-Thirds-Sensor ist die Panasonic Lumix G110 ausgestattet, die sich unter anderem durch ihr innovatives Drei-Kapsel-Mikrofon auszeichnet, dessen Richtwirkung sich umschalten lässt, um Ton bspw. primär von vorne, von hinten oder aus allen Richtungen aufzunehmen. Schließlich haben wir in die Tabelle noch die Sony Alpha 6100 aufgenommen, weil sie der neuen ZV-E10 in vielen Punkten ähnelt. (> zur Tabelle)
Sony ZV-E10 – Ausstattung
Mit der ZV-1 hat Sony bereits seit dem Sommer 2020 eine Kompaktkamera mit 1-Zoll-Sensor für YouTuber und andere Video-Blogger im Angebot. Die ZV-E10 ist nun mit dem größeren APS-C-Sensor und E-Bajonett für Wechselobjektive ausgestattet und damit praktisch eine Mischung aus ZV-1 und der Einsteigersystemkamera Alpha 6100.
Im Vergleich zu letzterer fällt die ZV-E10 in allen Dimensionen einige Millimeter kleiner aus, was unter anderem dem fehlenden Sucher geschuldet ist. Im Testfeld ist sie damit die kleinste Kamera, aber auch die einzige ohne Sucher. Dank eines kleines Griffs liegt sie mit kompakten und leichten Objektiven trotzdem recht gut in der Hand.
Die Bedienelemente hat Sony gegenüber der Alpha ebenfalls reduziert. So fehlt auf der Oberseite das Moduswahlrad, dafür gibt es einen Kopf, um zwischen Foto, Video und S&Q (also Zeitraffer und Zeitlupe) zu wechseln. Das Umschalten zwischen den PASM-Belichtungsprogrammen erfolgt etwas umständlich über die Funktionstaste und das Kurzmenü.
Von der ZV-1 übernommen wurde der relativ große rote Videoauslöser und der „Bokeh-Switch“, mit dem per Knopfdruck zwischen offener und geschlossener Blende gewechselt wird. Ungewöhnlich für eine Systemkameras ist der Zoomhebel, der in Zusammenarbeit mit dem – im Kit für 100 Euro Aufpreis erhältlichen – elektronisch gesteuerten Powerzoom 3,5-5,6/16-50 mm OSS Sinn macht. Der Zubehörschuh ist nach links gewandert, da in der Mitte das aus der ZV-1 bekannte Dreikapsel-Mikrofon mit Richtwirkung sitzt, für das ein Windschutz mitgeliefert wird.
Den Gehäuseblitz hat Sony übrigens eingespart. Die Rückseite wird vom 3,0-Zoll-Touchmonitor dominiert, der anders als in der Alpha 6100 kein 16:9-, sondern 4:3-Format hat. Der wichtigste Unterschied ist, dass er sich nun – wie in der ZV-1 – seitlich ausschwenken lässt und damit besser für Selbstaufnahmen geeignet ist als der Monitor der Alpha 6100, der nach oben ausklappt. In der Standardeinstellung ist der Monitor für Außenaufnahmen zu dunkel, Abhilfe schafft der Modus „Sonne“.
Nach wie vor sehr inkonsequent ist die Implementierung des Touchscreens. So lässt sich nur das AF-Messfeld setzen und im Wiedergabemodus in das Bild hineinzoomen. Gerade bei einer Vlogging-Kamera wäre eine Menübedienung über den Touchscreen, das Starten eines aufgenommenen Videos durch Antippen oder das Weiterblättern im Wiedergabemodus wünschenswert – Funktionen, die Sony zurzeit noch den Highend-Modellen Alpha 7S III und Alpha 1 vorbehält. Das gilt übrigens auch für die Menüführung, die noch die alte, etwas unübersichtliche ist.
Das kann die Sony ZV-E10
Die ZV-E10 nimmt sehr detailreiche 4K-Videos auf, die aus der vollen horizontalen 6K-Auflösung des Sensor per Oversampling gewonnen werden. Die 4K-Bildwiederholrate liegt bei 25p (PAL). Wenn man auf NTSC umschaltet sind auch 24p und 30p möglich, bei letzterem wird das Bildfeld allerdings doch um den Faktor 1,2 beschnitten. Gecroppt wird außerdem naturgemäß, wenn neben dem Stabilisator im Objektiv die digitale Stabilisierung aktiviert wird („SteadyShot Aktiv“).
Full-HD kann die ZV-E10 im Standardmodus mit bis zu 50p (PAL) bzw. 60p (NTSC) aufnehmen, im S&Q-Programm sind Frequenzen von 1 bis 100 fps möglich (120 in NTSC), was einem 60fach-Zeitraffer bzw. einer 5fach-Zeitlupe entspricht; ab 100 fps wird auch in Full-HD gecroppt. Zur Verfügung stehen zahlreiche Video-Profile unter anderem mit dem flachen S-Log2 und S-Log3, das ideales Ausgangsmaterial für die Nachbearbeitung bietet.
Auch HLG (Hybrid Log Gamma) zur Wiedergabe auf kompatiblen HDR-Fernsehern wird unterstützt. Positiv fallen außerdem die Tally-LED und ein roter Rahmen auf, welche die laufende Aufnahme signalisieren. Ein weiterer Pluspunkt gegenüber der Alpha 6100 ist, dass neben einem Mikrofoneingang auch eine Kopfhörerbuchse zur Verfügung steht. Die ZV-E10 bringt übrigens einen Multi-Interface-Zubehörschuh mit, der auch den Anschluss rein digitaler Mikrofone unterstützt.
Wer den Ton drahtlos übertragen will, sollte sich das im Kit mit der Kamera für gut 150 Euro Aufpreis erhältliche ECM-W2BT anschauen, das den Ton über Bluetooth bis zu einer Entfernung von 200 Metern überträgt und wahlweise digital über den Zubehörschuh oder analog über die Mikrofonbuchse angeschlossen wird. Es liefert vor allem im Außenbereich, wo Nebengeräusche stören können, einen deutlich besseren Ton.
Ein spannende Funktion, die Sony bei der ZV1 per Firmware-Update nachgerüstet hatte, ist der Webcam-Modus. Sprich: die ZV-E10 lässt sich ohne zusätzliche Software für Videokonferenzen nutzen – Bild (1280 x 720 Pixel) und Ton werden dabei per USB-C übertragen. Möglich machen das die Standards UVC (USB Video Class) und UAC (USB Audio Class). Damit der Akku beim Streamen nicht schlapp macht, lässt sich die Kamera per USB-C mit Strom versorgen.
Eine Stärke bei Sony ist der Hybrid-Autofokus mit Tracking, der auch bei der ZV-E10 implementiert ist: 425 Messfelder decken 84 % des Bildes ab und eine Gesichts- und Augenerkennung für Menschen und Tiere automatisiert das Scharfstellen. Die Tieraugenerkennung funktioniert übrigens nur im Foto- und nicht im Videomodus.
Praktisch beim Filmen: Soll bei Produktpräsentationen nicht auf das Gesicht fokussiert werden, kann man den „Product Showcase“-Modus aktivieren, der dafür sorgt, dass die Kamera den Fokus nahtlos zwischen einem Gesicht und einem näher gelegenen Gegenstand verlagert. Zu den weiteren Funktionen gehören das lautlose Auslösen mit elektronischem Verschluss, ein Schwenkpanoramamodus, HDR und Intervallaufnahmen.
Vermisst haben wir wie bei allen Sony-Kameras einen in die Kamera integrierten Raw-Konverter. Lohnenswert könnte die Investition in den Bluetooth-Griff GP-VPT2BT sein, der bei Redaktionsschluss für nur knapp 70 Euro Aufpreis im Kit mit der Kamera erhältlich war. Er bringt Bedienelemente mit (Foto- und Videoauslöser, Zoomhebel, Funktionstaste) und lässt sich auch als Tischstativ nutzen.
Geschwindigkeit und Bildqualität der Sony ZV-E10
Die Alpha ZV-E10 hat eine kurze Auslöseverzögerung und einen sehr schnellen Serienmodus: Wir haben 11,2 Bilder/s gemessen, das ist sogar etwas schneller als von Sony angegeben (11 B/s). Mit der aktuell schnellsten SD-Karte konnten wir bei dieser Frequenz 147 JPEGs oder 48 Raws in Folge ermitteln. Die Bildqualität haben wir im Labor mit dem Referenzobjektiv Zeiss Sonnar FE 1,8/55 mm im JPEG-Modus getestet.
Auffällig ist, dass die Auflösung bis ISO 400 Wirkungsgrade über 100 % erreicht, was auf eine zu aggressive Bildaufbereitung hindeutet und Abzüge bei der Artefaktnote (4,5) zur Folge hat. Ab ISO 800 ist die Auflösung dann etwas niedriger als beim Schwestermodell Alpha 6100, bleibt aber sehr hoch – bei ISO 6400 beträgt der Wirkungsgrad immer noch über 86%, erst bei ISO 12.800 fällt er unter 75 %.
„Die ZV-E10 punktet mit dem besten Videomodus, ist für Fotografen aber nicht ideal.“
Andreas Jordan, fotoMAGAZIN
Im Vergleich zu den anderen Kameras erreichen die beiden Sony-Modelle vor allem im High-ISO-Bereich die mit Abstand höchsten Auflösungswerte. Das Bildrauschen fällt minimal schlechter aus als bei der Alpha 6100. Beim Rauschverhalten in den höhen ISO-Stufen schneiden vor allem die Fuji X-T200 und die Panasonic G110 besser ab, was allerdings einem aggressiveren Rauschfilter geschuldet ist, der sich negativ auf die Auflösung auswirkt.
Sehr gute Werte erzielt die ZV-E10 beim Dynamikumfang bei ISO 100 – mit neun Blendenstufen ist er der höchste im Testfeld. Unter dem Strich erreichen die getesteten Kameras eine ähnliche Bildqualität mit unterschiedliche Stärken und Schwächen – lediglich die Fuji X-T200 fällt wegen ihrer deutlich niedrigeren Auflösung etwas ab.
FAZIT
Im Vergleich zu den anderen Kameras im Testfeld hat die ZV-E10 den besten Videomodus. Die meisten Kameras in der Tabelle nehmen 4K nur mit Crop auf – ausgenommen die Alpha 6100 und Fuji X-T200. Diese beiden haben aber kein flaches logarithmisches Gamma an Bord und der Alpha 6100 fehlt der seitlich ausschwenkbare Monitor.
Wer mit der Kamera auch fotografieren möchte, dürfte schnell den Sucher vermissen, den alle anderen Kameras im Testfeld mitbringen. Fotografen sind daher mit der Alpha 6100 am besten beraten, die knapp vor der Panasonic Lumix G110 den Testsieg holt.
Zubehör für Vlogger
Für Filmer ist das Zubehör genauso wichtig wie die Kamera. Wir geben einige kurze Tipps:
1. Gimbals
Wer Videos aus der Hand dreht, ist mit einem Gimbal gut beraten. Im Gegensatz zu den einfachen Griffen, die beispielsweise Sony als Zubehör zur ZV-E10 anbietet, sind die Kameras beim Gimbal kardanisch aufgehängt. Vor allem wenn man sich beim Filmen bewegt, gleicht der Gimbal sehr effektiv Ruckeln aus.
Gimbals für Systemkameras gibt es beispielsweise von DJI, FeiyuTech, Manfrotto, Sirui und Zhiyun zu Preisen ab 150 Euro. Beim Kauf sollte man zunächst darauf achten, welches Gewicht der Gimbal tragen kann. Die leichten Systemkameras mit Kitobjektiv aus unserem Test sind in der Regel kein Problem, aber schon ein schweres Objektiv kann die Auswahl einschränken.
Vor allem bei schweren Kamera-Objektiv-Kombinationen und längeren Sequenzen ist möglicherweise ein Gimbal von Vorteil, der zweihändig geführt wird. Bei manchen einhändigen Gimbals lässt sich ein Zusatzgriff für die Zweihandführung anbauen.
Weitere Merkmale, auf die Sie beim Kauf eines Gimbals achten sollten:
- Ist die kabellose Kamerasteuerung kompatibel mit meiner Kamera?
- Wie lange hält der Akku?
- Gibt es ein Gewinde, um den Gimbal auf einem Stativ zu montieren bzw. mit einer Teleskopstange zu verlängern?
Teure Gimbals verfügen oft über zusätzliche Funktionen wie einen eingebauten Touchmonitor oder die Möglichkeit, Kamerabewegungen zu programmieren.
2. Licht
Portables LED-Licht mit Batteriebetrieb gibt es von vielen Herstellern, beispielsweise Aputure, Cullmann, Dörr, Elgato, Godox, Jinbei, Kaiser, Manfrotto, Neewer, Rollei, Yongnuo oder Walser zu Preisen ab 40 Euro.
Beliebt sind Ringlichter, die um die Kamera herum angebracht werden und schattenfrei ausleuchten, aber bei Brillenträgern zu unschönen Spiegelungen führen können. In diesem Fall sind Flächenleuchten, die abseits der Kamera positioniert werden, besser geeignet – am besten als Bicolor-Ausführung mit kaltem und warmem Licht.
Ein Diffusor kann für weicheres Licht sorgen. Eine interessante Lösung hat Rollei seit Kurzem im Sortiment: In das rechteckige 20-Watt-Licht Lumis U lassen sich Smartphones oder kompakte Systemkameras montieren und auch die Montage eines Griffs oder eines Mikrofons ist möglich.
3. Mikrofone
Genauso wichtig wie das Bild ist der Ton. Kameras wie die ZV-E10 oder die Lumix G110 haben zwar gute eingebaute Mikrofone, aber auch sie kommen in vielen Situationen an ihre Grenze. Wer in ruhigen Innenräumen auf kurze Distanz aufnimmt, kann zu einem Mikrofon greifen, das Kamera-nah, bspw. auf dem Zubehörschuh, montiert und über die Mikrofonbuchse angeschlossen wird. Es hat in der Regel eine bessere Richtwirkung als die integrierten Mikros.
Vor allem Røde hat hier mehrere Lösungen im Sortiment, die teilweise auch Bestandteil der Vlogger-Kits der Kamerahersteller sind. Meist wird noch ein Shock-Mount-Adapter mitgeliefert, der die Übertragung von Bedien- oder Bewegungsgeräuschen von der Kamera auf das Mikrofon reduziert. Noch besser ist natürlich die komplette mechanische Entkopplung von Kamera und Mikrofon.
Spätestens wenn der Ton über längere Entfernungen übertragen werden soll, empfiehlt sich eine Funklösung bspw. von Sennheiser oder Røde (ab 180 Euro), bei Sprachaufnahmen in Kombination mit einem Lavaliermikrofon zum Anstecken.
> Hier gelangen Sie zum Download der Tabelle mit allen Ergebnissen aus unserem Test (Canon EOS M50 Mark II, Fujifilm X-T200, Panasonic Lumix G110, Sony Alpha 6100, Sony ZV-E10).
Labormessungen: Anders Uschold
Dieser Test ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 11/2021 erschienen.
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