Sigma hat sich einmal mehr auf unbetretenes Terrain gewagt und das erste Zehnfachzoom bis 600 mm für das Kleinbildformat gebaut: Das 4,5-6,3/60-600 mm DG OS HSM aus der professionellen Sports-Linie löst das 50-500 mm OS ab und soll eine ebenso hohe Abbildungsleistung wie das 5-6,3/150-600 mm Sports erzielen. Ob das zutrifft, haben wir im BAS-Digital-Test untersucht.
Rund 2,7 kg bringt das Zehnfachzoom auf die Waage und ist damit geringfügig leichter als das Sigma 5-6,3/150-600 mm DG OS HSM Sports. Die Fassungsqualität – ein Materialmix aus Magnesiumlegierung, temperaturstabilen und Kohlenfaser-verstärkten Kunststoffen sowie dem obligatorischen Messingbajonett – ist ausgezeichnet. Darüber hinaus ist das Objektiv als Teil der Sports-Produktlinie staub- und spritzwassergeschützt. Der Optical Stabilizer bietet zwei Modi, Stabilisierung in alle Richtungen (entsprechend bis zu vier Blendenstufen) und für Mitzieher (Ausgleich von vertikalen Verwacklungen).
Um das ungewollte Heraus- oder Hereinrutschen des Zooms zu verhindern, kann der Zoombereich bei der Anfangsbrennweite komplett verriegelt werden, während er sich bei den anderen, markierten Zwischenbrennweiten bis einschließlich 600 mm (insgesamt sind es elf Positionen) „sanft“ blockieren lässt. In diesen Positionen ist ein gewisser Kraftaufwand nötig, um den Zoomring zu lösen.
Der Zoommechanismus ist nicht leichtgängig, doch durch das hohe Eigengewicht fährt es bei starker Neigung nach unten oder oben von alleine aus bzw. ein. Deshalb macht dieser erweiterte Zoom-Lock durchaus Sinn. Wie schon bei anderen, neuen Telezooms hat Sigma das Zoomen auf zwei Arten möglich gemacht: Entweder dreht der Fotograf am ziemlich lang übersetzten Zoomring (über 100 Grad) oder er zieht bzw. schiebt – mit gutem Griff in der Mulde am Vorderende – den Fronttubus, wie früher bei den Schiebezooms. Auch der Fokussierring lässt sich ausgezeichnet bedienen.
Interessant verhält sich die Nahgrenze: Sie ist brennweitenabhängig und beträgt bei 60 mm sehr gute 60 cm, was einem Arbeitsabstand von nur rund 28,5 cm entspricht. Seinen maximalen Abbildungsmaßstab erreicht das Objektiv bei 200 mm mit 1:3,4. Mit zunehmender Brennweite erweitert sich die Nahgrenze nur geringfügig, um dann ab etwa 400 mm stark anzusteigen. Bei 600 mm sind es dann 2,60 m.
Das 60-600 mm besitzt eine sanft laufende und rastende Stativschelle mit austauschbarem Arca-Swiss-Fuß, der zwei Stativgewinde aufweist (1/4- und 3/8-Zoll). Auch Ösen für einen Gurt finden sich am Stativring. Gut gefällt, dass der Fokussierbereichsbegrenzer nicht nur sechs Meter bis Unendlich bietet, sondern auch der übrige Nahbereich ausgewählt werden kann, wenn das Motiv eben innerhalb der sechs Meter bleibt.
Neben der Filterfassung ist auch die Vorderkante der Streulichtblende gummiert, was Schäden beim Anecken verringern kann. Die Gegenlichtblende (und einige andere Teile) ist aus Carbonfaser-verstärktem Kunststoff gefertigt und wird – ohne Bajonett frei platzierbar – mit einer griffigen Metallschraube fixiert. Der Streulichtschutz ist insgesamt sehr gut bis ausgezeichnet.
Mit Hilfe des USB-Docks und der Sigma-Software können Fotografen zwei individuelle Presets auf einen Wahlschalter legen. Das 60-600 mm ist mit Sigmas Anschluss-Konverter MC-11 für Sony FE kompatibel und selbst Tele-Konverter lassen sich – je nach AF-Modul der Kamera beim TC-1401 sogar mit Autofokus – verwenden.
Aufnahmen mit dem Sigma 60-600 mm Sports
Kann die Mechanik also völlig überzeugen, stellt sich die Frage nach der optischen Leistung im Labor. Dazu sollte vorausgeschickt werden, dass es sich um ein hochkomplexes Zoom mit einem Brennweitenbereich vom Normalobjektiv bis zum Supertele handelt, das zudem eine recht hohe Lichtstärke bei 600 mm aufweist und einen Bildstabilisator besitzt. Die Erwartungen dürfen also nicht zu hoch geschraubt werden.
Die Auflösung am Vollformatsensor nimmt mit der Brennweite ab. Bei 60 mm ist sie am höchsten und wird nach Abblenden um zwei Stufen gut, bei 180 mm reicht eine Stufe für mittlere bis gute Werte. Mittlere bis eingeschränkte Werte erreicht das Zoom bei 600 mm, diese allerdings bereits bei der Anfangsöffnung; Abblenden zur Leistungssteigerung ist unnötig. Am APS-Sensor, an dem unser Testmuster mit Canon-Anschluss einem 96-960 mm bei Kleinbild entspricht, nimmt der Wirkungsgrad ebenfalls mit der Brennweite ab, doch es ist nahezu offenblendtauglich. Die Werte liegen durchgängig höher.
Bei der Randabdunklung scheint sich der optische Bildstabilisator als begrenzender Faktor des Strahlengangs bemerkbar zu machen. Im Vollformat ist die Vignettierung bei allen Brennweiten sehr deutlich und (außer bei 600 mm) spontan. Um zwei Stufen abgeblendet bleibt sie nur bei 60 mm sichtbar und spontan, bei 180 und 600 mm verschwindet sie dann fast komplett. Bei APS fällt die Randabdunklung nur geringfügig bei Offenblende und 60-mm-Einstellung auf. In Sachen Verzeichnung tritt nur die kurze Brennweite im Vollformat in Erscheinung, hier ist sie sichtbar bis deutlich tonnenförmig. Die anderen Messkombinationen sind kaum relevant oder sehr niedrig.
Im Vergleich zum – nach der Preisempfehlung 200 Euro teureren – Sigma 150-600 mm Sports löst das 60-600 mm am APS-Sensor etwas geringer auf. Größer sind die Differenzen am Vollformatsensor: Die kurze und mittlere Brennweite ist beim 150-600 mm offenblendtauglich und löst deutlich höher auf. Bei 600 mm beginnen beide Objektive auf ähnlichem Niveau, doch das 150-600 mm kann sich durch Abblenden auf gute Werte steigern. Die Vorteile liegen im Vergleich also beim Vierfachzoom.
FAZIT
Die absolut herausfordernde Konstruktion eines Zehnfachzooms bis 600 mm hat Sigma mutig angenommen und in großen Teilen sehr gut gelöst. Die Schwächen betreffen eher die Leistung im Vollformatbereich und dort die kurze und mittlere Brennweite. Die vermutlich sehr häufig genutzte 600-mm-Einstellung zeigt sich relativ stark. Zusammen mit der hervorragenden Mechaniknote ergibt es am Ende ein – wenn auch sehr knappes – „Super“.
> Hier gelangen Sie zum Download der Tabelle mit den Ergebnissen aus unserem Test.
Labormessungen: Anders Uschold
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Dieser Test wurde in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 1/2019 veröffentlicht.
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