Äußerlich sieht man der vergleichsweise kleinen Alpha 9 ihre beeindruckenden Fähigkeiten kaum an – und doch wurde die Sony Alpha 9 kürzlich erst zur EISA-Kamera 20017-2018 gekürt.
Beim Gehäuse setzt Sony auf Evolution und hat nur einige sinnvolle Veränderungen gegenüber der Alpha-7-II-Serie vorgenommen. Grundsätzlich bleibt die Kamera klein und leicht und wiegt nur etwa die Hälfte der Profiboliden Canon EOS-1D X Mark II und Nikon D5 – diese haben allerdings den Hochformatgriff bereits eingebaut, den es bei Sony als Zubehör gibt.
Aber auch verglichen mit der kleineren Profi-SLRs EOS 5D Mark IV ist die Alpha 9 noch rund 220 Gramm leichter. Im Vergleich zur Alpha-7-II-Serie fällt der Griff etwas größer aus, was angesichts der in der Sportfotografie eingesetzten großen und schweren Teleobjektive absolut sinnvoll ist.
Neu sind einige Bedienelemente: Der Joystick zum Verschieben des Autofokus-Messfeldes, der AF-On-Button und die gegen ein versehentliches Verstellen arretierten Einstellräder für Serienbilder bzw. Autofokus-Modi. Lediglich das Belichtungskorrekturrad lässt sich nicht arretieren und kann sich beispielsweise beim Verstauen in der Fototasche verstellen – dank elektronischem Sucher sieht man dann aber sofort, ob die Kamera über- oder unterbelichtet.
Der Monitor hat gegenüber der Canon- und Nikon-Konkurrenz Vor- und Nachteile: Positiv fällt auf, dass er beweglich gelagert ist und sich nach oben und unten kippen lässt. Allerdings ist er kleiner (7,5 cm Diagonale statt 8,1 cm). Ab Werk ist er für den Außeneinsatz außerdem viel zu dunkel eingestellt, man kann ihn aber im Menü auf „Sonne“ umstellen, sodass er auch bei hellem Umgebungslicht gut ablesbar ist.
Alle drei Sport-Kameras haben übrigens einen Touchscreen, bei der Alpha 9 ist er aber ähnlich wie schon in der Alpha 6500 etwas halbherzig integriert: So lässt sich vor der Aufnahme nur das AF-Messfeld verschieben – fokussiert wird dann per Auslöser oder AF-On-Taste. Die Schärfeverlagerung per Touch-AF funktioniert nur während der Videoaufzeichnung. Im Wiedergabemodus kann der Fotograf die Aufnahmen durch die Berührung des Monitors vergrößern, aber nicht blättern und auch die Menü-Navigation per Touch ist nicht möglich.
Beeindruckend ist der Sucher. Er ist sogar minimal größer als die SLR-Sucher der EOS-1D X Mark II und der Nikon D5 und zeigt beim Fotografieren im Serienbildmodus mit elektronischem Verschluss ein unterbrechungsfreies Live-Bild an – SLRs haben konstruktionsbedingt eine minimale Dunkelphase. Positiv machen sich außerdem die sehr hohe Auflösung und das auch bei Schwenks ruckelfreie Sucherbild bemerkbar.
Ganz von elektronischen Moiré- und Aliasing-Artefakten verschont bleibt auch der Alpha-9-Sucher nicht. Im Vergleich zu optischen Suchern fressen außerdem die Lichter schneller aus, da der Dynamikumfang vom Sensor begrenzt wird. Die ist nicht unbedingt ein Nachteil, denn der Sucher zeigt, das was aufgenommen wird, während der optische Sucher einen größeren Dynamikumfang vorgaukelt, als die Kamera tatsächlich hat.
Innere Werte der Sony Alpha 9
Herzstück der Alpha 9 ist der neu entwickelte 24-Megapixel-CMOS-Sensor. Er kombiniert alle aktuellen Schlüsseltechnologien von Sony. Wie schon bei der 42-Megapixel-Kamera Alpha 7R II wurden die Leiterbahnen hinter die Fotodioden verlegt, um die Lichtausbeute zu maximieren („rückseitige Belichtung“). Zum anderen wurde, wie in den Kompaktkameras der RX100-Serie, DRAM-Speicher integriert, der für eine besonders hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit sorgt.
Gegenüber der Alpha 7R II haben die Sony-Ingenieure außerdem den auf dem Bildsensor integrierten Hybrid-Autofokus verbessert: So stehen nun 693 Phasen-Detektionsmessfelder zur Verfügung, die über 90 Prozent des Bildfeldes abdecken; hinzu kommen 25 Messfelder mit Kontrast-Erkennung.
Der Autofokus deckt also einen deutlich größeren Bildbereich ab, als bei den SLRs von Canon und Nikon, was sich vor allem beim AF-Tracking positiv bemerkbar macht, das fast bis an den Bildrand erfolgt. Erstaunlich zuverlässig kann der Autofokus übrigens auch Augen verfolgen – ein starker Vorteil vor allem beim Fotografieren mit sehr lichtstarken Objektiven und entsprechend geringer Schärfentiefe.
Einen echten Paradigmenwechsel vollzieht Sony beim Verschluss, der überwiegend auf elektronischem Weg realisiert wird. Ein mechanischer Verschluss ist zwar noch an Bord, aber primär für den Blitzeinsatz gedacht (Synchronzeit: 1/250 s). Im Serienbildbetrieb limitiert der mechanische Verschluss die Kamera dagegen auf bescheidene 5 Bilder/s, auch tritt dann eine deutlich störende Dunkelphase im Sucher auf.
Ganz anders der elektronische Verschluss, der 20 Bilder/s mit unterbrechungsfreiem Sucherbild ermöglicht. Dabei kann die Kamera völlig lautlos auslösen, was allerdings sehr ungewohnt und irritierend ist, da man kein Feedback beim Auslösen bekommt. Wen das stört, der kann ein künstliches Auslösegeräusch aktivieren.
Auch bei der kürzesten Verschlusszeit überbietet der elektronische den mechanischen Verschluss: So ist im S- und M-Modus 1/32.000 s, in anderen Belichtungsprogrammen 1/16.000s möglich (mechanisch: 1/8000 s). Den Rolling-Shutter-Effekt, der bei elektronischen Verschlüssen zu Verzerrungen bei Bewegungen führen kann, hat Sony nach eigenen Angaben durch das sehr schnelle Auslesen des Sensors deutlich reduziert; tatsächlich haben wir im Test keine störenden Effekte wahrgenommen.
Ein weiterer großer Vorteil gegenüber Canon und Nikon ist der integrierte Bildstabilisator mit Sensor-Shift. Er reduziert die Verwacklungsgefahr auch bei Aufnahmen mit Objektiven ohne eigenen Stabilisator; hat das Objektiv einen Stabilisator, so arbeiten beide zusammen. Die Effektivität wurde in der Alpha 9 noch einmal verbessert und erreicht jetzt – gemessen nach dem CIPA-Standard – bis zu fünf Blendenstufen.
4K-Video und mehr
Ultrahochauflösendes Video beherrschen alle drei Sport-Kameras. Die Alpha 9 und Nikon D5 nehmen dabei mit 3840 x 2160 Pixeln und bis zu 30 Bildern/s auf, die Canon EOS-1D X Mark II schafft sogar 4096 x 2160 Pixel mit 60 Bildern/s.
Allerdings schalten die Canon- und Nikon-SLRs bei der 4K-Aufzeichnung in einen Crop-Modus, während bei Sony der volle horizontale Bildwinkel erhalten bleibt. Die Qualität ist jedenfalls bei allen drei Kameras hervorragend und geeignet, um aus dem Video Standbilder für den Druck in A4 zu speichern (rund 8 Megapixel).
Die Alpha 9 beherrscht außerdem im S&Q-Modus, der direkt über das Moduswahlrad zugänglich ist, Zeitlupen und Zeitrafferaufnahmen mit 1920 x 1080 Pixeln und 1 bis 120 Bildern/s. Trotz der sehr guten Video-Qualität positioniert Sony die Alpha 9 im Videobereich unter der Alpha 7R II und Alpha 7S II, was sich daran zeigt, dass kein logarithmisches Gamma zur Verfügung steht.
Zugelegt hat die Alpha 9 auch beim Akku: Der neue NP-FZ100 hat die 2,2fache Kapazität des bisherigen NP-50 W und ermöglicht eine Laufzeit von 480 Aufnahmen im Sucherbetrieb beziehungsweise 650 Aufnahmen mit Monitor. Mit dem optionalen Batteriegriff VG-C3EM, der zwei Akkus aufnimmt, verdoppelt sich die Laufzeit ungefähr, liegt damit aber immer noch hinter der Canon EOS-1D X Mark II (1210 Aufnahmen) und vor allem der Nikon D5 (3780 Aufnahmen).
Sony-typisch lässt sich auch die Alpha 9 mit Apps aus den PlayMemories-Camera-Store erweitern. Vermisst haben wir einen in die Kamera integrierten Raw-Konverter – zumal die Kamera zum Testzeitpunkt noch nicht von den gängigen Raw-Konvertern unterstützt wurde.
Geschwindigkeit und Bildqualität
In unserem Test schaffte die Alpha 9 die versprochenen 20 Bilder pro Sekunde mit AF-Nachführung ohne Probleme. Mit der aktuell schnellsten UHS-II-SDXC-Karte von Sony hielt die Kamera die Bildserie für 361 JPEGs oder 241 komprimierte Raws in Folge durch.
Zum Vergleich: Die EOS-1D X Mark II schafft bei knapp 14 Bildern/s 170 Raws, die D5 bei 12 Bildern/s 200 Raws. Sony hat also mehr als nur die Nase vorn. Bei unkomprimierten Raws geht die Alpha 9 dann allerdings doch etwas in die Knie und schafft „nur“ noch 12 Bilder/s und 129 in Folge.
Der Vorteil der UHS-II-Speicherkarte zeigt sich übrigens sehr deutlich bei der Speicherdauer: Mir der schnellen UHS-II-Karte brauchte die Kamera 30 s, um eine zehnsekündige Serie (200 komprimierte Raws) zu speichern, mit der schnellsten UHS-I-Karte dauerte das Ganze satte 270 s.
Den Einzel-Autofokus haben wir im Labor mit dem 2,8/24-70 mm GM gemessen: Die Auslöseverzögerung liegt hier bei rund 0,2 s – auch das ist etwas schneller als bei Canon und Nikon.
Mit dem Referenzobjektiv Zeiss Sonnar 1,8/55 mm haben wir im Labor bei JPEGs eine extrem hohe Auflösung gemessen, die in den unteren ISO-Stufen sogar die theoretische Sensorauflösung übersteigt – ein sicheres Zeichen für künstliche Strukturen; die Artefaktnote ist daher mit 4,5 auch die schlechteste im Testfeld.
Nichts desto trotz: Die Aufnahmen mit der Alpha 9 sind sehr detailreich und die gemessene Auflösung liegt im gesamten ISO-Bereich über der Konkurrenz, die etwas niedriger auflösende Bildsensoren hat.
Nicht ganz so hervorragend ist das Rauschverhalten: Hier hat Canon in allen ISO-Stufen die Nase vorn, Nikon ist zwar bis ISO 3200 etwas schlechter als Sony, in den hohen ISO-Stufen aber ebenfalls besser. Dass Sony hier nicht ganz mithält, sieht man auch schon am ISO-Bereich, der regulär bei 51.200 und mit elektronischem Verschluss bei 25.600 endet.
Einen negativen Einfluss des E-Verschlusses auf die Bildqualität konnten wir allerdings visuell nicht feststellen – bei ISO 25.600 sehen die Aufnahmen mit mechanischem und elektronischem Verschluss weitgehend identisch aus. Visuell sind Aufnahmen bis ISO 1600 fast tadellos, danach werden sie langsam etwas schlechter, wobei ISO 3200 und 6400 noch gut brauchbar sind. Bei höheren ISO-Werten nimmt dann das Bildrauschen doch deutlich zu und die Detailzeichnung ab.
Nick Didlick: Das sagt der Profi zur Alpha 9
Der kanadische Sportfotograf Nick Didlick konnte bereits mehrere Sportveranstaltungen mit der neuen Sony fotografieren.
Während Sony bereits viele Hochzeits-, Portrait- und Naturfotografen angezogen hat, konnte das Unternehmen bisher im Sportjournalismus keine großen Erfolge erzielen – bis zur Einführung der Alpha 9. Was macht die neue Kamera nun so besonders?
- Autofokus: Die Alpha 9 kann Augen, Gesichter oder den ganzen Körper über 90 Prozent des Bildes verfolgen – dabei wird das Bild 60 Mal in der Sekunde ausgewertet und es stehen 693 AF-Messfelder zur Verfügung. Während eines Tennisspiels konnte ich die Spielerin damit frei im Bild positionieren und der Fokus der Kamera blieb auf den Augen – eine bemerkenswerte Erfahrung.
- Hohe Bildraten: Mit hohen Bildraten zu fotografieren, würde ich nicht immer empfehlen, weil dadurch riesige Datenmengen entstehen. In manchen Situationen wie einem Pferderennen, bei dem du versuchst den Moment zu erwischen, in dem alle Hufe vom Boden abgehoben haben, sind 20 Bilder/s aber sehr hilfreich. Bei Ski-Abfahrtsrennen, die ich jedes Jahr fotografiere, gelingen häufig nur ein bis zwei gute Action-Fotos mit dem perfekten Moment – mit 20 Bildern/s könnte sich die Ausbeute verdoppeln.
- Lautloses Arbeiten: Fotojournalisten müssen sich im Hintergrund halten und die Geräusche von Spiegelreflexkameras stören häufig. Bei Golfturnieren darf man beispielsweise erst fotografieren, nachdem der Ball abgeschlagen wurde, um den Spieler nicht zu stören. Mit der Alpha 9 ändert sich das – ich kann es kaum erwarten, bei den US Open in diesem Jahr mit der Alpha 9 geräuschlos 20 Bilder/s aufzunehmen, während der Autofokus das Auge des Golfers verfolgt, der den Ball vom Tee schlägt.
- Akkulaufzeit: Dies war lange Zeit ein Schwachpunkt bei Sony-Kameras. Es war nicht ungewöhnlich, dass Fotografen mit einer Tasche voller Akkus auf Veranstaltungen gegangen sind. Sony ist das Problem mit der neuen Batterie für die Alpha 9 angegangen. Während des Kentucky Derbys Anfang Mai konnte ich mit einer ferngesteuerten Alpha 9 sechs bis acht Stunden mit aktivem Rückseitenmonitor fotografieren. Der neu entwickelte NP-FZ100-Akku erlaubt einen mehr als doppelt so langen Betrieb als der NP-FW50 in der Alpha 7. Es gibt außerdem den optional erhältlichen Batteriegriff VG-C3EM, der zwei NP-FZ100-Batterien aufnimmt, und das Fotografieren im Hochformat sehr komfortabel macht. Achtung: Der Batteriegriff zur Alpha 7 ist nicht kompatibel mit der Alpha 9, weil die NP-FZ100-Akkus etwas größer sind.
- Zwei Speicherkarten-Slots: Was bei professionellen Kameras Standard ist, findet sich nun auch in der Alpha 9. Die Slots können so konfiguriert werden, dass sie simultan als Backup für Fotos und Videos dienen oder dass JPEG- und Raw-Dateien auf unterschiedlichen Karten gespeichert werden. Auch das Kopieren von einer Karte auf die andere ist möglich. Der erste Speicherkarten-Slot unterstützt UHS-II-Karten für schnellere Transferraten.
- Elektronischer Sucher: Die Alpha 9 hat einen hochauflösenden elektronischen Sucher mit 3,686 Millionen Punkten und beeindruckender Detaildarstellung. Ich bevorzuge es, im Sucher statt auf dem Monitor in die Bilder hinein zu zoomen, um die Schärfe zu beurteilen.
- Ethernet, FTP, Wi-Fi: Bei einigen Aufträgen mit enger Deadline ist es erforderlich, Bilder direkt aus der Kamera an eine Redaktion zu schicken. Die Alpha 9 hat hierfür eine Ethernet-Schnittstelle. Die FTP-Funktionen waren zum Testzeitpunkt noch nicht das, was ich mir wünschen würde, aber ich bin sicher, dass die Sony-Programmierer daran arbeiten. FTP kann auch über das Wi-Fi-Modul der Kamera genutzt werden.
Zu den Funktionen, die Fotojournalisten und Sportfotografen noch vermissen könnten, gehören die Bildbewertung, Sprachnotizen, ein Bildbeschnitt in der Kamera und die Übertragung von Kamera-Einstellungen über die Speicherkarte. Und schließlich will jeder Sportfotograf lichtstarke Teleobjektive, die für das E-Bajonett noch fehlen – üblich sind hier 2,8/300 mm, 2,8/400 mm, 4/500mm, 4/600mm und manchmal 5,6/800 mm.
Bedenkt man, dass Sony zuletzt alle zwei Monate neue Objektive für das E-Bajonett vorgestellt hat, so könnte die Lücke bald geschlossen werden – seit der Vorstellung der Alpha 9 im April sind schon das FE 4,5-5,6/100 400 mm GM, das 2,8/16-35 mm GM und das 4/12-24 mm G hinzugekommen. Offensichtlich will Sony die Alpha 9 sehr aggressiv zu einer der Top-Kameras in der professionellen Fotografie machen.
Fazit: Wendepunkt in der Kameratechnik?
Die Alpha 9 könnte einen Wendepunkt in der Kameratechnik markieren. Nach dem aufwendigen Spiegelmechanismus hat Sony auch den mechanischen Verschluss weitgehend überflüssig gemacht (Ausnahme: Blitzen).
Die Vorteile liegen auf der Hand: lautloses und erschütterungsfreies Auslösen, weniger Verschleiß und höhere Geschwindigkeiten. Auch wenn die Alpha 9 noch nicht in jeder Beziehung perfekt ist, gewinnt sie unter dem Strich den Testvergleich mit den Spiegelreflexboliden – ein beeindruckender Weckruf für die Platzhirsche.
Hier gelangen Sie zum Download der Tabelle mit allen Ergebnissen aus unserem Test: Canon EOS-1D X Mark II, Nikon D5, Sony Alpha 9.
Labormessungen: Anders Uschold
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Dieser Test ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 07/2017 erschienen.
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