Fazit
Nach unserem Bewertungsschema, das primär auf die fotografischen Eigenschaften zugeschnitten ist, schneidet die Nikon Z30 im Vergleich mit der Sony ZV-E10 auf Augenhöhe ab. Bei der Bedienung hat unseres Erachtens Nikon die Nase vorn. Als Vlogger-Kamera hat die Z30 aber ein paar Nachteile gegenüber der ZV-E10, bspw. den fehlenden Kopfhöreranschluss oder den Verzicht auf Spezialfunktionen wie den „Product Showcase“-Modus.
Die Nikon Z30 nimmt 4K-Auflösung in sehr guter Qualität auf. Die maximale Bildfrequenz liegt bei 30p.
Preis: ca. 800 Euro.
Testergebnisse
- Bildqualität (60%) 80.4%
- Geschwindigkeit (20%) 88.0%
- Ausstattung + Bedienung (20%) 72.3%
- GESAMT 80.0%
Einer der beliebtesten Vertreter der Vlogging-Kategorie ist die APS-C-Kamera Sony ZV-E10 vom August 2021. Mit der Nikon Z30 kommt nun eine weitere Kamera hinzu, die die gleiche Zielgruppe anspricht.
Kameras für das Video-Blogging – kurz Vlogging – sind im Trend. Laut Photo-Industrieverband (PIV) zeichnen sich Vlogging-Kameras durch eine hohe Videoauflösung (4K), einen um 180 Grad in die Selfie-Position klappbaren Monitor, einen Autofokus mit Gesichtserkennung und einen Mikrofoneingang aus.
Der Absatz solcher Kameras ist nach einer GfK-Studie im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um rund 20 Prozent gestiegen. Ob diese Kameras tatsächlich primär für das Vlogging zum Einsatz kommen, ist allerdings eine andere Frage, denn auch viele Modelle, die primär für die Fotografie eingesetzt werden, erfüllen die genannten Kriterien – beispielsweise alle Canon EOS-R-Systemkameras.
Die Kamerahersteller fassen den Begriff Vlogger-Kamera daher meist enger. Neben den genannten Eigenschaften sind die speziell für Video-Blogger vermarkteten Kameras meist besonders klein, leicht und preiswert und erleichtern damit den Einstieg in die Videoproduktion – und grenzen sich von professionellen Vollformat-Modellen ab.
Bedienung der Nikon Z30: mehr oder weniger gelungen
Die Nikon Z30 ist weitgehend eine um den Sucher beraubte, flachere und leicht modifizierte Z50, die im November 2019 Nikons erste spiegellose APS-C-Kamera war. Im Vergleich zur Sony ZV-E10 ist sie etwas größer und schwerer. Das voluminösere Gehäuse hat seine Vorteile. So fällt der Griff ergonomischer aus, was vor allem für den fotografischen Einsatz mit größeren Objektiven von Vorteil sein dürfte. Auf der Oberseite findet ein PSAM-Modusrad Platz, während man bei Sony etwas umständlicher über das Kurzmenü zwischen den Belichtungsprogrammen umschaltet.
Der rote Videoauslöser befindet sich bei beiden Kameras auf der Oberseite, bei der Z30 ist er gegenüber der Z50 größer geworden. Die ZV-E10 bringt auf der Oberseite noch eine Taste namens „Bokeh-Switch“ mit, die schnell zwischen offener und geschlossener Blende wechselt. Auch der S&Q-Modus (Zeitraffer und Zeitlupe) ist bei Sony einfach auf der Oberseite zugänglich. Ungewöhnlich für eine Systemkamera ist der Zoomhebel der ZV-E10, der in Kombination mit dem Powerzoom 3,5-5,6/16-50 mm OSS Sinn macht. Nikon hat dagegen keine Powerzoom-Objektive im Angebot.
Beide Kameras verzichten übrigens auf einen Gehäuseblitz, bringen aber einen Blitz- beziehungsweise Zubehörschuh mit. Anders als die Z30 hat die Sony-Kamera einen Multi-Interface-Schuh, der auch ein digitales Mikrofon aufnimmt, das über den Schuh mit Strom versorgt wird und den Ton ohne Kabel überträgt. Zusätzlich gibt es 3,5-mm-Klinkenbuchsen für Mikrofon und Kopfhörer. Die Z30 verzichtet dagegen auf den Kopfhöreranschluss und erschwert damit die Tonkontrolle.
Ein ergonomischer Schwachpunkt bei der ZV-E10 ist der Touchscreen
Der Touchscreen der ZV-E10 erlaubt lediglich das Setzen des AF-Messfeldes und das Weiterblättern im Wiedergabemodus, also keine Menübedienung und auch nicht das Starten des aufgenommenen Videos. Diese Funktionalitäten hat Sony bisher nur den Vollformatkameras Alpha1, Alpha 7S III und Alpha 7 IV spendiert. Bei der Nikon lassen sich dagegen grundsätzlich fast alle Funktionen per Touch bedienen, allerdings ausgerechnet im Selbstportrait-Modus nur mit Einschränkungen. Dieser wird standardmäßig aktiviert, wenn man den Monitor um 180 Grad schwenkt. Belichtungskorrektur, ISO und – falls der entsprechende Belichtungsmodus gewählt ist – Blende und Belichtungszeit kann der Anwender dann auf dem Touch-Monitor einstellen.
Zur Wiedergabe der aufgenommenen Fotos und Videos oder für Menüeinstellungen muss man den Selbstportrait-Modus aber beenden. Im Menü lässt sich der Selbstportrait-Modus übrigens auch ganz deaktivieren, dann stehen auch bei umgeklapptem Monitor Menüeinstellungen und Wiedergabefunktionen zur Verfügung. Beide Kameras signalisieren die laufende Videoaufnahme mit einer roten LED (im Fachjargon „Tally-Light“), die ZV-E10 zusätzlich mit einem roten Rahmen auf dem Monitor.
Neben den reinen Kameras bieten beide Hersteller attraktive Vlogger-Kits an: Nikon liefert für ca. 1000 Euro (200 Euro Aufpreis auf das Kameragehäuse) das kleine Z DX 3,5-6,3/16-50 mm VR, den Smallrig-Stativgriff, die ML-L7-Fernbedienung und den Smallrig-Windschutz für das integrierte Stereomikrofon mit. Sonys ZV-E10 ist mit dem E 3,5-5,6/16-50 mm OSS und dem Stativgriff GP-VPT2BT für rund 900 Euro Straßenpreis erhältlich – ca. 190 Euro über dem Gehäusepreis.
Videofunktionen: 4K und Full-HD-Zeitlupen
Grundsätzlich nehmen beide Kameras mit 4K-Auflösung in sehr guter Qualität auf. Die maximale Bildfrequenz liegt jeweils bei 30p, wofür man bei Sony umständlich in den NTSC-Modus wechseln muss (PAL liefert maximal 25p). Die Z 30 zeigt, dass es auch einfacher geht und stellt 24p, 25p und 30p ohne Systemwechsel zur Verfügung. Ein weiterer Vorteil der Z 30: Sie filmt ohne Crop, also mit der vollen Breite des Sensors. Das kann die ZV-E10 nur bis 25p, bei 30p beschneidet sie den Bildwinkel ungefähr mit dem Faktor 1,2.
In Full-HD können beide Kameras Zeitlupen mit maximal 120p aufnehmen. Vorteil Sony: Es stehen die professionellen Profile S-Log2 und S-Log3 für das nachträgliche Colorgrading sowie HLG für die HDR-Darstellung auf einem entsprechenden Monitor zur Verfügung. Wer die Aufnahmen der Z30 nachbearbeiten will, sollte zum Profil „Flach“ greifen, das den meisten Raum für Belichtungs- und Farbkorrekturen bietet, aber in dieser Hinsicht nicht an das logarithmische Gamma herankommt. Was die maximale Länge der Aufnahmen angeht, hat wiederum Nikon die Nase vorn: Laut Hersteller beträgt sie bei 4K 35 Minuten (Sony gibt 30 Minuten an) und bei Full-HD 125 Minuten (60 Minuten bei Sony). Die tatsächliche Länge hängt von der Umgebungstemperatur ab. Wir haben mit der Z30 in 4K/25p bei normaler Raumtemperatur sogar rund 45 Minuten bis zur Überhitzung gemessen, bei Full-HD/25p wie angegeben ca. 125 Minuten. Nach 125 Minuten war auch der Akku nahezu erschöpft. Noch längere Aufnahmezeiten ermöglicht die Stromversorgung per USB, die beide Kameras beherrschen.
Die Autofokussysteme erkennen beim Filmen Gesichter und Augen, übrigens auch Tieraugen – bei Nikon ist das ein Vorteil der Z30 gegenüber der Z50, die Tieraugen nur im Foto-Modus identifiziert. Eine Besonderheit der ZV-E10 ist der „Product Showcase“-Modus. Ist dieser aktiviert, so wechselt die Kamera nahtlos zwischen Gesicht und einem Produkt, das in die Kamera gehalten wird. Ein weiterer Vorteil der ZV-E10: Sie kann ohne weitere Hard- oder Software als Webcam eingesetzt werden, da sie die entsprechenden Standards (USB Video Class und USB Audio Class) beherrscht. Die Auflösung ist dabei allerdings auf 1280 x 720 Pixel beschränkt.
Auf eine mechanische Bildstabilisierung in der Kamera (IBIS) verzichten beide Modelle, die Kitobjektive sind aber optisch stabilisiert. Wer will kann außerdem eine recht effektive elektronische Stabilisierung für die Videoaufzeichnung aktivieren, die naturgemäß mit einem Crop einhergeht (1,3x bei Nikon, 1,44x bei Sony).
Bei der sonstigen Ausstattung unterscheidet sich die Z30 in wenigen Punkten von der Z50. So ist der Monitor etwas kleiner (7,5 statt 8,1 cm Diagonale), was daran liegt, dass die Z 50 neben dem sichtbaren Bild rechts eine Touch-Funktionsleiste besitzt. Bei der Z 30 hat Nikon außerdem das Ladegerät und sogar den USB-Netzadapter eingespart – nur ein USB-Kabel liegt bei. Weiterhin fehlen die Szenen- und Effektmodi. Pluspunkte gegenüber der Z 50 sind wiederum der Fokus-Bracketing-Modus (der schon aus der Z fc bekannt ist) und Timecode bei der Videoaufzeichnung.
Geschwindigkeit und Bildqualität Nikon Z30 und Sony ZV-E10
Bei der Geschwindigkeit nehmen sich die beiden Kameras nicht viel: Sie können Serien mit beeindruckenden 11 Bildern/s mit mechanischem Verschluss schießen und auch die Serienbildlänge ähnelt sich (um die 140 JPEGs oder 40 bis 48 Raws in Folge, siehe Tabelle zum Download). Beide Autofokussysteme reagieren mit den Kitobjektiven schnell.
Im JPEG-Labortest mit Referenzobjektiv hat die Z30 minimal die Nase vorn, was aber nicht kaufentscheidend sein dürfte.
Bei der gemessenen Auflösung schneidet die ZV-E10 dank des etwas höher auflösenden Sensors (24,2 statt 20,9 MP) besser ab, zumal die Auflösung auch in den höheren ISO-Stufen noch relativ hoch bleibt. Die Punkte für Rauschen und Dynamikumfang gehen dagegen an Nikon. Bei der Artefaktanfälligkeit (Note 4,5) gibt es keine Unterschiede. Die digitale Scharfzeichnung ist in den Werkseinstellungen bei der Z30 etwas stärker ausgeprägt, stört aber nicht.
„Bei allen Vlogger-Kameras gibt es noch Verbesserungs-potenzial.“
Andreas Jordan, fM-Redakteur
Alternativen für Vlogger
Neben den beiden getesteten Modellen wenden sich weitere Systemkameras gezielt an Vlogger (siehe auch den Vergleichstest in fM 11/2021):
Panasonics Lumix G110 (Straßenpreis ca. 550 Euro) setzt auf den kleineren Micro-Four-Thirds-Sensor. Sie spricht die Zielgruppe mit verschiedenen Funktionen an: Beim Umklappen des Monitors wird automatisch ein Selfie-Modus aktiviert, mit Funktionen wie digitale Hintergrundunschärfe oder Hautglättung.
Der Touchscreen erlaubt die komplette Bedienung der Kamera. Ein roter Rahmen kennzeichnet die laufende Aufnahme und für den Einsatz auf Social-Media-Plattformen lassen sich verschiedene Beschnittrahmen einblenden, beispielsweise quadratisch oder 5:4. Hochkantvideos werden so markiert, dass sie am Smartphone automatisch korrekt dargestellt werden. Ein flaches Vlog-L-Profil für die Nachbearbeitung ist ebenfalls integriert. Eine exklusive Stärke ist das Mikrofon mit drei Kapseln, dessen Ausrichtung sich ändern lässt, um bspw. Ton gezielt von vorne oder von hinten aufzunehmen. Fotografen dürfen sich über den elektronischen Sucher freuen. Ein Schwachpunkt ist, dass sich 4K/30p-Videos nur mit 1,25x-Crop aufnehmen lassen – und das für maximal zehn Minuten. Für 50 Euro Aufpreis liefert Panasonic einen Stativgriff mit Auslöser mit, der allerdings nicht wie bei Nikon oder Sony per Bluetooth funktioniert, sondern ein Kabel für den Fernauslöseranschluss benötigt.
Canons EOS M50 Mark II (ca. 610 Euro) punktet ebenfalls mit konsequenter Touch-Bedienung, Hochformat-Markierung für die Smartphone-Wiedergabe und beherrscht darüber hinaus das Live-Streaming auf YouTube. Für Fotografen gibt es einen integrierten E-Sucher. Nachteil: 4K/25p filmt die Kamera nur mit starkem 1,56x-Crop. Die EOS ist auch im Vlogger-Kit mit Zubehör wie Mikrofon, Stativ, HDMI-Grabber und DC-Kuppler für die Stromversorgung erhältlich.
FAZIT
Nach unserem Bewertungsschema, das primär auf die fotografischen Eigenschaften zugeschnitten ist, schneiden die Kameras auf Augenhöhe ab. Bei der Bedienung hat unseres Erachtens Nikon die Nase vorn. Als Vlogger-Kamera hat die Z30 aber ein paar Nachteile gegenüber der ZV-E10, bspw. den fehlenden Kopfhöreranschluss oder den Verzicht auf Spezialfunktionen wie den „Product Showcase“-Modus.
Bei Sony stört wiederum vor allem die inkonsequente Touch-Bedienung. Richtig ausgereift scheint uns zur Zeit keine Vlogger-Kamera. Nähme man die Vorteile beider Kameras zusammen, käme man dem idealen Vertreter dieser Kategorie schon näher. Auf unserer Wunschliste stünden noch 4K/60p und eine Sprach- oder Gestensteuerung, um bspw. die Videoaufzeichnung durch Heben der Hand zu starten, wie es bei Smartphones längst üblich ist.
↓ Download: Tabelle mit allen Ergebnissen aus unserem Test der Nikon Z30 und Sony ZV-E10.
Labormessungen: Anders Uschold. Dieser Test ist in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 10/2022 erschienen.
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