Der Dynamikumfang einer Kamera ist ein wesentlicher Faktor der Bildqualität und dabei von ebenso großer Bedeutung wie die Auflösung. Der Begriff wird oft missverstanden und mit dem Bildkontrast oder der Bit-Tiefe verwechselt – beide Größen stehen in einem Zusammenhang mit dem Dynamikumfang, bestimmen oder begrenzen ihn aber nicht.
Unter dem Dynamikumfang einer Kamera versteht man den maximalen Szenenkontrast, bei dem der Bildsensor noch alle Tonwerte vom hellsten bis zum dunkelsten unterscheiden kann, sodass weder die Lichter ausfressen noch die Schatten absaufen. Wie der Kontrast wird der Dynamikumfang in Blendenstufen oder Lichtwerten angegeben. Aktuelle Kameramodelle haben einen Dynamikumfang von meist 12 bis 15 EV, während der Szenenkontrast in einer Gegenlichtsituation rund 25 EV von Schattenzonen bis zum direkten Sonnenlicht erreichen kann.
Der Bildkontrast wird durchweg geringer als der Szenenkontrast und meist auch kleiner als der Dynamikumfang sein. Ein Monitor erreicht ja nicht die blendende Helligkeit des direkten Sonnenlichts oder eines Scheinwerfers und das wäre auch gar nicht wünschenswert. Ein auf Papier gedrucktes Bild kann sogar nur einen Kontrast von 5 bis 6 EV wiedergeben. Trotzdem kann ein Monitor ebenso wie ein Print einen hohen Dynamikumfang wiedergeben, denn wenn die Kamera die Tonwertabstufungen erst einmal erfasst und fein differenziert hat, kann man diese Tonwerte auf einen niedrigeren Bildkontrast komprimieren, ohne dass dabei Schatten- oder Lichterzeichnung verloren gingen.
Definitionen und Messverfahren
Um Angaben des Dynamikumfangs vergleichbar zu machen, muss man eine Definition vorgeben; tatsächlich gibt es verschiedene gängige Definitionen dieses Begriffs. Eine mögliche Definition ist das Verhältnis zwischen der größten elektrischen Ladung, die ein Sensorpixel speichern kann (der sogenannten „full well capacity“), und dem Grundrauschen, also dem Rauschsignal, das in unbelichteten Pixeln entsteht.
Messungen nach DxOMark (www.dxomark.com) beruhen dagegen auf einer anderen Definition, nämlich dem Verhältnis der maximalen elektrischen Ladung zu jener Ladung, bei der sich ein Signalrauschabstand von 1:1 einstellt, die Stärke des Signals also der des Rauschens entspricht. Dies wird als „engineering dynamic range“ bezeichnet. Das wäre allerdings mehr Rauschen und weniger Signal, als man in der fotografischen Praxis akzeptieren würde, weshalb es verschiedene Definitionen eines „fotografischen“ Dynamikumfangs gibt, die einen höheren Signalrauschabstand voraussetzen. Dabei muss man auch die Sensorauflösung berücksichtigen, denn bei einer höheren Auflösung entsteht schon bei einem geringen Signalrauschverhältnis ein Bild mit differenzierten Tonwerten. Alle diese Definitionen können nützliche Werte liefern, aber Vergleiche von Angaben, die auf verschiedenen Definitionen und Messverfahren basieren, führen zwangsläufig in die Irre.
Dynamikumfang und Bit-Tiefe
Der erreichbare Dynamikumfang einer Kamera hängt auch von der Zahl der Bits ab, welche die Analog/Digital-Wandler des Sensors liefern. Die Sensorpixel selbst arbeiten annähernd linear – die doppelte Lichtmenge führt zu einer doppelt so großen Zahl während der Belichtung gesammelter Elektronen – und da die A/D-Wandler ebenfalls linear sind, entspricht die doppelte Lichtmenge auch einem doppelt so großen Zahlenwert in einer Raw-Datei. Mit einem Bit mehr lassen sich doppelt so große Zahlen darstellen und daher ein EV mehr an Kontrast. Beispielsweise beschränkt ein 14-Bit-Raw-Format, wie es die meisten aktuellen Kameramodelle erzeugen, den Dynamikumfang eines Sensorpixels auf höchstens 14 EV. Der effektive Dynamikumfang des Bildes ist noch etwas höher, weil in den tiefsten Schattenzonen die Pixelwerte zufällig zwischen 0 und 1 schwanken, und an der relativen Häufigkeit beider Werte kann man erkennen, wo der exakte Helligkeitswert liegt, den der A/D-Wandler nicht mehr auflösen konnte. Zu den Tiefen hin kann man also Helligkeiten über die Bittiefe hinaus unterscheiden, wenn auch nur in größeren Flächen und nicht pixelgenau. Je höher die Auflösung des Sensors ist, desto ausgeprägter ist dieser Effekt.
Einen einfachen Zusammenhang zwischen Bits und Helligkeit und damit auch zwischen Bittiefe und Dynamikumgang gibt es ohnehin nur, wenn die Werteskala des Raw-Formats linear ist. Nikons verlustbehaftetes Kompressionsverfahren oder auch die Kompressionsmethode, die Leica in der M8 und M9 eingesetzt hat, verwenden nicht-lineare Skalen und beschränken den Dynamikumfang daher nicht in gleichem Maße.
Abseits von Raw-Formaten ist eine lineare Kennlinie ungewöhnlich, weil sie nicht unserer annähernd logarithmischen Helligkeitswahrnehmung entspricht. In praktisch allen Stadien der Bildbearbeitung und in JPEG- oder TIFF-Dateien haben wir es daher mit Varianten logarithmischer Kennlinien zu tun. Ein JPEG mit 8 Bit pro Farbkanal kann deshalb einen deutlich größeren Dynamikumfang als 8 EV wiedergeben.
Den Dynamikumfang vergrößern
Schon seit Jahren können Digitalkameras einen höheren Kontrast als die meisten Farbnegativfilme bewältigen; der Dynamikumfang des Diafilms ist ohnehin geringer. Der Dynamikumfang aktueller Sensoren reicht problemlos aus, den Kontrast einer einheitlich beleuchteten Szene wiederzugeben, bei der alle Helligkeitsunterschiede auf die unterschiedliche Helligkeit der Motive zurückgehen. Auch uneinheitlich beleuchtete Szenen, in denen Teile des Bildes im Schatten liegen, stellen die Sensortechnologie noch nicht vor Herausforderungen, denn wenn man auf die Lichter belichtet, lassen sich die Schatten meist noch hinreichend aufhellen. Es gibt aber Szenenkontraste, die bislang nur mit einer Belichtungsreihe zu bewältigen sind. Wie stehen die Chancen, den Dynamikumfang einer einzigen Belichtung noch über den aktuellen Stand der Technik hinaus zu erweitern?
Im Interesse eines größeren Dynamikumfangs könnte man die Kapazität der Sensorpixel erhöhen, sodass sie mehr Elektronen speichern können. Dazu wären allerdings größere Pixel nötig. Der allgemeine Trend geht aber ganz im Gegenteil zu kleineren Pixeln. Trotzdem wächst der Dynamikumfang neuerer Sensoren eher oder bleibt wenigstens gleich, was am immer geringeren Rauschen liegt – moderne Sensoren zeichnen sich durch ein sehr geringes Ausleserauschen aus. Hier wird aber bald eine Grenze erreicht sein, weil nach der Reduzierung aller Rauschquellen im Sensor selbst zunehmend nur noch das nicht reduzierbare Photonenrauschen bleibt.
Den Dynamikumfang ausnutzen
In der Praxis liegt es am Fotografen, den Dynamikumfang des Sensors durch eine optimale Belichtung maximal auszunutzen. Da die Kennlinie der Sensorpixel linear verläuft, bis die Füllgrenze erreicht ist und noch hellere Lichter ausfressen (Clipping), muss man auf die Lichter belichten, um den Dynamikumfang zu erhalten. Eine kontrastreiche Szene wird dann zwar zu dunkel abgebildet werden, aber das lässt sich durch eine Anhebung der Schatten im Raw-Konverter korrigieren.
Die verschiedenen Einstellungen zur Vergrößerung des Dynamikumfangs, welche die meisten Kamerahersteller anbieten, beispielsweise Canons „Tonwertpriorität“, Fujis „DR200“ und „DR400“ und Nikons „Active D-Lighting“, basieren auf dieser Methode, also einer Unterbelichtung, welche die Lichterzeichnung bewahrt, gefolgt von einer Anhebung der Schatten. Diese Einstellungen sind allerdings in ihrer Wirkung beschränkt, da sie nur um eine oder maximal zwei Blendenstufen unterbelichten. Mit einer manuellen Belichtungskorrektur können Sie bei aktuellen Kameramodellen bis –5 EV gehen. Die Schattenaufhellung setzt dann einen Raw-Workflow voraus – und einen Raw-Konverter, der wie beispielsweise Adobe Lightroom eine Belichtungskorrektur um denselben Wert in umgekehrter Richtung unterstützt.
Dynamikumfang und der ISO-Wert
Bei der Grundempfindlichkeit eines Sensors kann dieser seinen maximalen Dynamikumfang ausspielen, denn so ist die Grundempfindlichkeit definiert. Wählt man ISO-Werte unter der Grundempfindlichkeit, wird der Sensor überbelichtet und die hellsten Lichter abgeschnitten. Die Kamera korrigiert danach die Tonwerte und dunkelt die Mitteltöne und Schatten ab, sodass das Bild nicht überbelichtet wirkt, aber die schon bei der Belichtung verlorengegangene Lichterzeichnung kann nicht wiederhergestellt werden. Eine Pull-ISO-Einstellung unter der Grundempfindlichkeit ist daher kein Ersatz für extrem kurze Verschlusszeiten oder einen ND-Filter.
Bei einem höheren ISO-Wert belichtet die Kamera knapper, was den Dynamikumfang zu den Lichtern hin vergrößert, zu den Schatten aber aufgrund des anteilmäßig stärkeren Rauschens verringert. Dass der Dynamikumfang trotzdem insgesamt sinkt, ist der Verstärkung der Sensorsignale anzulasten. Die meisten Kameras erhöhen mit dem ISO-Wert auch die Verstärkung, bevor die aus den Sensorpixeln ausgelesenen analogen Signale einem Analog/Digital-Wandler zugeführt werden. Schwache Signale können von dieser Verstärkung profitieren und mit geringerem Rauschen digitalisiert werden, aber starke Signale, wie sie auch in der Available-Light-Fotografie die hellsten Lichter erzeugen können, übersteuern dann den A/D-Wandler. Obwohl die Sensorpixel selbst nicht überbelichtet sind, werden die Lichter deshalb abgeschnitten und der Dynamikumfang ist um so geringer, je höher der ISO-Wert ist.
Da die gängigen Sony-Sensoren und auch die neueste Sensorgeneration von Canon aber dank ihrer auf den Sensor integrierten A/D-Wandler sehr rauscharm sind, ist eine zusätzliche Verstärkung meist gar nicht mehr nötig, um das Rauschen in den Schatten gering zu halten. Man kann schwache Signale stattdessen auch ohne zusätzliche Verstärkung digitalisieren und erst im Nachhinein in der digitalen Bildbearbeitung aufhellen, wobei der Dynamikumfang erhalten bleibt. Um eine hohe Signalverstärkung zu vermeiden, wählt man einen niedrigen bis mittleren ISO-Wert, dazu aber eine negative Belichtungskorrektur. Bei ISO 800 und einer Belichtungskorrektur von –5 EV belichtet die Automatik entsprechend ISO 25.600, verstärkt aber nur so stark, wie es für ISO 800 nötig wäre. Das Ergebnis sind Bilder mit hohem Dynamikumfang, die dennoch nicht nennenswert stärker rauschen als Aufnahmen, die bei ISO 25.600 entstanden sind. Natürlich muss man die Belichtung im Raw-Konverter korrigieren, um ein Bild mit ausgewogenen Tonwerten zu erhalten.
Exkurs: Eingangsdynamik in DCTau
Die von uns im Kameratest DCTau ermittelten Dynamikwerte (in DCTau „Eingangsdynamik“ genannt) liegen aktuell bei maximal gut neun Blendenstufen und damit recht deutlich unter den theoretisch möglichen Werten. Woran liegt das? DCTau ist kein Komponententest sondern ein Systemtest auf JPEG-Basis, das heißt, wir testen immer Kamera-Objektiv-Kombinationen. Vor allem Streulicht im Objektiv und zwischen Sensor und Objektiv begrenzt in der Realität die Dynamik. Zwar werden die Vergütungen der Objektive immer besser, sodass das objektivinterne Streulicht abnimmt, auf der anderen Seite werden die in der Produktion teuren lichtschluckenden Maßnahmen der Linsenfassungen und besonders Blenden auf der dem Sensor zugewandten Rückseite des Objektives regelmäßig schlechter, was die viel beworbenen Verbesserungen der Vergütungen zunichte machen kann.
Dass die Dynamikergebnisse im Vergleich zu manchen anderen Tests etwas niedriger ausfallen können, hat noch einen anderen Grund: Bei der DCTau-Testtafel sind sechs kontrastreiche Graukeile auf einer Seite von einem weißen und auf der anderen Seite von einem schwarzen Balken begrenzt. Um jede dieser Kombinationen steht ein weißer Rahmen und alle sechs Teilbereiche befinden sich vor einem mittel- bis hellgrauen Hintergrund. Diese Testtafel stresst die Kamera, da sie prüft, welche Dynamik eine Kombination einer Kamera mit einem hochwertigen Objektiv unter anspruchsvollen Bedingungen leisten kann. Sie entspricht einer hellen Das Testchart zur Ermittlung der Eingansdynamik in DCTau einer hellen Szene, z. B. Außenbereich mit Straße und Himmel oder Landschaft, bei der die Güte der wenigeren dunklen Partien bewertet wird. In der Praxis zeigt sich, dass dann die erreichbaren Dynamikwerte ohne weiteres zwei bis drei Blenden unter denen von weniger anspruchsvoller Testtafeln liegen.
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