Was für ein spannendes Gefühl, wenn der frisch entwickelte Film von der Entwickler-Spule gerollt wird und es sich herauskristallisiert, ob die Aufnahmen etwas geworden sind. Der Film als Träger der entschleunigenden Fotografie braucht einen Mitspieler: Analoge Kameras sind fast nur noch gebraucht zu ergattern.
Lässt man die Einfach-Knipsen à la Holga-Kameras einmal bei Seite, so sind als anspruchsvollere Neuware nur noch Restbestände einer Nikon F6 (gut 2000 Euro) oder die Leica M-A (4350) Euro zu erwerben, mit nicht gerade entspannenden Preisen.
Die analoge Kamera auf dem Gebrauchtmarkt
Eigentlich schlief der Gebrauchtmarkt für analoge Fotografie sanft ein, sieht man von einigen Klassikern ab, die – nach dem Motto viel Metall, wenig Elektronik – ihren Marktwert hielten. Diese analogen Meilensteine der technischen Entwicklung sind von Sammlern nach wie vor gesucht. Diese Gruppe verfügt in der Regel über den nötigen finanziellen Hintergrund, um sich kostspielige Stücke zu gönnen.
Genau diese Sehnsucht nach dem Ursprünglichen begeistert auch zunehmend junge Leute. Durch die Handy-Fotografie sozialisiert, sind diese Anwender Teil des Analog-Hypes. Filmmaterial und Baryt-Fotopapier lösen Begeisterung aus. Diese Gruppe will mit ihren Analogen raus und fotografieren. Im Labor wird experimentiert, je mehr Handarbeit desto besser.
In diese Gruppe gehören auch die Perfektionisten, analoges (echtes) Mittelformat ist Grundlage für einen hochwertigen Verarbeitungsprozess. Es ist kein Zufall, dass sich eine Reihe von digitalen Kameras im Design stark an analogen Vorbildern orientiert. Design-Fans lieben das Ursprüngliche, sie suchen im Secondhand-Bereich nach den analogen Originalen.
Die analoge Kamera: Ein spät erfüllter Traum
Die eigene Foto-Biografie ist eine spannende Sache. Sie ist oft mit verschiedenen Kameramodellen gepflastert, die den technischen Aufstieg des Fotografen dokumentieren. Oft liegen die Anfänge im analogen Zeitalter. Eine Rückbesinnung auf die erste Kamera oder die Erfüllung des Wunschs nach der Analogen, die man sich damals nicht leisten konnte, sind typische Kaufmotive für gebrauchte Apparate.
Sparfüchse jagen auch auf dem Gebrauchtmarkt. Viel analoge Kamera(masse) für wenig Geld, das lässt sich machen. Mit dieser Gruppe verwandt ist die Schar der Spieler. Ihr Ziel ist nicht das Bild und sie benötigen keinen Film, um sich mit ihrer Kamera zu beschäftigen. Sie spielen schlichtweg mit dem Apparat. Je schräger das Modell, desto größer die Begeisterung.
Es sind diese verschiedenen Charaktere, die die Renaissance analoger Kameras ausmachen. Gemeinsam ist ihnen die Sehnsucht nach haptischen Erlebnissen, nach Emotionen, die analoge Kameras auslösen. Nostalgie hat viele Facetten, doch das Ausbrechen aus der digitalen Anonymität eint sie. Und die Geschäftswelt reagiert, Unternehmen stellen wieder vermehrt Filmmaterial her. Die Nachfrage schafft einen wachsenden Markt, deshalb steigt das Preisniveau für viele Analoge.
Die hier genannten Preise beziehen sich auf gebrauchte Ware im gepflegten, funktionstüchtigen Zustand.
Kameras für Sammler
Stets auf der Jagd nach Vollständigkeit: Sammler suchen immer nach dem noch fehlenden Teil in ihrer Schatzkiste. Ihr archivarischer Grundcharakter sorgt für Struktur. Edel-Sammler bevorzugen die renommierten Marken oder sie dokumentieren Highlights des Kamerabaus. Sie genießen fühlbare Wertigkeit des Materials und der Mechanik.
Die Leica M3 (rund 790 Euro/chrom) findet in beiden Sammlungskonzeptionen ihre Heimat. Sie ist das Startmodell der legendären M-Serie. Seit über 60 Jahren hat sich das Äußere dieses Kultobjekts kaum verändert. Leica M steht für das Messsucherprinzip, eine Art des Fotografierens, die man ablehnt oder vergöttert.
Die Leica M3 wurde zwischen 1954 bis 1966 in der Regel in Chrom gebaut, die wenigen schwarzlackierten Modelle kosten heute gebraucht mehr als das Zehnfache der Chrom-Typen.
Die Profikameras der 70er- und 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts waren Nikon-F-Spiegelreflexkameras. Zum mechanischen Höhepunkt avancierte die F2 AS (300 Euro), gebaut von 1971 bis 1980. Die wohl beste mechanische Kleinbild-Spiegelreflex ist die Basis eines schier unerschöpflichen F-Objektiv- und Zubehörsystems, also ein Eldorado für Sammler. Heavy Metal in Reinkultur, mehr Bildmaschine als Kamera.
Kameras für Sparfüchse
Wie bekomme ich möglichst viel Nostalgie für mein Geld? Hauptziel ist der optimale Gegenwert, ganz viel Kamera für wenig Euro. Der Sparfuchs durchforstet die Einkaufskanäle wie Internet und Fotobörsen mit dem Blick des Schnäppchenjägers. Und fast immer wird er fündig: Ganz viel Profikamera bei bescheidenem Einsatz gibt es mit der Canon EOS-1 (50 Euro für Body). Canons erste Profi-SLR mit Autofokus feierte 1989 großen Erfolg.
Nikon wurde der Rang als Platzhirsch streitig gemacht und eine bis heute andauernde Erfolgsära nahm ihren Anfang. Ein ausgesprochen hübsch designtes, bedienungsfreundliches Gehäuse mit neuem EF-Bajonett nahm eine Objektivlinie auf, die mit schnellem Autofokus, Ultraschall-Motoren und Bildstabilisierung damals konkurrenzlos war. Startschuss für eine Kameralinie, die bis heute formgebend für die EOS-Baureihe ist.
Aber es geht noch billiger. Die millionenfach produzierte Voigtländer Vito-Baureihe und deren Ableger, hier eine Vito CL gebaut in den 60er-Jahren (15 Euro), bietet unübertroffen viel Kameramechanik für das Geld. Das traditionsreichste Fotounternehmen, 1756 gegründet, sorgte nach dem 2. Weltkrieg für die Verbreitung der Fotografie. Dabei schufen die solide Grundqualität und gute Optiken (hier Skopar 2,8/50 mm) prima Voraussetzungen für qualitativ ansprechende Fotos.
Kameras für Spieler
Nie die Fotografie und nur selten die Technik ist Fixpunkt für den Spieler. Der Spieltrieb ist eine grundtypische Eigenschaft des Menschen. Obwohl Toy-Kameras für Kinder konzipiert sind, besitzen sie auch für Erwachsene durchaus unterhaltenden Charakter. Tasten lösen oft blinkende Lichtlein oder erstaunliche Geräusche aus; da läuft dann mehr ab als nur die Verschlusslamellen.
Mit der Kinderkamera Canon Janosch Tigerauge (20 Euro), eigentlich eine BF-7, könnten Sie auch fotografieren. Sie verfügt über einen eingebauten Blitz und Autofokus. Für den Spieler bietet sie emotionale Anknüpfungspunkte an die eigene Kindheit.
Miniaturisierung pur
Der Spielzeug-Zwerg Asahi Pentax 110 (35 Euro mit 2,8/24 mm) verkörpert anspruchsvollere Niedlichkeit. Diese analoge Kamera ist mit 172 g Lebendgewicht (mit Optik) bis heute die kleinste Spiegelreflex-Systemkamera. Das sechslinsige Normalobjektiv wiegt 13 g. Den Spieler reizt die Palette der Wechselobjektive: Sechs Festbrennweiten von 36 bis 140 mm (entsprechend Kleinbild) und ein Zoom 40-80 mm – ergänzt durch Winder und Systemblitz – erlauben das Entfalten des Spieltriebs.
Kameras für Anwender
Sie bilden wohl die tragende Säule der analogen Renaissance: Die wachsende Gruppe der Anwender will mit der Rückbesinnung auf analoge Grundlagen, Film und edles Barytpapier ihr Bewusstsein für das Schaffen qualitativer Fotos erhöhen. Das analoge und mit Muße verbundene Fotografieren mit dem Ergebnis eines Vintage-Unikats soll sich vom digitalen Massenprodukt absetzen. Grundlagen dafür sind technische Spitzenklasse und möglichst viel Format.
Die Messsucherkamera Mamiya 7(II) (2600 Euro mit 4/80 mm) für Rollfim 6 x 7 cm ist genau das passende Werkzeug. Für dieses große Filmformat ist sie leicht, kompakt und einfach zu bedienen; ideal für unterwegs. Sie ist mit sechs Wechselobjektiven (21 – 100 mm/KB) universell einsetzbar und besitzt den Komfort einer Zeitautomatik.
Die Freunde der Street-Fotografie suchen ein unauffälliges, schnelles Werkzeug mit rund 35 bis 50 mm Brennweite. Im edlen Sucherkamerabereich setzt die Leica Minilux (460 Euro chrom, 570 Euro schwarz) Zeichen für schnappschussartige Milieufotografie. Eine schnelle, kompakte Kamera (1995 – 2003) mit hochwertiger Optik und Leica-Status, obwohl wahrscheinlich von Panasonic gebaut.
Kameras für Biografen
Man muss nicht steinalt sein, um auf eine analoge Fototradition verweisen zu können. Früher, als Kameras dem Nachwuchs noch zu besonderen Anlässen geschenkt wurden, starteten ganz eigene Kamera-Biografien, die oft durch wertigen Aufstieg gekennzeichnet waren.
Die eigene Technikgeschichte kann heute mit persönlich relevanten Modellen ohne großen Finanzaufwand dokumentiert werden, selbst mit damals Unerschwinglichem. Canon oder Nikon – das war jahrzehntelang eine grundsätzliche Ansicht.
Die Nikon FE/FM (80/110 Euro) war gehobene Mittelklasse pur. Eine analoge Kamera für Analogaufsteiger und ambitionierte Fotografen. Mit ihr eröffnete sich das riesige Nikon-System, kompakt und ausgezeichnet verarbeitet. Die Canon-Jünger griffen in großer Zahl zur Canon AE-1 (60 Euro), eine technisch bahnbrechende Entwicklung: die erste KB-Spiegelreflex mit Mikroprozessor-Steuerung. Im Westen millionenfach verkauft.
Doch auch der Osten Deutschlands hatte seine Meilensteine: Praktica-Kameras prägten die Fotobegeisterten in der DDR. Die LLC (20 Euro) schrieb 1969 Geschichte, sie war die erste mit elektrischer Blendenübertragung.
Kameras für Design-Liebhaber
Noch heute sehen viele Kameras aus wie vor vielen Jahrzehnten. Vergleiche ich eine 60 Jahre alte Praktica mit einer neuen Canon EOS R, so sind bis auf den Handgriff die stilistischen Grundzüge sehr ähnlich.
Aber es gibt in der analogen Kamerageschichte auch eine Reihe von interessanten, auffälligen Abweichungen. Analoge Design-Highlights zu erwerben, ist für Freunde der Produktgestaltung ein spannendes Feld. Schönheit, ästhetischer Genuss stehen für sie im Vordergrund.
Fotografieren ist Nebensache, diese Liebhaber nutzen doch eher Vitrinen. Die Rollei 35 S (160 Euro), eine deutsche KB-Kultkamera, hat Kompaktheit neu definiert. Trotz ihrer geringen Größe einer Zigarettenschachtel vermittelt sie Wertigkeit und zeitloses Design mit ihren markanten zwei Einstellrädern auf der Vorderseite. Klarer Aufbau, keine Verspieltheit, vortreffliche Übersichtlichkeit: Hier wurden gestalterische Maßstäbe gesetzt.
Die Minox C (30 Euro), Filmformat 8 x 11 mm, gehört in die Familie der legendären, handschmeichlerischen Silberlinge. Der geniale Konstrukteur Walter Zapp entwarf 1938 die Ur-Minox. Angeblich in jedem guten Spion-Haushalt vorhanden, ist ihr Äußeres einmalig. Die Form unterstreicht hier Solidität und Haptik.
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