Unbeeindruckt von immer kürzeren Produktzyklen zeigen modulare Kamerasysteme ein großes Beharrungsvermögen, und mit seinen nunmehr zwanzig Jahren zählt das EOS-System von Canon noch zu den jüngsten seiner Art. Diese Beständigkeit ließ die aktuellen Systeme auch den wahrscheinlich größten Umbruch in der Geschichte der Fotografie überstehen, die Umstellung von der analogen Silberhalogenid- auf die digitale Technologie.
Beständigkeit bedeutet in diesem Fall Investitionssicherheit: Wer sich für ein modulares Kamerasystem entschieden hat, kann es Schritt für Schritt ausbauen, aber sobald der Hersteller das System wechselt, ist man von Weiterentwicklungen ausgeschlossen und kann seine umfangreiche Ausrüstung nur noch mit Verlust verkaufen, wenn man sich nicht auf Dauer mit dem Vorhandenen zufrieden geben will.
Die Haltung der Fotografen zu Systemwechseln ist dennoch ambivalent, denn das Beharren auf veralteten Standards behindert auch den technischen Fortschritt und kann ein System hinter dem eines weniger konservativen Mitbewerbers in Rückstand geraten lassen. Wenn ein Hersteller den harten Schnitt wagt, sollte er konsequent sein und radikal mit allen Altlasten aufräumen; das neue System muss dann mit so viel Weitblick konzipiert sein, dass es als stabile Basis für mehrere Jahrzehnte taugt.
Canons SLR-System: Von FD zu EOS
Canons Wechsel vom FD- zum EOS-System ist ein Beispiel für einen solchen revolutionären Schritt. EOS soll nicht nur an die griechische Göttin der Morgenröte erinnern, sondern ist auch ein Akronym für Electro-Optical System und kennzeichnet die neue Technik, mit der Kamera und Objektive kommunizieren.
Die mit dem Blendenring am Objektiv gewählte Blende muss an die Kamera übertragen werden, damit eine Zeitautomatik die passende Verschlusszeit wählen kann, und umgekehrt muss eine Kamera mit Blendenautomatik auch die Blende im Objektiv steuern können. Diese Übertragung erfolgte ursprünglich rein mechanisch, ebenso wie die Umschaltung der Blendenlamellen zwischen offener Blende und Arbeitsblende.
Das EF-Bajonett des EOS-Systems hat keinerlei mechanische Kontakte mehr; die Kommunikation zwischen Objektiv und Kameragehäuse erfolgt stattdessen über elektrische Kontakte, mit denen Canon zuvor schon für ein frühes Autofokussystem experimentiert hatte.
EF steht für Electro-Focus, denn auch die Fokussierung wurde nun elektronisch gesteuert; der Fokussiermotor sitzt im Objektiv selbst, sodass auf die von anderen Herstellern genutzte mechanische Übertragung der Umdrehungen eines Motors im Gehäuse von Anfang an verzichtet werden konnte. Auch die Fokussierung mit den besonders leisen und schnellen Ultraschallmotoren wurde erst dadurch möglich.
Mit dem EF-Bajonett änderten sich auch die Kenndaten des Gehäuses. Der innere Bajonettdurchmesser wuchs auf 54 mm, womit das EOS-System mehr Spielraum für lichtstarke Objektive als jedes andere aktuelle Kleinbildsystem bietet.
Das Auflagemaß, also der Abstand von Bajonett und Filmebene, wuchs zwar um zwei auf nunmehr 44 mm, blieb aber bis heute das kürzeste Auflagemaß aller SLR-Systeme für das Kleinbildformat. Es wird vielleicht nicht in Canons Absicht gelegen haben, aber dieser Umstand ist dafür verantwortlich, dass sich Objektive anderer Systeme, beispielsweise aus Leicas R-System, an die EOS-Gehäuse adaptieren lassen.
Die Kameras aus 20 Jahren EOS
Mit der EOS 650 fing alles an. Das erste SLR-Gehäuse der EOS-Reihe kam im März 1987 auf den Markt und knüpfte in seinem Design noch an die T-Modelle des FD-Systems an, die in Namens- und Formgebung an russische Panzer erinnerten.
Schon die erste EOS konnte automatisch fokussieren darin ging ihr zwar die T80 aus dem Jahre 1985 voraus, aber die EOS 650 hatte einen BASIS-AF-Sensor (BAse-Stored Image Sensor), dessen Entwicklung später noch weit reichende Folgen haben sollte: Canon sammelte hier erste Erfahrungen in der CMOS-Technologie, die 13 Jahre später zur ersten DSLR mit CMOS-Bildwandler führen sollte.
Als sechstes Modell des EOS-Systems war die EOS-1 vom September 1989 das erste Profimodell der Reihe. Es erreichte eine Serienbildgeschwindigkeit von 5,5 Bildern pro Sekunde und sein Autofokusmodul war erstmals mit einem für horizontale wie vertikale Bilddetails empfindlichen Kreuzsensor ausgestattet.
Auch das Sondermodell EOS RT (Oktober 1989) wandte sich an den Markt professioneller Fotografen. Statt eines Rückschwingspiegels hatte sie einen teildurchlässigen festen Spiegel, was die sonst unvermeidliche Dunkelpause beim Hochklappen des Spiegels eliminierte. Auch die hohe Verschlussgeschwindigkeit und der prädiktive Autofokus trugen dazu bei, den Modellnamen RT für Real-Time zu begründen.
Seit der EOS 10 vom März 1990 konnte der AF die Schärfe in mehreren Messfeldern ermitteln. Im November 1992 führte Canon mit der EOS 5 ein innovatives Feature ein, das viele Canon-Fotografen in den aktuellen Modellen vermissen.
Die fünf Messfelder des augengesteuerten AF ließen sich durch die Blickrichtung des Auges steuern; der Fotograf musste nur das gewünschte Messfeld fixieren, damit die Kamera darauf scharfstellte. 1998 wurde dieses Prinzip auf den fünfmal größeren AF-Sensor der EOS-3 erweitert, dessen 45 Messfelder rund 23 Prozent des Gesichtsfelds des Suchers abdeckten.
Für die erste digitale EOS war Canon noch auf die Kooperation mit einem anderen Hersteller angewiesen. Die EOS DCS 3 vom Juli 1995 war ein Hybrid aus dem Chassis der analogen EOS-1N und den von Kodak beigesteuerten digitalen Komponenten rund um einen 1,3-Megapixel-CCD. Die Empfindlichkeit des Sensors ließ sich bis auf ISO 1600 anheben, im Schwarzweißmodus sogar bis ISO 6400.
Canons erste vollständig selbst entwickelte DSLR war die EOS D30, die im Oktober 2000 mit ihrem CMOS-Bildwandler Aufsehen erregte. Bis dahin waren CMOS-Sensoren aufgrund ihrer geringen Produktionskosten vor allem Billigmodellen und Webcams vorbehalten geblieben, aber erst Canon schaffte es, das prinzipbedingt starke Rauschen in den Griff zu bekommen und mit den besten CCD-Bildwandlern zu konkurrieren.
Dass CMOS eine attraktive Alternative zur vorherrschenden CCD-Technologie war, stellte im März 2002 das Nachfolgemodell EOS D60 unter Beweis, dessen 6-Megapixel-Sensor auch bei ISO 1000 noch mit einem nur moderaten Rauschen überzeugen konnte.
Die erste professionelle DSLR des EOS-Systems war 2001 die EOS-1D, die mit einer Serienbildgeschwindigkeit von 8 Bildern pro Sekunde auf den Markt der Sport- und Reportagefotografen abzielte; die Auflösung von 4 Megapixeln reichte für deren Belange aus. Der Bildwandler mit einer Größe von 28,7 x 19,1 mm und einem Verlängerungsfaktor von 1,3 übertraf bereits alle früheren DSLRs der EOS-Reihe.
Im November des folgenden Jahres stellte Canon ihr die EOS-1Ds an die Seite, deren 11-Megapixel-Sensor das volle Kleinbildformat erreichte. Dies war zwar weder die erste Vollformat-DSLR, die Präzedenz gebührt der Contax N Digital, noch konnte sie ihren Auflösungsrekord lange halten, da Kodaks DCS Pro 14n ihr wenige Monate später mit 13,7 Megapixeln den Rang ablief.
Während sich aber Yashica-Kyocera ebenso wie Kodak längst aus diesem Markt zurückgezogen haben, waren alle Nachfolgemodelle der EOS-1Ds die Spitzenmodelle ihrer Klasse. Canons CMOS-Sensor im Kleinbildformat machte es erstmals möglich, vorhandene EF-Objektive ohne Änderung des Bildwinkels zwischen einer Kleinbild-SLR und einer DSLR auszutauschen; die scheinbare Brennweitenverlängerung, an die man sich bereits gewöhnt hatte, entfiel.
Bei Verwendung sehr kurzer Brennweiten konnte es zwar zu stärkeren Vignettierungen kommen, da ein Sensor auf im flachen Winkel einfallendes Licht weniger robust als der Film reagiert, aber dieser Nachteil ließ sich durch Abblenden kompensieren. Nicht zuletzt hatte mit dem vergrößerten Sensor auch das Sucherbild wieder die von Kleinbildkameras gewohnte Größe und Helligkeit.
Die Ablösung der EOS D60 durch die EOS 10D im März 2003 wirkte unspektakulär, aber in diesem Modell übernahm erstmals der DIGIC-Prozessor die Kontrolle über die interne Bildverarbeitung, der in seiner nunmehr dritten Inkarnation seitdem in jedem EOS-Modell wie auch in Canons Kompaktkameras steckt. Mit diesem Modell änderte sich auch die Namenskonvention, denn bei allen DSLRs wurde der Buchstabe D nun nach- statt (wie beim Mitbewerber Nikon) vorangestellt.
Im September 2003 begann die EOS 300D die vertrauten Grenzen zwischen den digitalen Kompakt- und den Spiegelreflexklassen zu verschieben, denn mit diesem Modell konnte Canon erstmals die magische 1000-Euro-Marke unterbieten. Damit trat sie in die Fußstapfen der EOS 300, die vier Jahre zuvor eine ähnliche preisbrechende Rolle auf dem Markt der Kleinbild-SLRs gespielt hatte.
Die 300D wurde mit 1,2 Millionen verkauften Kameras ein großer Erfolg, aber in anderer Hinsicht enttäuschte sie auch: Zu viele Funktionen und Einstellmöglichkeiten blieben in der Firmware verborgen, womit Canon ungewollt die Kreativität findiger Hacker anstachelte.
Dass es auch anders ging, bewies im März 2005 die weiterentwickelte EOS 350D, die nicht nur alle zuvor vermissten Einstellmöglichkeiten, sondern auch noch einen 8-Megapixel-Sensor bot, der einen neuen Maßstab für die Auflösung in der Einstiegsklasse setzte.
Wie die EOS 300D hat sie einen verkleinerten Rückschwingspiegel, der den Anschluss von für das kleinere Sensorformat optimierten EF-S-Objektiven erlaubt, deren Hinterlinse weiter in den Spiegelkasten hineinragen darf. Seit der EOS 20D (September 2004) ist der EF-S-Anschluss, der natürlich auch weiterhin für EF-Objektive geeignet ist, bei allen EOS-Modellen mit APS-C-Sensor Standard.
Musste man zunächst noch zwischen hoher Auflösung und hoher Geschwindigkeit wählen, zeigte Canon im April 2004 mit der EOS-1D Mark II, dass sich eine Bildfrequenz von 8,5 Bildern pro Sekunde mit einer Auflösung von 8 Megapixeln kombinieren ließ. Im November desselben Jahres folgte auch das Nachfolgemodell im Vollformatsegment, die EOS-1Ds Mark II, deren 16,7-Megapixel-Sensor bereits die analogen Mittelformatkameras hinsichtlich Auflösung und Rauschabstand in den Schatten stellte.
Nachdem Canon nunmehr der einzige Hersteller von DSLRs mit Kleinbild-Sensor geblieben war, kam im Oktober 2005 das erste Vollformat-Modell auf den Markt, das Kameras mit großen Sensoren erschwinglich machte. Die EOS 5D entspricht in ihren Features zwar weitgehend dem Mittelklassemodell EOS 20D und mehr noch dessen Nachfolger EOS 30D (März 2006), nimmt aber aufgrund ihres 12,8 Megapixel auflösenden Kleinbild-Sensor bis heute eine Alleinstellung ein.
Dem größten Schreckgespenst der digitalen Spiegelreflexfotografie, nämlich der Ablagerung von Staubpartikeln auf dem Sensor, begegnete Canon mit der im September 2006 eingeführten EOS 400D.
Dass zunächst dieses Einsteigermodell mit einem Staubfilter vor dem 10-Megapixel-Sensor ausgestattet wurde, das ähnlich einer zuvor von Olympus eingeführten Technologie anhaftenden Staub durch Ultraschallschwingungen abschüttelt, war wohl kein Zufall; gerade potentielle Umsteiger von der digitalen Kompaktklasse ließen sich von der oft kolportierten Gefahr durch eingedrungenen Staub ruinierter Bilder vom Kauf einer DSLR abhalten.
20 Jahre nach Einführung des EOS-Systems wartete die Branche auf eine spektakuläre Neuvorstellung, und Canon wurde dieser Erwartung mit der EOS-1D Mark III gerecht, die einen nunmehr 10 Megapixel auflösenden Sensor mit dem bekannten Verlängerungsfaktor von 1,3 hat.
Wie funktioniert ein Ultraschallmotor?
Seit 1989 verwendet Canon immer häufiger Ultraschallmotoren (USM), die mechanische Schwingungen statt eines Magnetfelds zur Erzeugung von Bewegungsenergie nutzen. Wie andere Motoren auch besteht ein Ultraschallmotor aus einem drehbaren Rotor und einem feststehenden Stator.
Der elastische Stator wird durch ein piezoelektrisches Element in Schwingungen von rund 30 Kilohertz versetzt und die über den Stator laufenden Wellen bringen den Rotor zum Drehen. Da die Schwingungen aufgrund ihrer hohen Frequenz unhörbar sind, entfällt das übliche Surren des Zoommotors. Ultraschallmotoren arbeiten darüber hinaus sehr schnell und lassen sich außerdem sehr präzise steuern.
Der einfachste Typ eines Ultraschallmotors ist der ringförmige USM: Rotor und Stator sind aufeinander liegende Ringe und daher optimal an den Einsatz in einem Objektiv angepasst. Da aber jedes Objektiv Ringe unterschiedlicher Größe erfordert, müssen für neue Objektive auch neue Motoren konstruiert werden.
Diesen Nachteil vermeidet der universell einsetzbare Micro USM, wie ihn Canon seit 1992 in einigen Objektiven einsetzt: Der sehr kompakte Micro USM verhält sich nach außen hin wie ein gewöhnlicher Motor, dessen Bewegungsenergie über ein Getriebe übertragen wird. Im Inneren befindet sich ein stabförmiger, von Piezokristallen in eine Taumelbewegung versetzter Stator, der einen darauf liegenden Rotor sich drehen lässt.
Canons SLR-System: Kamera-Historie (ausgewählte Modelle)
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