Das passt gut: Im Juni 2016, kurz vor dem 100sten Geburtstag, hat der Foto-Gigant Nikon über 100 Millionen Nikon-Objektive hergestellt. Unser Rückblick zeigt: Diese riesige Stückzahl ist eng verknüpft mit legendären Erfolgen der Nikon-Kameras. Lange bevor Nikon sich einen Namen mit spektakulären Kamerakonstruktionen machte, legte es als Produzent von Objektiven den Grundstein für diesen Erfolg.
Die Nikon-Historie: wie alles begann
Im Jahre 1917 schlossen sich drei bedeutende japanische Optik-Produzenten zusammen und gründeten die Nippon Kogaku K.K. Hochwertige Optiken für Kameras – pikanterweise auch für den heutigen Hauptkonkurrenten Canon produziert – und Mikroskope bildeten den Schwerpunkt der industriellen Fertigung. Der berühmte Produktname Nikon entstand erst 1946.
In der Nachkriegszeit orientierte sich die Firma am fotografischen Profi-Mainstream: Zweiäugige Spiegelreflexen (im Sinne der Rolleiflex) oder Kleinbild-Sucherkameras (á la Leica/Contax) standen zur Debatte. Die Geschäftsleitung entschied sich zukunftsweisend für das kompakte, schnelle Kleinbild-Format. Die erste Kamera mit dem Namen Nikon, die Messsucherkamera Nikon I, folgte der Linie der deutschen Zeiss Contax und war Grundstein für den Erfolg auch außerhalb Japans.
Wesentlich zum Erfolg dieser Kameraserie haben die innovativen Objektive beigetragen. Sie waren so gut, dass diese auch für Contax- und Leica-Kameras hergestellt wurden. Nikons Nikkor-Linsen wurden Handwerkszeug der amerikanischen Fotoreporter-Legende David Douglas Duncan (LIFE Magazin), der Anfang der 50er-Jahre beeindruckende Bilder aus dem Korea-Krieg mitbrachte. Besonders die Aufnahmen mit den lichtstarken Nikkoren 1,5/50 mm und 2,0/85 mm sorgten für Aufsehen – und für Nachahmer. Die amerikanische Fotoszene wurde zur Keimzelle der internationalen Erfolgsgeschichte der Nikon-Produkte.
1959: Nikon bringt „die F“ und mit ihr ein Stück Fotografiegeschichte
Sehr zur Irritation der deutschen Kamera-Industrie, dem damaligen Platzhirschen auf dem Fotomarkt, startete Nikon 1959 mit der Spiegelreflexkamera Nikon F dann endgültig durch. Startpunkt einer legendären Kamera-Baureihe, die in der Fotogeschichte wohl nur mit der Leica M-Serie zu vergleichen ist, reicht diese Nikon-Linie bis ins 21. Jahrhundert und endet erst mit der analogen Nikon F6, die sich noch heute im aktuellen Verkaufsprogramm befindet.
Gleichzeitig schuf Nikon mit dem F-Bajonettanschluss eine neue Wechsel-Objektivlinie, die sich anschlussmäßig bis heute in den Grundzügen nicht verändert hat. So kann ein damaliges Nikkor 1,4/58 mm nach fast 60 Jahren noch recht komfortabel an der klassisch gestylten digitalen Nikon Df verwendet werden.
Nachfolgende grandiose Objektiv-Rechnungen, wie für das Fisheye Nikkor 2,8/6 mm oder für das Schärfewunder Nikkor 1,8/85 mm, untermauerten den professionellen Anspruch dieser Kamerareihe. Diese Nikon F, zusammen mit der Nachfolgerin, der Nikon F2, sind Profilegenden schlechthin. Komplett modularer Aufbau und umfangreiches Zubehör-Programm legten den Grundstein für Nikons Erfolg in den folgenden Jahrzehnten.
Nikon: 100 Jahre Fotokompetenz im Zeitstrahl
Nikon in den 60er- und 70er-Jahren: mit der F-Serie auf der Überholspur
In Deutschland wurde die Branche nervös und beklagte eine angebliche Namensähnlichkeit mit Zeiss Ikon, sodass die japanischen Kameras zuerst nicht unter dem Namen Nikon verkauft werden durften. In den 60er- und 70er-Jahren waren in den Fototaschen der Reporter fast ausschließlich Nikon-Ausrüstungen zu finden. Genau dieses Profi-Image nutzten Nikons Marketingabteilungen geschickt, um auch ihre Amateurkameras erfolgreich zu verkaufen. Die Nikkormat-Modelle, um den Wechselsucher abgespeckte F-Typen, zementierten ab 1965 den Nimbus der Robustheit auch im Amateurbereich.
Das Nachfolgemodell, die Nikon F2 (ab 1971), war in den 70er-Jahren das Nonplusultra des Kamerabaus. Kein Reportagefotograf aus dieser Zeit kam an dieser Kamera vorbei. Systemkamera pur: Neben verschiedenen Prismensuchern gab es einen Lichtschachtsucher, einen Vergrößerungssucher und einen Sportprismensucher. 19 unterschiedliche Einstellscheiben, verschiedene Motorantriebe standen zur Verfügung. Eine ansetzbare Blendenautomatik vervollständigte das Programm. Und diese Kameras wurden benutzt, gut erhaltene Exemplare sind nur schwer zu bekommen.
Sammel-Liebling ist heute die Variante F2 Eyelevel. Sie war nur mit einem reinen Prismensucher ohne Belichtungsmesser ausgestattet, Purismus in Reinkultur, Heavy Metal und surrende Mechanik. Wenig verkauft, ist sie heute entsprechend selten. Ein wahrer Bolide ist das Sondermodell F2H High-Speed: Mit speziellem Motor und besonderem Batterieteil schaffte die Kamera zehn Bilder in der Sekunde – sensationell für die damalige Zeit.
1977: Das AI-Objektiv-System sorgt für Bajonett-Kompatibilität
Im Jahre 1977 wurde der Objektivwechsel spürbar vereinfacht. Das AI-Objektiv-System machte Schluss mit dem hakeligen Einsetzen der Gabelkupplung in den Mitnehmer des Messsuchers. Eine generelle Modifikation des Anschlusses erfuhren zur Freude der Alt-Nikonianer die Linsen nicht.
Parallel zu den AI-Objektiven kreierte Nikon eine ganz neue Kameralinie, die den ambitionierten Amateurbereich zum Ziel hatte. Die kompakten, hübschen Spiegelreflexkameras Nikon FM (manuelle Belichtungssteuerung) und etwas später die Nikon FE (automatische Steuerung) waren begehrte Objekte der Semi-Profis. Das Konzept, solide Technik in handlichen Gehäusen zu verpacken, wurde vom Markt mit Enthusiasmus aufgenommen. Eine ganze Generation engagierter Foto-Jünger fand über diese Modelle ihren Weg zu Nikon.
Nach für heutige Dimensionen unvorstellbar langer Laufzeit löste nach fast zehn Jahren die Nikon F3 (1980) die Vorgängerin ab. Das Profi-Lager reagierte zurückhaltend. Elektronisch gesteuerte Zeitautomatik und der verstärkte Einsatz elektronischer Bauteile wurden nur zögerlich akzeptiert. Aber Nikons mythenhafte Solidität zeichnete auch die Nikon F3 aus und überzeugte die kritischen Voll-Profis.
Nikons legendäre Anzeige, „3x Vietnam, 1x Kambodscha, 2x Nordirland, 1x Libanon, 1x Äthiopien, 2x Sri Lanka, 1x Nicaragua, 1x China, 4x Rumänien – 1x in Reparatur“, eine Dokumentation der damaligen Krisenherde, untermauerte die Tauglichkeit der Nikon F3 als professionelle Bildmaschine.
Canon vs. Nikon: Das Rennen beginnt
Nikon war lange Zeit durch technologischen Vorsprung der Marktführer im professionellen Fotobereich. Doch die Wettbewerber, voran Canon, holten auf: Mit der Einführung der automatischen Schärfeneinstellung besaß Canon in Form der analogen EOS-1 zweifellos das modernere System. Canons Ultraschallmotoren für eindeutig schnelleres und leiseres Fokussieren machten es der Nikon F4 ab 1988 außerdem schwer, sich gegen die Canon Profi-Kamera zu behaupten.
Über die bessere Objektivtechnik hatte es Canon geschafft, die Vormachtstellung Nikons zu brechen. Tröstlich für die Nikon-Fans war die nach wie vor große Kompatibilität des Nikon-Bajonetts. Aber Nikon holte auf, mit der Bildstabilisierungstechnik Vibration Reduction (VR) und einer wesentlich schnelleren Technik für die Fokussiergeschwindigkeit (Nikon AF-S mit Silent-Wave-Motor) zog man mit dem Dauer-Rivalen gleich.
Im analogen Endzeitalter präsentierte Nikon 1996 mit der Nikon F5 das technisch Machbare. Ein farbempfindliches Matrix-Messsystem und ein unglaublich schneller, eingebauter Motor unterstreichen, welche Firma im professionellen Kleinbild-Spiegelreflex-Bereich wieder Maßstäbe setzt. Das Kuriosum Nikon F6 (2004) ist bis heute die wohl fortschrittlichste analoge Spiegelreflexkamera. In der Phase des digitalen Übergangs entstanden, ist sie bis heute lieferbar und mit 2000 Euro eigentlich ein klassisches Schnäppchen.
Das digitale Zeitalter beginnt: erste Kooperationen entstehen
Die späten 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts waren für Fotofirmen äußerst schwierige Jahre. Mit dem erfolglosen analogen APS-Filmsystem wurden Milliarden verbrannt und es herrschte große Unsicherheit, wie schnell sich die digitale Fotografie durchsetzen würde.
Ausgerechnet der Film-Gigant Kodak erkannte als Erster das Potenzial gerade für die professionelle Fotografie und produzierte in Kooperation mit Nikon die ersten, stärker verbreiteten Profi-Digitalen. Basierend auf der Nikon F5, verkaufte Kodak um die Jahrtausend-Wende die DCS-Baureihe mit gut einer Millionen Pixeln für den Gegenwert eines Kleinwagens an die professionelle Kundschaft.
In dieser Phase der Unsicherheit agierte auch Nikon sehr zurückhaltend und suchte in einer weiteren Kooperation mit Fujifilm den Übergang ins digitale Zeitalter zu bewältigen. Nikons erste in vollständiger Eigenregie produzierte digitale Spiegelreflexkamera, 40 Jahre nach Erscheinen der ersten Nikon F, war dann 1999 die Nikon D1 mit 2,66 Megapixel und dem DX-Sensor-Format 16 x 24 mm. Die Nachfolgerin D2 steigerte sich dann bereits auf 12,4 Megapixel. Die digitale Entwicklung hatte in kürzester Zeit alles überrollt.
Die 2000er bis heute
Rasante Technologiesprünge strapazierten Nikons Innovationskraft auf das Äußerste. Während Canon sich 2002 schon frühzeitig für das digitale Vollformat (24 x 36 mm) entschieden hatte und damit den Profi-Bereich dominierte, zog Nikon mit der Nikon D3 (2007) nach und ist heute über die Nikon D4 zur Nikon D5 ein technologisch absolut gleichwertiger Konkurrent zum Profi-Rivalen Canon.
Im Gegensatz zu diesem breit aufgestellten japanischen Industrie-Giganten ist Nikon eben der Spezialist in Sachen Foto. Mit einem breiten Modellangebot bietet Nikon gerade im DSLR-Bereich für sämtliche Käuferschichten überzeugende, adäquate Lösungen. Heute, am 25. Juli 2017 feiert Nikon offiziell seinen 100. Geburtstag. Ob im Jubiläumsjahr weitere Meilensteine erscheinen werden? Wir dürfen gespannt sein.
Buchtipp: Nikon 100 Anniversary
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Dieser Artikel erschien im Rahmen eines 20seitigen Nikon-Specials in fotoMAGAZIN 3/2017.
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