Das seltsame Wort Bokeh bedeutet im Japanischen Dunst oder auch Demenz; im Zusammenhang mit der Fotografie steht es aber für den jedem Objektiv eigentümlichen Charakter, Gegenstände außerhalb der Schärfenzone abzubilden.
Unschärfe ist keineswegs gleich Unschärfe; vielmehr können Objektive auf unterschiedliche Weise unscharf abbilden, obwohl sich ihre Eigenschaften in der Schärfenzone ähneln.
Wie entsteht eine unscharfe Abbildung?
Von den von einem Punkt des Motivs ausgehenden Lichtstrahlen treffen einige auf die Frontlinse des Objektivs, und von diesen passieren wiederum einige die Blendenöffnung. Das Strahlenbündel, das die Blende verlässt, wird hinter dem Objektiv zu einem Punkt fokussiert.
Wenn man auf das Motiv scharfgestellt hat, liegt dieser Punkt auf der Sensoroberfläche und es entsteht ein scharfes Bild. Die Strahlen von einem Motiv vor oder hinter der eingestellten Entfernung vereinigen sich dagegen hinter, beziehungsweise vor, der Sensorebene; auf dem Sensor verteilt sich das Licht zu einem blassen Scheibchen, dessen Form der Blendenöffnung entspricht.
Da jeder Punkt des Motivs einen solchen Unschärfekreis erzeugt, entsteht durch die Überlagerung der Scheibchen ein unscharfes Bild. Nur unter besonderen Umständen kann man einzelne Unschärfekreise deutlich erkennen dann nämlich, wenn ein sehr heller Punkt ein so helles Scheibchen erzeugt, dass es sich vor einem dunkleren Hintergrund abhebt.
Bokeh: Eine Formfrage
Sichtbare Unschärfekreise sind zwar die Ausnahme, aber an ihrer Gestalt kann man den Charakter des Bokeh ablesen, der sich im Bild auch dort wiederfindet, wo sich die Scheibchen zu einem diffusen Bild überlagern. Obwohl man von einem Unschärfekreis spricht, ist ein solches Scheibchen nicht unbedingt kreisförmig; es hat die Form der Blende und ist daher oft ein Vieleck. Eckige Blendenlamellen erzeugen aber noch kein unangenehmes Bokeh.
Anders sieht das bei den in den 80er-Jahren populären Spiegellinsenobjektiven aus, deren Sekundärspiegel auf der Frontlinse nur eine ringförmige Öffnung lässt. Bei länglichen Motiven im unscharfen Hintergrund erzeugen die Lichtstrahlen, die auf der einen oder der anderen Seite durch den Ring dringen, zwei gegeneinander verschobene Bilder, und diese Doppelkonturen stören auch dann, wenn keine der irritierenden Unschärferinge im Bild sichtbar werden.
Während aber Spiegellinsenobjektive auch aus diesem Grund heute kaum noch Verwendung finden, kann auch die Vignettierung mancher Objektive die Ursache eines störenden, vom Bildinhalt ablenkenden Bokehs sein. Wenn die Blendenöffnung vom Rande des Sensors aus gesehen teilweise vom Objektivtubus verdeckt wird, nimmt die Austrittspupille im Randbereich eine Linsenform an.
Das Licht eines Punktes wird dann nicht mehr kreisförmig aufgefächert, sondern in einer Richtung in die Länge gezogen, und zwar immer entlang eines Kreises um die optische Achse es hat den Anschein, als sei das Zentrum von einem unscharfen Strudel umgeben. Der Wirbel des swirling bokeh beruhigt sich erst, wenn man zur Verringerung der Vignettierung weiter abblendet.
Hartes oder weiches Bokeh
Neben der Blendenform sind es die Abbildungseigenschaften des Objektivs, die das Bokeh bestimmen. Dies gilt insbesondere für die sphärische Aberration, also die unterschiedliche Brechung von Lichtstrahlen, je nachdem, in welcher Entfernung von der optischen Achse sie auf eine Linse treffen.
Ein perfekt korrigiertes Objektiv würde scharf begrenzte Unschärfekreise mit gleichförmiger Helligkeit erzeugen. Eine nicht vollständig korrigierte sphärische Aberration erzeugt im Hintergrund diffuse Unschärfekreise und ist für das weiche, duftige Bokeh solcher Objektive verantwortlich - freilich auf Kosten einer maximalen Schärfe in der Schärfenzone.
Moderne Objektivrechnungen streben nach einer knackigen Schärfe, für die eine leichte Überkorrektur der sphärischen Aberration sorgt. In den Unschärfekreisen im Hintergrund konzentriert sich das Licht dann nicht in der Mitte, sondern bildet einen hellen Rand; das Resultat wird als harsches Bokeh beschrieben. In extremeren Fällen können sich, ähnlich wie bei einer ringförmigen Blende, auch Doppelkonturen zeigen.
Wohlgemerkt gelten diese Aussagen nur für die Unschärfe im Hintergrund; vor der Schärfenebene kehren sich die Verhältnisse um, sodass ein unterkorrigiertes Objektiv ein harsches, ein überkorrigiertes Objektiv hingegen ein duftiges Bokeh produziert.
Da die Unschärfe im Hintergrund aber meist überwiegt, spielt dies eine geringere Rolle.
Die sphärische Aberration hängt auch von der Wellenlänge des Lichts ab und ihre Korrektur ist nicht immer für alle Wellenlängen gleich stark. Dies ist die Ursache des Sphärochromatismus, der sich in farbigen Rändern der Unschärfekreise zeigt und damit ein weiterer Fall eines störenden Bokehs ist. Im Vorder- und Hintergrund ist die Farbe eine andere; oft wechselt sie zwischen Violett und Grün. Wie die sphärische Aberration generell, wird auch der Sphärochromatismus reduziert, wenn man abblendet.
Schön unscharf
Wenn es um die Bewertung von Objektiven geht, stehen meist deren Abbildungseigenschaften in der Zone maximaler Schärfe im Vordergrund, wie man sie etwa an MTF-Kurven ablesen kann. In der fotografischen Praxis spielt jedoch das Bokeh, also der Abbildungscharakter außerhalb der Schärfenzone, oft eine fast ebenso große Rolle.
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