Fotografieren mit dem Weitwinkel: 7 hilfreiche Tipps
Das Fotografieren mit dem Weitwinkel sorgt für viel Motiv im Bild – erfordert aber eine sorgfältige Bildgestaltung. Lesen Sie hier, wie Sie mehr aus Ihren Weitwinkelbildern herausholen.
Als Weitwinkel werden traditionell alle Objektive bezeichnet, die einen größeren Bildwinkel als den Sehwinkel unserer Augen abdecken. Übertragen auf das Kleinbild bedeutet das grob: Objektive mit 35 mm und kürzer sind Weitwinkelobjektive. Der offensichtliche Vorteil beim Fotografieren mit dem Weitwinkel: Bei gleichem Abstand zum Motiv ist deutlich „mehr drauf“.
Weitwinkelobjektive kommen daher bei der Fotografie in Innenräumen zum Einsatz (weil man ja nicht beliebig weit nach hinten ausweichen kann) sowie bei der Landschafts- und Architekturfotografie – also immer dann, wenn viel auf das Bild soll.
1. Vermeiden Sie perspektivische Verzerrungen
Aber ganz so einfach ist das nicht: Beim Einsatz von Weitwinkel-Optiken kommt es zu perspektivischen Verzerrungen. Die haben zwar rein optisch gesehen nichts mit der Brennweite zu tun – allerdings verändert der Fotograf in der Regel aufgrund des geringen Abbildungsmaßstabs die Abstandsverhältnisse: Er geht näher an sein Hauptmotiv heran und verschiebt so den Fluchtpunkt nach vorne. Das Resultat: Fluchtlinien werden steiler, Objekte im Vordergrund erscheinen deutlich größer als bei längeren Brennweiten (auf dem Bild von Ortaköy in Istanbul das Boot und der Steg), die im Hintergrund werden kleiner: Die sehr hohe Bosporus-Brücke wirkt kleiner als die Ortaköy-Moschee.
2. Der Einsatz selektiver Schärfe ist leider kaum möglich
Dazu kommt ein weiterer Effekt, der nicht direkt mit der Brennweite, aber mit dem geringen Abbildungsmaßstab zu tun hat: Bei der Weitwinkelfotografie ist die Schärfentiefe deutlich erhöht. Selbst bei Offenblende ist es bei Brennweiten unter 28 mm nur selten möglich, mit selektiver Schärfe zu arbeiten. Zusammen mit der perspektivischen Verzerrung erzeugen Weitwinkel-Aufnahmen daher oft einen Eindruck von großer Tiefe im Bild.
3. Unterscheiden Sie beim Fotografieren mit Weitwinkel die Verzerrung bzw. die Verzeichnung voneinander
Nicht verwechseln sollte man übrigens die Verzerrung mit der Verzeichnung: Erstere ist ein optischer Effekt, letztere eine technische Eigenschaft des Objektivs.
Bei einer Verzeichnung werden die Linien, die nicht genau durch die Bildmitte laufen, gebogen. Das lässt sich bei Fisheye-Optiken nicht vermeiden, bei reinen Weitwinkel-Objektiven schon. Gute Weitwinkel-Objektive (vor allem die Festbrennweiten) sind optisch fast vollständig korrigiert. Den letzten Rest an Verzeichnung beseitigen Objektivprofile zum Beispiel in Lightroom oder DxO Optics Pro, hartnäckige Fälle (notfalls auch die Verzeichnung vom Fisheye) bekommen Sie mit Tools wie der „Adaptiven Weitwinkelkorrektur“ von Photoshop in den Griff. Aber gerade beim Fisheye ist die Verzeichnung oft ein Teil der Bildgestaltung und soll gar nicht korrigiert werden.
4. Fotografieren mit Weitwinkel: Halten Sie stürzende Linien möglichst klein
Die perspektivische Verzerrung sorgt auch dafür, dass bei geneigter Sensorebene die senkrecht stehenden Linien aufeinander zuzulaufen scheinen. Dieser Effekt der stürzenden Linien ist beim Weitwinkel-Einsatz stärker als bei anderen Optiken. Das ist ein weiterer Grund dafür, die Kamera beim Fotografieren mit Weitwinkel möglichst gerade zu halten. Ein Weitwinkel-Objektiv verzeiht eine unperfekte Ausrichtung nicht.
5. Achten Sie auf die Belichtung im gesamten Bild und bessern Sie notfalls direkt nach
Das „viel drauf“ beim Fotografieren mit Weitwinkel sorgt bei Außenaufnahmen dafür, dass auch fast immer viel Himmel auf dem Bild ist. Bei Fisheyes mit 180-Grad-Abdeckung stehen die Chancen 50 zu 50, dass Sie zusätzlich direkt in die Sonne fotografieren. Die übliche Mehrfeld-Messung kommt damit selten klar. Fast immer wird der Vordergrund bei Landschaftsaufnahmen zu knapp belichtet. Hier können Sie sich mit einer selektiven Belichtungsmessung oder gleich einer Belichtungskorrektur behelfen.
6. Fotografieren mit Weitwinkel: Greifen Sie bei Filtern besser zur Slim-Variante
Im Prinzip helfen auch Verlaufsfilter bei der Landschaftsfotografie. Allerdings müssen Sie vor dem Kauf des Objektivs wissen, welches Filtersystem zum Einsatz kommen soll. Schraubfilter sind bei starken Weitwinkel-Zooms (und bei Fisheye-Objektiven) aufgrund gewölbter Linsen und daher fehlender Gewinde nicht verwendbar. Für einige Steckfiltersysteme gibt es Halterungen auch für solche Objektive. Der Vignettierungs-Effekt der Filter wird im Weitwinkel-Einsatz noch verstärkt. Es gibt extra Slim-Filter fürs Fotografieren mit Weitwinkel.
7. Die Qual der Wahl: Welches Weitwinkelobjektiv soll es sein?
Bei der Wahl des Objektivs sollten Sie den zukünftigen Einsatzzweck bedenken: Für „normale“ Landschafts- und Architekturfotografie ist die Lichtstärke kein Thema. Da Sie sowieso nicht mit knapper Schärfentiefe spielen können, benötigen Sie die offene Blende nicht. Anders sieht es aus, wenn Nachtfotos entstehen sollen: Soll der Sternenhimmel mit auf das Bild, so ist eine Blende ab 2,8 fast Pflicht. Andernfalls werden die Belichtungszeiten zu lang und die Sterne aufgrund der Erddrehung nicht mehr scharf. Auch für die Reportage oder die Street Photography sind lichtstarke, gemäßigte Weitwinkelobjektive (28 bis 35 mm) ideal.