Regeln sind Gefängnismauern für den kreativen Geist. So wichtig es ist, dass man mit Prinzipien des Bildaufbaus und anderen Regeln der Fotografie vertraut ist, so wichtig ist es auch, ihre Grenzen zu kennen.
Lernen Sie die Prinzipien kennen, experimentieren Sie mit ihnen und beginnen Sie danach darüber hinauszugehen und die Regeln zu brechen.
Was ist der Goldene Schnitt?
Der Goldene Schnitt ist eine kompositorische Regel, die bereits in der Antike angewendet wurde. Er beschreibt Proportionen, die wir als besonders ansprechend empfinden. Das Interessante daran: der Goldene Schnitt kommt sogar in der Natur und im menschlichen Körper vor. In der Kunst, der Architektur und auch in der Typografie wurde er (und wird er auch immer noch) mit großer Wirkung eingesetzt.
Die Mathematik dahinter
Die Mathematik hinter dem Goldenen Schnitt ist simpel! Eine Linie wird in zwei Teile a und b geteilt, sodass das Verhältnis zwischen dem größeren Teil (a) und dem kleineren Teil (b) gleich dem Verhältnis zwischen der Gesamtlänge (a + b) und dem größeren Teil ist.
Daraus ergibt sich die Formel: a / b = (a + b) / a.
Das Ergebnis dieser Formel ist eine Zahl, die in der Mathematik oft als „Goldene Zahl“ oder phi bezeichnet wird. Phi ist ungefähr gleich 1,618. Der Goldene Schnitt wurde das erste Mal von Euklid, ca. 360–280 v. Chr., beschrieben.
Die Fibonacci-Folge
Im Jahr 1202 beschreibt der Mathematiker Leonardo Fibonacci eine Reihe von Zahlen, die die größte Annäherung an phi ergeben. Die Fibonacci-Folge kann in der Natur beobachtet werden, wie zum Beispiel bei der Anordnung der Blätter bei Pflanzen. Sie beginnt mit der Zahl 1, und jede Zahl ist die Summe der beiden vorangehenden Zahlen. Die ersten Zahlen der Fibonacci-Folge wären also 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13 und so weiter.
Diese Zahlenreihe steht in direktem Zusammenhang mit dem Goldenen Schnitt. Je größer die Zahl in der Folge ist, desto näher liegt ihr Verhältnis zur nächsten Zahl an der goldenen Zahl phi.
Der Goldene Schnitt in der Fotografie
In der Fotografie wird der Goldene Schnitt gerne als hilfreiches Werkzeug eingesetzt, um harmonische und ansprechende Kompositionen zu schaffen. Ein Bild ist gemäß dem Goldenen Schnitt in neun Rechtecke entlang je zwei horizontaler und vertikaler Linien unterteilt. Dies ist allgemein als Phi-Raster bekannt und unterscheidet sich von dem herkömmlichen Drittel-Raster.
Das Foto kann entlang der Linien und an den Schnittpunkten komponiert werden und wirkt auf den Betrachter dann besonders harmonisch und durchdacht. Der Horizont befindet sich beispielsweise entlang einer der vertikalen Linien, während eine Person im Vordergrund entlang einer der vertikalen Linien positioniert ist.
Regeln sind da, um gebrochen zu werden
Sie können Ihr Bild auch abseits des Phi-Rasters komponieren und bewusst mit der Regel brechen. So können Sie den Blick des Betrachters lenken und zusätzlich Spannung aufbauen.
Probieren Sie es aus und komponieren Sie Bilder mit dem Phi-Raster. Wenn Sie den Dreh raus haben, brechen Sie bewusst mit der Regel und beobachten Sie, wie dieser bewusste Bruch die Bildaussage verändern und den Blick lenken kann.
Fotojournalismus- und Dokumentarfotografie-Student Julius Schien hat die Redaktion fotoMAGAZIN 2021/2022 unterstützt.
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