Moderne Architektur in den Alpen

Mit seinen Aufnahmen der schönsten modernen Architektur in den Alpen hat sich Albrecht Voß einen kleinen Traum erfüllt. Hier verrät der Hasselblad Master-Gewinner seine Vorgehensweise und welche Hilfsmittel er verwendet.

Porträt Lars Theiß

Lars Theiß

Praxis-Redakteur, seit 1995 im fotoMAGAZIN-Team.

Passmuseum im Nebel

Albrecht Voß wurde 2021 bei den Hasselblad Masters als Gewinner der Kategorie „Architektur“ gekürt. Hier berichtet er, wie seine außergewöhnlichen Bilder entstehen.

Foto: © Albrecht Voß

Kalt war es fast immer. Meistens windig dabei. Und gelegentlich war auch überhaupt nichts zu sehen, wenn die tiefliegenden Wolken die Sicht versperrten. Alles Umstände, die Albrecht Voß nicht daran hinderten, im Wortsinne herausragende Architektur-Fotografie in den Alpen anzufertigen – teilweise bis spät in die Nacht und frühmorgens, bevor die Frühaufsteher unter den Wandervögeln das Hüttenlicht anknipsen.  

Schiefer Würfel Timmelsjochstraße

Dieses Foto von der Arche Nebra war das Titelbild vom fotoMAGAZIN 3/2022.

Foto: © Albrecht Voß

Zu Albrecht Voß passt der alte Spruch: Ohne Fleiß kein Preis. Was für den Betrachter vielleicht leichtfüßig daherkommt, ist bei manchen Bildern mit schweren Berg­stiefeln und 20-Kilo-Rucksäcken erst mühsam erwandert worden. „In dieser Serie habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die schönste moderne Architektur in den Alpen zu dokumentieren“, sagt der Leipziger. „Dazu habe ich 2020 eine erste Reise unternommen und 14 Gebäude mit Schwerpunkt auf Tirol fotografiert.“

Lohn der Mühen für die freie Fotoserie „Modern Alpine Architecture“ sind Auszeichnungen beim Hasselblad Masters 2021 und Cewe Fotowettbewerb „Berge“, eine Anerkennung beim Europäischen Architekturfotografiepreis 2021 und Nominierungen für die LOBA Awards und die Fine Art Photography Awards 2021.

Gestalt(en) in der Nacht

 
Passmuseum im Nebel

Kamera: Canon EOS R. Objektiv: Canon TS-E 3,5/24 mm L II. Einstellungen: 24 mm, f/7,1, 25 s, ISO 200.

Foto: © Albrecht Voß

Ein schiefer Würfel am Rande der Timmelsjochstraße, einem hochalpinen Pass. Davor eine seltsam leuchtende Person – der Schmuggler. Der begehbare Kubus besitzt eine Ausspa­rung in Form eines Menschen­umrisses in der Wand, die Albrecht Voß von innen be­leuch­tete. Hinzu kommen ein paar Lichtakzente außen, um den Würfel plastischer zu machen, und ein nicht zu lange belich­teter Nachthimmel, damit die Sterne keine Wischspuren erzeugen. Eine passende Inszenierung für den früher üblichen, nächtlichen Grenzschmuggel.

 

Wind und Wetter

Das Wetter, das Licht und auch die Jahreszeit spielen bei Architekturfotos entscheidende Rollen. Das bedeutet allerdings nicht, dass es immer eitel Sonnenschein sein muss. Hier hat Albrecht Voß das Passmuseum im Nebel erwischt.

Drohnenflug über Timmelsjoch

Kamera: Canon EOS R. Objektiv: Canon RF 4/24-105 mm L IS USM. Einstellungen: 25 mm, f/8, 1/320 s, ISO 100.

Foto: © Albrecht Voß

Der Nebel kann Objekte im Vordergrund hervorheben, da der Hintergrund verschwimmt oder – wie hier – gleich völlig unsichtbar wird. Das durch das gegenüberliegende Fenster einfallende Gegenlicht mit den Personensilhouetten bringt Tiefe ins Bild, während die Person im Eingang einen Eindruck der Dimensionen verschafft. Die nachträgliche Farbgestaltung und der flatternde Poncho sorgen dafür, dass sich der Betrachter auch in einem Sandsturm wähnen könnte. 

Luftbilder

 
Messner Mountain Museum Corones

Kamera: DJI Mavic 2 Pro. Objektiv: 10,26 mm (entsprechend 28 mm Kleinbild). Einstellungen: f/6,3, 1/800 s, ISO 100.

Foto: © Albrecht Voß

„Die Wolken wirkten durch das rötliche Sonnenlicht wie Lava, die über den Gebirgskamm fließt.“

Albrecht Voß, Hasselblad-Master-Gewinner

Wolken vor dem Motiv müssen nicht zwangsläufig stören. Als diese Schwaden am frühen Mittag über das Timmelsjoch gedrückt wurden, ließ Albrecht Voß seine DJI Mavic 2 Pro aufsteigen. Im Hochgebirge ist der Wind oft zu stark, um sicher zu fliegen, meint Voß. „Aber hier war es ein tolles Erlebnis, über der niedrigen Wolkendecke zu fliegen. Die Wolken wirkten durch das rötliche Sonnenlicht wie Lava, die über den Gebirgskamm fließt.“ Das wird für den Betrachter nur deutlich, wenn der Aufnahmestandpunkt über den Wolken liegt und der Blick darüber die freie Sicht auf die umliegenden Gipfel ermöglicht. Das schräg von vorne und oben einfallende Licht modelliert das seltsam balancierende Passmuseum sehr gut heraus, die Personen im Foto gestatten eine Einordnung der Dimensionen.

Malen mit Licht

Im Messner Mountain Museum Corones

Kamera: Canon EOS R. Objektiv: Canon TS-E 3,5/24 mm L II. Einstellungen: 24 mm, f/8, 20 s, ISO 1250.

Foto: © Albrecht Voß

Irgendetwas Außerirdisches oder doch nur Lichtmalerei? Die schweren, wuchtigen und kantigen Elemente des Messner Mountain Museum Corones in Südtirol kontrastiert Albrecht Voß mit einem filigranen und exakt runden Lichtkreis im sternenübersäten Himmel. Das Licht stammt von einer LED-Leuchte, die an einer Drohne befestigt ist. Neben diesem Lichtkreis sorgt sie dafür, dass die Betonkolosse wie vom kühlen Licht der Sternen-Galaxie beleuchtet zu sein scheinen und sich mit hellen Oberkanten gut vom Nachthimmel abheben. Ebenfalls wichtig: die dezente Innenbeleuchtung.

Shiften

Porträt Albrecht Voß

Kamera: Canon EOS R. Objektiv: Canon TS-E 3,5/24 mm L II. Einstellungen: f/8, 0,4 s, ISO 640.

Foto: © Albrecht Voß

Beim Begriff Shift-Aufnahme kommen einem vermutlich zuerst Außenaufnahmen von Gebäuden in den Sinn. Albrecht Voß nutzt das Canon TS-E 3,5/24 mm L II jedoch auch für Innenaufnahmen. Der Effekt, stürzende Linien zu vermeiden oder über nahe Hindernisse hinwegzufotografieren, weil der Horizont – meistens – nach unten verschoben (geshiftet) werden kann, bringt eine Sachlichkeit ins Spiel. Nicht die dynamischen Linien durch eine geneigte Kamera des Fotografen bringen die Architektur zur Geltung, sondern die Innengestaltung kann durch sich selbst wirken. Hier im Messner Mountain Museum Corones wirkt es, als stünde Voß auf einer Leiter.

Unwirklich und manchmal wie am Computer erzeugt wirken die modernen Gebäude, wenn Voß sie abgelichtet hat. Das liegt zum einen am Stil der Architekten und der exponierten Lage im Gelände, die – bei Betrachtung einzelner Bilder – aufgrund der harschen Umgebung nicht unbedingt auf unserer Erde sein müsste. Zum anderen liegt es an der Farbkorrektur in der Bildbearbeitung.

Das bewusste Reduzieren bestimmter Farben und das Hervorheben anderer Farben schafft eine Reihe von Bildern mit unterschiedlichen Stimmungen, die dennoch als Serie zusammenhängend funktionieren. Dabei hat Voß unterschiedliche Ansätze für innen und außen: Im Interieur wird die Tonalität betont. Die grauen Steinwände werden nur durch die warm leuchtenden Lichtstreifen unterbrochen und fokussieren so den Blick des Museumsgastes auf die Exponat. Dagegen lässt er seine Außenansichten in kräftigen Blau- und Orangetönen erstrahlen.

„Am Ende geht es ja darum, die Architektur in ihrer Umgebung zu zeigen.“

Albrecht Voß, Architektur- und Werbefotograf

Wichtige Hilfsmittel bei Voß Architekturfotos

Die Nachbearbeitung seiner Fotos ist allerdings nur ein Teilaspekt. Wichtiger ist dem Werbefotografen, schon die Aufnahme originell und möglichst perfekt inszeniert zu gestalten. Dazu setzt er unter anderem Tilt/Shift-Objektive, mitgebrachtes künstliches Licht und eine Drohne ein. Mithilfe des Objektivadapters EF EOS R verwendet Voß die Spiegelreflex-Tilt&Shift-Linsen TS-E 3,5/24 mm L II (übrigens nicht mehr im Canon-Sortiment) und 2,8/50 mm L Macro an seiner spiegellosen R-Kamera.

Auf die Tilt-Funktion verzichtet er allerdings, obwohl er damit interessante Effekte bei der Schärfentiefe erzielen könnte. „Bei meinen Kunden aus der Architektur kommt das Spiel mit der Schärfe meist nicht so gut an“, erläutert Voß. „Bei der freien Alpenserie hatte ich bei einem Motiv damit gespielt, aber nicht wirklich die Inspiration gefunden. Am Ende ging es mir ja darum, die Architektur in ihrer Umgebung zu zeigen und nicht in einem Meer aus Bokeh.“

Beim Shiften hingegen könne er seine Komposition frei gestalten und trotzdem gerade Linien erhalten, bei freier Wahl, wo der Horizont liegt. „Übrigens shifte ich eigentlich immer nur nach oben oder zu den Seiten. Der Shift nach unten sieht meistens sehr unnatürlich für mich aus.“ Gelegentlich, wenn auch hier nicht abgebildet, fertigt er mittels Shift nach links und nach rechts Aufnahmen vom gleichen Standpunkt aus an, aus denen er anschließend Multirow-Panoramen erstellt.

Als zweites wichtiges Hilfsmittel dienen dem Leipziger kleine LED-Leuchten. Bei den Nachtaufnahmen hat er die Gebäude mit den LED-Würfeln Lume Cube 2.0 beleuchtet. Die lagen entweder auf dem Boden oder sein Assistent hat sie festgehalten. Vor allem die Steuerung über die Smartphone-App via Bluetooth gefällt ihm, „das hat viel hin- und herrennen erspart“. Außerdem verfügen die Lume Cube 2.0 über einen Modus „Geringe Leistung“, der bei vollkommener Dunkelheit meist schon ausgereicht hat, um die Gebäude zu beleuchten.

„Sei im Hier und Jetzt. Fühle Wertschätzung für diese Umgebung.“

Albrecht Voß, Architektur- und Werbefotograf

Ein elementarer Bestandteil der Produktion war die DJI Mavic 2 Pro. Die Drohne bietet eine neue und viel freiere Perspektive als bodengestützte Aufnahmen, denn viele Bauten stehen am Hang und können nur von unten, seitlich oder oben fotografiert werden. Da muss man auf den Wind achten, „im Hochgebirge ist er oft zu stark, um sicher zu fliegen“.

Gelegentlich kombiniert Voß für seine Nachtaufnahmen Drohne und Kunstlicht. „Damit konnte ich Gebäude von oben beleuchten, als ob der Mond oder ein Raumschiff das Haus anstrahlt.“ Die Drohne kreist dabei meistens über dem Motiv oder beleuchtet eine bestimmte Seite des Hauses. In der Regel benötigt es zehn bis fünfzehn Anläufe, um die richtige Lichtintensität, Geschwindigkeit und Richtung hinzubekommen.

Bei den Aufnahmen im Messner Mountain Museum Corones stieß Voß auf ein Motiv, das er dort erkundet hat: einen leeren Stuhl. „Der Stuhl ist eine Einladung an die Besucher, Platz zu nehmen“, beschreibt Voß. Er scheine zu sagen: „Sei im Hier und Jetzt. Fühle Wertschätzung für diese Umgebung.“ Ihm war es wichtig, dieses Element für die Stimmung des Moments einzubeziehen. Den letzten Schliff für seine Fotokunst lässt er sich bei Whitewall verleihen, wo er alle großen Formate drucken lässt.

Albrecht Voß arbeitet seit 2012 als Werbefotograf und Filmproduzent mit dem Schwerpunkt auf Architektur. Er wurde bei renommierten Fotowettbewerben nominiert und ausgezeichnet, weiterhin ist Voß Stadtbildfotograf 2021 in Dresden. 
> www.albrechtvoss.com

 

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