Fokus Fotorecht: Der alte Bismarck und die Fotografen

Reihe zum Recht am eigenen Bild, Teil 1: Warum Bismarcks Tod sich heute noch auf den Alltag von Fotografen auswirkt. Unsere Kolumne rund um das Thema Fotografie & Recht.

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Fokus Fotorecht - Recht am eigenen Bild

Das „Recht am eigenen Bild“ ist für den Fotografen allgegenwärtig und trotzdem nicht immer verständlich. Seit über einhundert Jahren schützt es den Abgebildeten vor allzu tiefen Eingriffen in seine Privatsphäre, gibt dem Fotografen aber auch Sicherheit, wann er Bilder unbedenklich benutzen kann. Aber woher kommt es eigentlich, das Recht am eigenen Bild?

Deutschlands erster Pressefoto-Skandal : 1898

Wir schreiben das Jahr 1898. In diesem Sommer trägt Deutschland Trauer – Reichskanzler Otto von Bismarck stirbt am Abend des 30. Juli 83jährig in seinem Haus bei Hamburg. In der darauffolgenden Nacht geschieht Ungeheuerliches: Die Hamburger Fotografen Willy Wilcke und Max Christian Priester verschaffen sich unbefugt Zugang zum Hause Bismarcks, klettern in das Sterbezimmer und fotografieren den auf dem Totenbett aufgebahrten Staatsmann.

Das erste Paparazzi-Foto: Otto von Bismarck

Das erste bekannte Paparazzi-Foto vom 31. Juli 1898: Otto von Bismarck auf dem Totenbett.

Foto: © Willy Wilcke und Max Priester/Courtesy: Bildarchiv Denkmalschutz Hamburg

Das Foto verkauften sie - beinahe - für die fürstliche Summe von 30.000 Mark. Denn selbstverständlich bleibt dieser Coup nicht unentdeckt, vielmehr entpuppte er sich als der erste Paparazzi-Skandal der deutschen Geschichte. In den folgenden Jahren befassten sich die Gerichte mit den Fotografen, die schlussendlich nur wegen Hausfriedensbruchs belangt werden konnten.

Entsetzt über diese Gesetzeslücke löste die einflussreiche Familie Bismarck eine Debatte um den Umgang mit Abbildung von Personen aus – so erzählt man sich. Ergebnis dieser Debatte war der Erlass des Kunsturhebergesetz (KUG) im Jahr 1907. Damit ist das KUG eines der ältesten, heute noch gültigen Gesetze der deutschen Rechtsgeschichte.

Damals wie heute sieht der § 22 des KUG vor, dass „Bildnisse“ grundsätzlich nur mit der Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden dürfen.

Dreh- und Angelpunkt: Erkennbarkeit

Was meint denn aber nun „Bildnisse“? Auch wenn es heute die Hauptanwendungsfälle sind, meint dies nicht nur Fotos und Videos von Personen. Ein „Bildnis“ ist jede bildliche Darstellung der äußeren Erscheinung eines Menschen. Das können Zeichnungen, Comics, Karikaturen oder sogar Puppen, z.B. Actionfiguren, sein. Maßgeblich ist nur, dass die abgebildete Person erkennbar ist.

Fokus Fotorecht - Marie Slowioczek

Marie Slowioczek ist Anwältin und hat schwerpunktmäßig mit Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes wie Marken- und Urheberrecht zu tun. Aber auch privat bleiben ihr als ambitionierter Hobbyfotografin und Moderatorin eines Onlinefotoforums die alltäglichen und speziellen Probleme des Rechts in und an der Fotografie nicht verborgen.

Foto: © Härting Rechtsanwälte

Und schon haben wir die nächste Frage, nämlich die nach der Erkennbarkeit einer Person. Das ist einfach, wenn das Gesicht einer Person zu sehen ist, aber Cindy aus Marzahn z.B. erkennt man doch auch von hinten, nicht wahr?

Oder ein anderes Beispiel: Wen würden Sie hinter der Abbildung von vor dem Bauch zur Raute geformten Händen vermuten? All dies und noch viel mehr kann schon zur Erkennbarkeit einer Person beitragen.

Aber nicht nur die Frage der Erkennbarkeit ist ein weites Feld. Denn selbst für den bestinformierten Fotografen birgt das Recht am eigenen Bild manchmal noch Überraschungen: Wie willigt der Abgebildete richtig ein? Geht es vielleicht sogar mal ohne Einwilligung? Darf ich ein Bild bei Facebook hochladen, wenn mir jemand freundlich in die Kamera lächelt? Oder was ist mit den Fotos von Kollegen auf der Betriebsfeier? Alles gute Fragen, denen wir in den nächsten Wochen in unserer Kolumne auf den Grund gehen werden.

Und noch ein kurzes Wort zur Bismarck-Geschichte: Darüber, ob diese Anekdote wirklich der Auslöser für den Erlass des KUG war oder nicht, oder ob die Debatte um die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten nicht sogar noch viel älter ist, streiten sich die Juristen. Sie wird aber gern erzählt, weil sie deutlich macht, was der § 22 KUG schützen soll: Das Recht des Abgebildeten zu bestimmen, ob und wie seine Bilder an die Öffentlichkeit gelangen sollen.

Er gibt dem Einzelnen auch die Kontrolle darüber, wie sein Abbild in den Medien verbreitet wird. Das ist heute wahrscheinlich wichtiger denn je.

Härting Rechtsawälte Marie Slowioczek und Robert Golz

Fotografen haben Rechte und manchmal auch Pflichten. Die Anwälte Marie Slowioczek und Robert Golz aus der Kanzlei Härting Rechtsanwälte erklären in ihrer Kolumne Fokus Fotorecht neue Gesetzesentwürfe, stellen populäre Irrtümer richtig und bringen Licht ins Dunkel bei Fragen rund um die Fotografie.

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