Autofokus: Fehlfokussierung bestimmen und beheben

Frontfokus – Backfokus. Häufig liegt der AF bei Spiegelreflexkameras vor oder hinter dem Ziel. Das Einstellen ist nicht schwierig, macht aber Arbeit. Wir erklären, wie Sie den Autofokus Ihrer DSLR perfekt justieren.

Markus Linden

Markus Linden

freier Autor

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© Datacolor, Montage: fotoMAGAZIN

Der Phasen-Autofokus einer Spiegelreflexkamera kann für Ärger sorgen: Trotz korrekter Fokusanzeige in der Kamera kommt es in manchen Fällen vor, dass im Foto die Schärfe danebenliegt: Leicht vor oder leicht hinter dem anvisierten Ziel. Grund sind Ungenauigkeiten im Autofokus-System: Da der Phasen-AF (anders als der Kontrast-AF im Live-View) unabhängig vom Bildsensor arbeitet (siehe oben), meldet das System eine erfolgreiche Scharfstellung, sobald es intern zu einer Übereinstimmung seiner Messung kommt.

Bei der Produktion der Kamera achtet der Hersteller darauf, dass die AF-Phasen-Übereinstimmung eines Messfeldes exakt mit der Schärfeebene auf dem Bildsensor übereinstimmt. Kommt es aber zu einer noch so kleinen Abweichung in der Abstimmung beider Sensoren (schon bei der Produktion der Kamera, durch einen Sturz, Materialermüdung etc.), so fallen Schärfeebene und Bildebene nicht mehr perfekt zusammen. Auch Fehler im Objektiv können zu einer Fehlfokussierung führen: Ungenauigkeiten beim Autofokus-Motor, kleinste Bajonett- oder Linsen-Verschiebungen, die sich im Bildergebnis gar nicht niederschlagen, aber den AF-Sensor beeinflussen, gehören auch dazu.

Phasen-AF vs. Kontrast-AF

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Das Problem mit dem dejustierten Autofokus kann nur beim Phasen-AF von Spiegelrefexkameras auftreten. Nur bei diesen Kameras sind AF-System und Bildsensor voneinander getrennt. Bei modernen spiegellosen Kameras kommt dagegen ein Kontrast- oder Hybrid-AF auf dem Bildsensor zum Einsatz. Dieser fokussiert in der Regel treffsicher. Das gleiche gilt auch für die Fokussierung mit einer DSLR im Live-View-Modus: Hier wird – wie bei einer spiegellosen Kamera – auf dem Bildsensor fokussiert. Dazu werden Hauptspiegel und AF-Spiegel hochgeklappt.

Fehler bestimmen

Falls Sie den Verdacht haben, dass es mit Ihrer Kamera-Objektivkombination zu einer Fehlfokussierung kommt, so sollten Sie einige Punkte beachten. Zunächst einmal: Ein einzelnes, fehlfokussiertes Foto ist kein Hinweis auf eine generelle Fehlfunktion. Die Varianz der Fokusgenauigkeit hängt von der Qualität der Kamera-Objektivkombination ab. Gehen Sie davon aus, dass von zehn Fotos eines bis drei leicht unscharf sein können. Das ist beim Phasen-AF gerade in Kombination mit älteren Objektiven leider normal.

Um Unschärfe aus anderen Quellen auszuschließen, betrachten Sie nur Fotos, die Sie vom Stativ aus von unbewegten Motiven aufgenommen haben. Liegt jetzt der Fokus daneben, so müssen Sie zwei Fälle unterscheiden: Liegt der Fokus mal vorne, mal hinten: Ein mechanischer oder elektronischer Defekt in der Kamera oder im Objektiv (mit zweitem Objektiv gegenprüfen!) liegt vor. Sie können selbst nichts unternehmen und müssen Kamera oder Objektiv oder gleich beides in den Service geben. Liegt der Fokus dagegen immer beziehungsweise überwiegend zu weit vorn oder zu weit hinten, so können Sie selbst mit der AF-Feinabstimmung in der Kamera oder auch im Objektiv gegensteuern. 

Fehlfokussierung: Frontfokus – Backfokus

AF-Abstimmung

Nicht jede Kamera hat eine AF-Feinabstimmung integriert. Bei Canon sind es Modelle ab der 70D, bei Nikon ab der dreistelligen Nummerierung (ab D300, nicht D90 und älter), 4-stellig nur die 7000er-Reihe. Pentax bietet sie bei allen aktuellen Modellen, Sony bei den höherwertigen SLT-Kameras (Alpha 77 II und besser) und sogar bei einigen Spiegellosen. Dort wird sie aber nur benötigt, wenn ein SLT-Adapter mit entsprechenden Objektiven zum Einsatz kommt. 

Wie die Abstimmung ausgeführt ist, hängt von der Kamera ab. Bei den meisten Modellen lässt sich ein Korrekturwert für die Kamera selbst eintragen (der gilt immer, also für alle Objektive) und je einer für das individuell angesetzte Objektiv. Die Kamera erkennt, welches Objektiv angesetzt ist und nutzt dann den entsprechend eingestellten Korrekturwert.

Bei den meisten Kameras lässt sich nur ein Wert eintragen; bei neueren Canons wird bei Zoomobjektiven zwischen Weitwinkel und Telestellung unterschieden. Der Korrekturwert wird als Zahl (meist zwischen -20 und +20 eingetragen). Dabei bedeutet Plus, den AF-Zielpunkt weiter nach vorn weg von der Kamera, Minus ihn hin zur Kamera zu verschieben. Der Wert lässt sich nicht in Zentimeter übersetzen, da das tatsächliche Ausmaß einer Fehlfokussierung von Fokusentfernung und Brennweite abhängt. Es ist also Ausprobieren angesagt.

Eine Besonderheit gibt es noch für Besitzer einer Nikon D5, D500, D7500 und D850: Hier gibt es im Live-View eine automatische Feinabstimmung des Phasen-AFs durch den Kontrast-AF. Man kann sich jeden Testaufbau sparen, eine kontrastreiche Wand und ein Stativ reichen. Aber auch in diesem Fall wird wie immer bei Nikon nur ein Wert pro Objektiv hinterlegt.

Besser macht es Canon, aber am besten wäre, man könnte die Werte abhängig von Zoomstellung, Entfernung und auch der Blende eintragen – das aber geht derzeit nur im Objektiv selbst. Eine Abstimmung des AFs im Objektiv nimmt in der Regel der Service vor, aber sowohl Sigma als auch Tamron bieten USB-Docks an, mit denen Anwender ihre Objektive selbst einstellen können. Das funktioniert nur mit neuesten Objektiven; bei Sigma bei Modellen, die ab 2012 neu vorgestellt wurden, bei Tamron mit den neuesten SP-Objektiven.

Testaufbau

Für jede Feinjustage steht die Kamera auf einem Stativ. Die Blende ist offen, der Bildstabilisator ist aus, der Sucher wird abgedeckt. Am besten lösen Sie per Fern- oder Selbstauslöser aus, um Unschärfen durch Erschütterung zu vermeiden. Anvisiert wird ein Target, das das Ausmaß der Fehljustierung im Foto anzeigen kann. Viele Anwender nutzen ein um 45 Grad schräg aufgestelltes Lineal und fokussieren auf einen Wert. Meist taugt das aber nicht, weil die Striche des Lineals zu klein zum Fokussieren sind und sich dadurch Fehler einschleichen.

Entweder druckt man ein Fokussiertarget aus dem Internet aus (einfach googeln) und faltet es zusammen oder man nutzt eine kommerzielle Lösung wie SpyderLenscal von Datacolor (ca. 65 Euro). Vorteil: Das kleine Tool lässt sich auf ein Stativ setzen, es hat eine kontrastreiche, senkrecht stehende Fläche zum Fokussieren und eine um 45 Grad geneigte Messfläche. Abweichungen der Schärfe von null lassen sich leicht erkennen.

Die Distanz zum Target hat Einfluss auf die Scharfstellung – aber da sich ja bei fast allen Kameras nur ein Wert eintragen lässt, suchen Sie am besten eine goldene Mitte. Die liegt grob bei etwa Faktor 50 der Brennweite bei allem bis 50 mm, bei längeren Objektiven bei Faktor 30, bei Teleobjektiven über 200 mm bei Faktor 20. Bei einem 85er Objektiv also bei 2,55 m. Längere Brennweiten können auch kürzer stehen, trotzdem dürften viele Wohnungen zu klein werden, sodass Sie in den Außenbereich ausweichen müssen. Das geht bei bedecktem Himmel und ausreichendem Licht.

Drinnen sollten Sie auf ausreichend helles Dauerlicht achten. Dabei eignen sich Leuchtstoffröhren und viele Energiesparleuchten nicht – besser sind große Fenster und Tageslicht. Machen Sie mindestens drei Testfotos mit Offenblende und betrachten Sie sie auf einem großen Bildschirm. Korrigieren Sie mit der Feinabstimmung den AF und machen Sie wieder Testbilder; das Ganze wird so oft wiederholt, bis das Zentrum der Schärfe auf der Null liegt.

Justage via FoCal

Das Prozedere lässt sich automatisieren und – so zumindest der Hersteller der Software FoCal – auch genauer als mit Augenmaß durchführen. Die erwähnte Software läuft unter Windows und macOS und arbeitet mit den meisten Canon- und Nikon-DSLRs zusammen.

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FoCal gibt eine detaillierte Analyse der Ergebnisse aus: Bei der Halbautomatik gibt die Software mehrfach Anweisungen zum Versetzen des AFs in der Kamera.

Screenshots: © Markus Linden

Das Prinzip: Sie bauen den Testaufbau wie beschrieben auf, verwenden aber ein 2D-Target, das von FoCal vertrieben bzw. zum Selbstdrucken mitgeliefert wird. Die Kamera wird per USB mit dem Computer verbunden. Dieser steuert die Kamera, macht Testaufnahmen und vergleicht die Schärfe verschiedener Einstellungen der AF-Feinabstimmung. Bei einigen Kameras läuft der gesamte Vorgang inklusive des Eintrags des Korrekturwerts vollautomatisch ab, bei den meisten müssen Sie jedoch die Korrekturwerte nach Aufforderung durch die Software in die Kamera eintragen.

FoCal macht jeweils mehrere Aufnahmen, um Zufallsvariationen auszuschließen. Die Software kostet zwischen 40 und 70 britische Pfund, das sind knapp 45 bzw. 79 Euro. Die günstigere Variante kann nicht mit Telekonvertern kalibrieren und unterstützt nur Brennweiten bis 400 mm (www.reikanfocal.com).

Objektivjustage

Sigma und Tamron bieten ihren Kunden eine weitere (und auch präziser arbeitende) Möglichkeit, den AF ihrer Objektive zu justieren: Ein kleines USB-Dock, das jeweils auf das Bajonett des Objektivs gesetzt wird und so zwischen Computer und Objektiv vermittelt.

Mit Hilfe einer Software kann der Kunde selbst Korrekturwerte in das Objektiv schreiben – ein Vorgang, der sonst nur vom Service des Herstellers durchgeführt wird und ein Einschicken des Objektivs erfordern würde. Sigma nennt sein Gerät einfach „USB-Dock“ und verlangt 49 Euro, Tamron möchte 118 Euro für das eigene Dock namens „Tap-in Console“ (liefert diese aber auch im Bundle mit einigen Objektiven).

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Hier zu sehen ein Screenshot aus der Optimization Pro-Software von Sigma. Hiermit lässt sich nicht nur der AF einstellen, sondern auch Firmware aktualisieren.

Screenshot: © Markus Linden

Sie benötigen natürlich ein auf das eigene Bajonett zugeschnittenes Dock: Canon, Nikon und Sony bieten beide an, Sigma zusätzlich Pentax und Sigma. Die Funktionsweise ist bei beiden Herstellern gleich: Sie installieren die frei herunterladbare Software (Sigma Optimization Pro oder Tamron Tap-in Utility), schließen das Dock an und setzen es auf das Objektiv. Die Software erkennt das Objektiv automatisch und zeigt es in einer Liste an.

Bei Tamron kann die Erkennung etwas länger dauern – einfach ein oder zwei Minuten warten. Bei beiden können bei Zoomobjektiven mehrere Werte für verschiedene Brennweiten und Fokusentfernungen eingestellt werden. Haben Sie diese eingetragen, so werden sie per Klick auf eine Schaltfläche in die Firmware des Objektivs übertragen.

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Hier zu sehen die Tap-in Console von Tamron. Die dazugehörige Software nennt sich Tap-in Utility und kommt zwar etwas sperrig daher, erlaubt aber eine exakte Einstellung des AFs der neuesten SP-Objektive.

Foto: © Markus Linden

Die Krux dabei besteht natürlich in der Ermittlung der nötigen Korrekturwerte. Auch die sind – wie die der AF-Feinabstimmung in den Kameras – nicht absolut. Man nimmt sie daher in einer ersten Runde vor, und zwar mit den in der Software vordefinierten Brennweiten und Entfernungen. Wir würden empfehlen, den Testaufbau wie zuvor beschrieben aufzubauen, natürlich mit den in der Software vorgegebenen Entfernungs- und Zoomwerten.

Sind die Korrekturwerte eingeschrieben, geht es in eine zweite Runde zum Überprüfen. Das Ganze ist etwas aufwendig; bei Tamron können je nach Spreizung des Zoomobjektivs bis zu 24 Messwerte eingetragen werden, bei Sigma bis zu 16. Da jedes Mal das Objektiv abgenommen und an das Dock angeschlossen werden muss, alle Bilder am Bildschirm geprüft und die Korrekturwerte wieder angepasst werden müssen, kann es schon mal dauern.

Aber in der Praxis weist ein Objektiv entweder durchgängig ein Problem auf (sodass nur die Entfernung eine Rolle spielt) oder nur an einem Ende – dann ist die Arbeit mit dem Dock auch nicht ganz so zeitintensiv. Auf jeden Fall werden Sie anschließend mit perfekt sitzendem AF in allen Lagen belohnt.

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