Text: Anne Schellhase
Träumen Sie nicht auch manchmal von der großen Fotografenkarriere? Davon, große Kampagnen zu shooten, samt Ausrüstung, Assistenten und dem feinsten Equipment um die Welt zu fliegen? Vielleicht haben Sie ja auch schon einmal über die Fotografenlehre bzw. das Studium der Fotografie nachgedacht. Eventuell gehören Sie auch eher zur Gattung der Autodidakten und versuchen es mit dem Quereinstieg: Wie auch immer Ihr Weg aussehen mag: Wir haben drei Experten zu dem Thema befragt. Sie alle sind Experten auf ihrem Gebiet, haben jedoch völlig verschiedene Wege eingeschlagen. Von ihnen wollten wir wissen, wo sie die Vor- und Nachteile Ihres Einstiegs verorten und welche Tipps sie für Anfänger haben.
Der Autodidakt: Steffen Böttcher
‚Learning by doing‘ lautet Steffen Böttchers seine Devise. Der ehemalige Grafik-Designer ist seit 2008 als Autodidakt tätig. Mit Erfolg, denn der „Stilpirat” fotografiert nicht nur hauptberuflich, er nimmt Fotografen und solche, die es mal werden wollen, einige Male im Jahr mit auf Fotoreise.
fotoMAGAZIN: Würden Sie anderen empfehlen, den Einstieg ebenfalls ohne Ausbildung zu versuchen?
Steffen Böttcher: Das hängt immer davon ab, welche Ziele und welchen Anspruch du hast. Ich finde, dass die Fotografie und auch die Technik sich in den letzten Jahren so rasant entwickelt hat, dass die klassische Lehre nicht unbedingt etwas bringt. Hinzu kommt, dass die Kameras einfach zu bedienen sind und dir viel Mühe abnehmen. Ich verteufle das Studium und die Lehre zwar nicht, habe bisher aber niemanden getroffen, der davon geschwärmt hat, wie toll seine Ausbildung war. Um im Markt zu bestehen, bringt es dir nichts, weil die Budgets für Fotografen permanent sinken. Die Unternehmen setzen heute immer weniger auf Fotografen, dafür aber immer mehr auf Influencer.
„Als Quereinsteiger musst Du lange suchen, um jemanden zu finden, der Dir die Branche erklärt.“
Steffen Böttcher, Fotograf
fotoMAGAZIN: Halten Sie den Quereinstieg für den schwierigeren Weg in die Branche?
Steffen Böttcher: Nein, denn ich glaube, dass der Quereinstieg immer noch sehr erfolgreich sein kann, weil du dir die Chance gibst, dich anders zu entwickeln und dich nicht an ein Korsett hältst, dass dir vorgegeben wird. Gerade Quereinsteiger haben einen viel unkomplizierteren Umgang mit der Fotografie. Sie sind viel spielerischer und freier, als ausgebildete Fotografen.
fotoMAGAZIN: Haben es Lehrlinge und Studenten aufgrund gegebener Rahmenbedingungen schwerer, einen eigenen Stil zu entwickeln?
Steffen Böttcher: Das kann man pauschal nicht beantworten, weil es immer darauf ankommt, welche Lehrer du hast. Ich weiß von einigen Fotografinnen, die in München studieren und denen das Studium unglaublich geholfen hat, einen eigenen Stil zu finden. Andererseits kenne ich auch viele Studenten und Lehrlinge, die einen eigenen Stil nicht für nötig halten, weil sie am Markt sowieso so fotografieren müssen, wie es der Auftraggeber vorgibt.
„Du lernst nicht, weil du im Klassenzimmer sitzt, sondern weil du vor Ort gescheitert bist und es beim nächsten Mal einfach besser machst.“
Steffen Böttcher, Fotograf
fotoMAGAZIN: Hatten Sie als Autodidakt auch Nachteile?
Steffen Böttcher: Ich sehe überhaupt keine Nachteile, weil ich mir meine Ausbildung selbst zusammengestellt habe, ganz nach meiner Interessenlage. Ich finde, dass eben auch Niederlagen dazugehören. Diese brachten im Grunde meine größten Lernkurven. Ich glaube, dass ich hier für fast jeden Fotografen sprechen kann: Du lernst nicht, weil du im Klassenzimmer sitzt, sondern weil du vor Ort gescheitert bist und es beim nächsten Mal einfach besser machst. Und weil die Erfahrung und das damit angeeignete Wissen einfach aus der Praxis kommen und nicht aus der Theorie.
fotoMAGAZIN: Was sind die größten Herausforderungen für Quereinstieger?
Steffen Böttcher: Als Quereinsteiger musst du lange suchen, um jemanden zu finden, der dir die Branche erklärt. Technisch hat mir nichts gefehlt. Ich glaube aber, dass ich vielleicht betriebswirtschaftlich ein bisschen besser hätte vorbereitet sein können, speziell was die Marktpreise betrifft: Wie erstellt man eine vernünftige Kalkulation für den Kunden? Wofür wird dein Foto genutzt? Gibt es Rechteübertragungen und wie werden diese berechnet? Da habe ich am Anfang ein bisschen mehr rumgefragt. Aber auch hier hat sich der Markt in den letzten Jahren so rasant entwickelt, dass es keine Pauschalantwort gibt. Heute habe ich einen festen Stunden- und Tagessatz und schaue natürlich auch immer drauf, ob ich das unbedingt machen will. Wenn das ein Job ist, auf den ich total Lust habe, dann bin ich vielleicht eher bereit zu verhandeln. Aber auch das verändert sich. Wie gesagt: Die Budgets der Agenturen und Bildredaktionen sind im Moment im Keller. Du kannst heute nur noch übers Netzwerken überleben und musst wahnsinnig fleißig sein.
fotoMAGAZIN: Ist die Selbstvermarktung der Schlüssel zum Erfolg?
Steffen Böttcher: Dass du als Fotograf dein Handwerk verstehst, ist leider kein Garant dafür, im Markt zu bestehen. Wichtig ist, dass du auf die Wünsche des Kunden eingehst, nicht nervst, Gefühl mit rein bringst, dass du deine Kunden bewusst aussuchst, statt jeden Auftrag anzunehmen, und Networking betreibst. Viel redest. Das ist glaube ich viel erfolgversprechender, als diese grundsolide Handwerksnummer. Gelernt habe ich das nie und ich mache wahrscheinlich ganz viele Dinge falsch. Die Algorithmen der sozialen Medien ändern sich ständig. Man müsste sich permanent damit auseinandersetzen und das tue ich einfach nicht. Ich konzentriere mich auf die Fotografie und auf das Netzwerken.
fotoMAGAZIN: Welche Eigenschaften brauchst du, um als Fotograf erfolgreich zu sein?
Steffen Böttcher: Als Fotograf musst du viel mehr Mensch sein, als Techniker. Die Kameras sind mittlerweile alle so gut. Durch den elektronischen Sucher siehst du immer gleich das Ergebnis. Die Technik ist irgendwie ein bisschen zweitrangig geworden. Du musst ein kommunikativer Mensch sein. Wenn du reden kannst, wenn du auf Menschen zugehen kannst und keine Scheu vor ihnen hast, wenn du schwierige Situationen lösen kannst, dann ist das die halbe Miete. Das ist viel wichtiger als alles andere.
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Der Professor: Dirk Gebhardt
Als Professor für Fotografie an der Fachhochschule Dortmund bildet Dirk Gebhardt den Nachwuchs in den Bereichen Bildjournalismus und Dokumentarfotografie aus. Dabei kann der Fotojournalist auf seine jahrelange Erfahrung als Fotograf zurückblicken. Für ihn bietet die Hochschule die fundierteste Vorbereitung auf den Berufsalltag.
Der gebürtige Kölner Dirk Gebhardt begann 1995 sein Fotografiestudium mit dem Schwerpunkt Reportage an der FH Dortmund. Sieben Jahre später verlieh man ihm für seine Diplomarbeit "Rio Santos 9 Places" den Otto-Steinert-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie.
fotoMAGAZIN: Was spricht heute für das Studium der Fotografie als Vorbereitung auf den Fotografen-Job?
Dirk Gebhardt: Für ein Studium spricht zum einen, dass die Ausbildung erheblich fundierter und breiter aufgestellt ist, als die Lehre bei einem Fotografen. Man muss sich insbesondere auch mit der Theorie beschäftigen, während bei einer klassischen Lehre die Praxis im Vordergrund steht. Im Studium hingegen gibt es eine starke Durchmischung von Theorie und Praxis. Deshalb hat der Student auch später im Berufsleben ganz anderen Möglichkeiten, die verschiedenen Aufgaben adäquat zu erfüllen. Ich empfehle eine staatliche Hochschule. Hier sind die Chancen auf einen Studienplatz nicht so schlecht: Die hohe Bewerberzahl von 600 Leuten mag zwar abschrecken, wenn man aber bedenkt, dass davon nicht einmal mehr die Hälfte zur Eignungsprüfung erscheint, ist die Quote bei rund 80 verfügbaren Plätzen ganz gut.
fotoMAGAZIN: Viele Fotostudiengänge haben einen besonderen Schwerpunkt. Ist das Studium eher Leuten zu empfehlen, die genau wissen, wohin sie wollen?
Dirk Gebhardt: Es gibt Hochschulen, die einen Schwerpunkt haben. Dort sollte man sich natürlich nur bewerben, wenn man bereits weiß, welche Art Fotograf man sein möchte. Es gibt aber auch Hochschulen, die breiter aufgestellt sind: In Dortmund haben wir sechs Professuren für Fotografie. Diese decken die verschiedensten Schwerpunkte ab. Vom Bildjournalismus bis zur künstlerischen Fotografie werden bei uns alle Bereiche abgedeckt, auch Werbung, Mode und das multimediale Arbeiten mit den neuen Medien.
„Die Fotografie ist ein Beruf, den man mit anderen ausführt. Man sollte kommunikationsfähig sein.“
Dirk Gebhardt, Professor für Bildjournalismus und Dokumentarfotografie
fotoMAGAZIN: Bleibt manchmal die handwerkliche Komponente auf der Strecke?
Dirk Gebhardt: Das kann unter Umständen vorkommen. Wenn
ich heute studieren wollte, dann würde ich mir genau anschauen, was mir die Hochschule an technischem Equipment und Unterricht anbietet. Man kann am Lehrplan erkennen, wie viel Technikanteile dabei sind. Ich halte es für absolut sinnvoll, die ersten zwei Semester einen erhöhten Technikanteil einzuplanen. So kann sich jeder im Anschluss auf seine kreativen Fähigkeiten konzentrieren, während die Technik als gelerntes Grundwissen im Hintergrund funktioniert. Die Technik ist für mich die Grundlage für ein erfolgreiches Weiterkommen und Ausführen dieses Berufes, es ist aber nicht das Hauptaugenmerk.
fotoMAGAZIN: Mit welchen Herausforderungen müssen
die Studierenden noch umgehen?
Dirk Gebhardt: Zunächst sind die Lehrenden gefordert, den Studierenden zu helfen, Hemmschwellen zu überwinden. Beispielsweise gibt es wahrhaftig viele Menschen, die nicht gut darin sind, anderen Menschen zu sagen, was sie tun sollen: Porträt-Situationen sind hierfür das beste Beispiel. Dieses Problem lässt sich ganz gut durch Übung auflösen. Gelingt dies nicht, kann man natürlich anraten, ein anderes Betätigungsfeld in der Fotografie zu wählen: Es muss ja nicht jeder ein fantastischer Portrait-Fotograf werden.
Wenn die Hochschule gut aufgestellt ist, dann haben die Studierenden sowieso die Möglichkeit, das Genre den eigenen Vorlieben entsprechend auszusuchen. Wir schaffen es ohnehin nicht, nur Generalisten auszubilden, wir können aber tolle Spezialisten ausbilden, die auf einem Fachgebiet gut sind und damit am Ende auch im Markt überleben.
fotoMAGAZIN: Welche Eigenschaften sollte ein Fotograf mitbringen, um erfolgreich zu sein?
Dirk Gebhardt: Man muss visuell gut geschult sein und in Bezug auf seine Arbeitszeiten sehr flexibel bleiben. Außerdem sollten sie den Willen zum selbsständigen Arbeiten mitbringen und kommunikationsfähig sein. Die Fotografie ist ein Beruf, den man mit anderen ausführt, um gemeinsam Bilder zu erschaffen. Dabei gibt es einen Austausch mit Bildredakteuren, Werbeagenturen und vielen anderen.
„Jeder hat die Möglichkeit, am Ende mit einer Website samt Portfolio aus diesem Studium rauszugehen.“
Dirk Gebhardt, Fotograf und Journalist
fotoMAGAZIN: Wie schaffen die Studierenden später den Sprung ins Berufsleben?
Dirk Gebhardt: Das Ziel ist, dass die Studierenden am Ende ihres Studiums einen Job finden. Immerhin belaufen sich die Kosten für das Studium auf mindestens 10.000 Euro (ausgehend von sieben Regelsemestern). Damit dies gelingt, bieten viele Hochschulen Ausbildungsmodule an, die entsprechende Schlüsselkompetenzen vermitteln. Bei uns an der FH Dortmund lernen die Studierenden beispielsweise etwas über Preisgestaltung, die rechtlichen Grundlagen für Selbstständige und Selbstvermarktung: Diese ist sogar ein wesentlicher Bestandteil, wenn auch freiwillig. Jeder hat die Möglichkeit, am Ende mit einer Website samt Portfolio aus diesem Studium rauszugehen.
fotoMAGAZIN: Bringen Sie den Studenten bei, wie heute perfektes Networking funktioniert?
Dirk Gebhardt: Ohne Networking geht später nichts! Hier ist auch unser Vorteil gegenüber dem Quereinsteiger. Nicht alle Hochschulabsolventen werden anschließend Fotografen. Viele arbeiten in artverwandten Bereichen, zum Beispiel als Bildredakteur, Art Buyer etc. Diese Menschen haben unsere Absolventen während ihres Studiums kennengelernt und auf diese Kontakte können sie später zurückgreifen. Deswegen machen wir viele Exkursionen zu Redaktionen, aber auch zu Museen und Fotofestivals.
Die Studierenden sollen während des Studiums Kontakt zum Markt bekommen. So ergattern sie sich auch bereits die eine oder andere Publikation im Zeit-Magazin oder beim Stern. Fotofestivals bieten ihnen die Gelegenheit, Arbeiten auszustellen. Wir bemühen uns sehr intensiv darum, dass wir die Studierenden während ihres Studiums auf das Berufsleben vorbereiten. Wohlwissend, dass es nicht immer gelingt, diese jungen Leute so weit zu bringen, sofort als selbständige Unternehmer zu agieren. So etwas wie Eigeninitiative ist schwer zu unterrichten. Einem Quereinsteiger kann das durchaus leichter von der Hand gehen.
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Der Lehrlingswart: Thomas Peters
Thomas Peters betreibt seit rund 30 Jahren sein Fotostudio in Hamburg und schwört auf die klassische Fotografenlehre. Als Lehrlingswart der Fotografen-Innung Hamburg betreut er die Azubis der Hansestadt.
fotoMAGAZIN: Was spricht heute noch für eine klassische Fotografenlehre?
Thomas Peters: Ich bin ein klarer Verfechter dieser Lehre. Die Lehrlinge bekommen den gesamten Prozess von Anfang an mit. Sie sind schon bei der ersten Besprechung dabei und in die Planung involviert. Ab Ende des zweiten Lehrjahres müssen sie wichtige Aufgaben übernehmen. Unsere Aufträge sind nicht fiktiv, was ich als gewaltigen Vorteil gegenüber dem Studium sehe, denn ein misslungener Job wird vom Kunden nicht bezahlt.
fotoMAGAZIN: Was lernen die Auszubildenden sonst noch?
Thomas Peters: Sie bekommen eine umfangreiche Ausbildung. Das fängt damit an, dass ein LKW entladen werden muss: Die Ware wird gesichtet, gelistet, geprüft und sortiert. Für Auslandsreisen muss viel organisiert werden. Es werden Container, Models, Locations, Flüge und Hotels gebucht. In all diese komplexen Abläufe sind die Azubis eingebunden. Hauptaufgabe ist es dann, bei der Aufnahme zu assistieren. Sie müssen das Licht setzen und das Set vorbereiten.
„Unsere Aufträge sind nicht fiktiv. Ein misslungener Job wird vom Kunden nicht bezahlt.“
Thomas Peters, Fotograf
fotoMAGAZIN: Auf welches Berufsfeld bereitet eine Lehre vor?
Thomas Peters: Ziel ist es, die Lehrlinge in die Lage zu versetzen, die gesamte Produktion zu managen. Hierfür reichen drei Jahre gerade aus. Darauf aufbauend muss jeder entscheiden, in welche Richtung er gehen möchte. Unsere Erfahrung zeigt, dass es meist die Männer waren, die bei der Fotografie geblieben sind, während die Frauen im Anschluss ein Studium im Bereich Marketing oder Grafik begonnen haben.
fotoMAGAZIN: Macht es noch Sinn, den Meister anzustreben?
Thomas Peters: Inzwischen wird der Meister nicht mehr gefordert. Früher brauchte man ihn, um sich selbstständig zu machen und ausbilden zu dürfen. Ich habe bei der Ausbildung zum Meister gelernt, wie man mit jungen Menschen umgeht und wie man Kalkulationen und seine Preise macht. Das ist auch heute noch so.
fotoMAGAZIN: Was sind die größten Herausforderungen für die Lehrlinge?
Thomas Peters: Grundsätzlich gibt es viele Berührungsängste. Zum Beispiel, überhaupt in den Beruf zu starten. Hier haben Studenten einen sanfteren Einstieg. Lehrlinge sind vom ersten Tag an mittendrin und das von 9 bis 18 Uhr. Das ist ein langer Tag und dafür kriegen sie wenig Geld. Man fängt im ersten Lehrjahr bei 127 Euro an, was wirklich unterirdisch ist.
fotoMAGAZIN: Welche Eigenschaften braucht es, um ein erfolgreicher Fotograf zu werden?
Thomas Peters: Natürlich benötigt man ein kreatives Grundverständnis und viel Ausdauer. Die Fotografie ist in meinen Augen ein Beruf der Leidenschaft. Damit verbunden ist eben auch das Leiden als solches. Dafür landen Sie aber einem unheimlich schönen Job.
Anne Schellhase war von 2015 bis 2019 Mitglied der fotoMAGAZIN-Redaktion.
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