Die D850 ist für Nikon eine enorm wichtige Kamera. Erstmals seit der D5 und D500 vor rund anderthalb Jahren hat der japanische Traditionshersteller, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum feiert, wieder eine wirklich innovative Systemkamera im Angebot.
Schon ein Blick auf die technischen Daten zeigt, dass es gelungen ist, eine sehr hohe Auflösung (knapp 46 Megapixel) mit einer rasanten Geschwindigkeit (bis zu 9 Bilder/s mit Batteriegriff) zu kombinieren; flotter ist zurzeit nur Sonys SLT Alpha 99 Mark II (42,4 Megapixel, 12 Bilder/s), die aber einen elektronischen Sucher hat. Entsprechend gespannt waren wir, ob die D850 im Praxis- und im Labortest die hohen Erwartungen erfüllen kann.
In der Tabelle finden Sie im Vergleich drei andere Vollformatkameras mit einer Auflösung ab 30 Megapixeln, die mindestens 6 Bilder/s schießen – neben der Sony Alpha 99 II sind dies die Canon EOS 5D Mark IV (30,4 Megapixel, 6,6 B/s) und die D850-Vorgängerin D810, welche die 6 Bilder/s allerdings nur im DX-Crop-Modus erreicht.
Modifiziertes Gehäuse
Von vorne betrachtet sind nur geringe Unterschiede zwischen der D850 und ihrer Vorgängerin D810 festzustellen. Lediglich das Design des Sucherhügels hat sich leicht verändert. Der Grund dafür ist, dass Nikon den Gehäuseblitz weggelassen hat; im Gegenzug ist der Sucher größer geworden. Mit einer Vergrößerung von 0,74x (D810: 0,7x) ist er der größte in einer Nikon-SLR – selbst die Highend-SLR D5 vergrößert nur 0,72fach.
Mehr Designänderungen zeigen sich von oben: Der Handgriff ist etwas tiefer (aber nicht so tief wie beispielsweise bei der DX-Kamera D500), sodass die Kamera besser in der Hand liegt. Die meisten Neuerungen offenbart der Blick auf die Rückseite. Die Bedienelemente sind nun genauso angeordnet wie bei der D500.
Neu ist vor allem der 3,2-Zoll-Monitor, der sich nach oben und unten kippen lässt und eine höhere Auflösung hat (rund 2,4 Millionen RGB-Bildpunkte). Er erlaubt außerdem die Touch-Bedienung – vom Setzen des AF-Messfeldes im Live-View, über die Menünavigation bis hin zu den üblichen Blätter- und Spreizgesten in der Wiedergabe. Wie bei der D5 und D500 gibt es nun einen Joystick, der unter anderem zum schnellen Verschieben des AF-Messfeldes genutzt werden kann.
Auf der linken Seite ist unter der OK-Taste die Fn2-Taste hinzugekommen. Sie ist standardmäßig mit der Bildbewertung bei der Wiedergabe belegt und lässt sich auf den Aufruf des individuell konfigurierbaren „Mein-Menü“ umstellen – so frei belegbar wie die Fn-Taste auf der Vorderseite ist sie nicht. Weitere gelungene Neuerung bei der Bedienung: Die Tasten auf der Rückseite der Kamera sind nun beleuchtbar. Auf dem Monitor und im Sucher lässt sich übrigens eine 3D-Wasserwaage einblenden.
Der Blick durch den Sucher zeigt – neben der beeindruckenden Größe – eine weitere Neuerung: Das AF-Modul wurde aus der D5 übernommen und bringt nun 153 Messfelder mit, von denen 99 Kreuzsensoren sind; bei f/8 (also dem Einsatz von Telekonvertern) stehen noch 15 Messfelder zur Verfügung. Die Empfindlichkeit reicht beim mittleren Messfeld bis -4 EV, bei den anderen bis -3 EV. Unterstützt wird der AF von dem Belichtungssensor mit 180.000 RGB-Pixeln, der das Tracking verbessert und beispielsweise eine Gesichtserkennung ermöglicht.
Hervorragende Ausstattung
Die D850 bringt alle Funktionen mit, die Nikon in den letzten Jahren eingeführt hat – und mindestens eine ganz neue. Zu den Neuerungen gehört der elektronische Verschluss, den es bei Nikon bisher nur in der D5 gab, der in der D850 aber erstmals konsequent genutzt wird. Er ermöglicht – wie bei den meisten spiegellosen Systemkameras – ein lautloses Auslösen im Live-View (das nennt Nikon „Stilles Auslösen“). Der rein elektronische Verschluss hat gegenüber dem mechanischen allerdings immer noch Nachteile, beispielsweise können bei schnellen Bewegungen Verzerrungen durch den Rolling-Shutter-Effekt entstehen, da der Sensor zeilenweise ausgelesen wird. Das Blitzen ist mit E-Verschluss gar nicht möglich.
Die Serienbildgeschwindigkeit hat Nikon im Modus „Stilles Auslösen 1“ auf sechs Bilder/s beschränkt, im Modus 2 schaltet die Kamera in den DX-Crop-Modus mit 3600 x 2400 Pixeln und kann dann drei Sekunden lang mit 15 Bildern/s aufnehmen – leider nur mit der Qualität JPEG-normal. Es gibt allerdings noch einen entscheidenderen Haken: Die D850 kann bei Serienbildern im Live-View den Fokus nicht nachführen, die Schärfe bleibt also auf dem ersten Bild und Serienbilder machen deshalb nur dann Sinn, wenn sich die Entfernung des Motivs zur Kamera nicht ändert. Im Videomodus führt die D850 die Schärfe dagegen prinzipiell nach, allerdings mit dem meisten Objektiven so langsam und mit Pumpen, dass man den Autofokus besser abschaltet.
Das „Stille Auslösen“ mit elektronischem Verschluss lässt sich übrigens auch für das Erstellen von Intervallaufnahmen und Zeitraffer-Filmen in 4K-Auflösung nutzen – das schont den mechanischen Verschluss, der für 200.000 Auslösungen ausgelegt ist (bei Nikon ist nur die D5 mit 400.000 Auslösungen langlebiger). Es ist übrigens möglich, beim Fotografieren mit Sucher den ersten Verschlussvorhang elektronisch ablaufen zu lassen, um zu vermeiden, dass Vibrationen Unschärfen in den Aufnahmen erzeugen – hierzu muss allerdings der Modus Q(uiet) oder die Spiegelvorauslösung (Mup) aktiviert werden.
Premiere bei Nikon hat das Fokus-Bracketing: Bis zu 300 Aufnahmen lassen sich automatisch mit leicht verschobenem Fokus machen, übrigens auch mit „Stillem Auslösen“. Wer die Bilder für Makroaufnahmen mit vergrößerter Schärfentiefe zusammenrechnen will, benötigt eine entsprechende Software wie Helicon Focus Pro – Focus-Stacking in der Kamera bieten zurzeit nur Olympus und Panasonic. Sinn macht das Focus-Bracketing aber auch, wenn nur ein Bild ausgewählt und beispielsweise die Schärfe bei Portraits perfekt auf das Auge gelegt werden soll.
Schon in zahlreichen anderen Nikon-SLRs zu finden sind Funktionen für Mehrfachbelichtungen und HDR-Aufnahmen. Vorbildlich bei Mehrfachbelichtungen ist, dass man als erste Belichtung ein gespeichertes Raw-Bild auswählen und dann bis zu zehn neue Belichtungen überlagern kann.
Schade ist dagegen, dass die Mehrfachbelichtungen nicht im Live-View und somit nicht mit „Stillem Auslösen“ möglich sind. Wer also beispielsweise während einer Theater-Vorführung lautlos Mehrfachbelichtungen machen will, muss auf ein Bildbearbeitungsprogramm zurückgreifen, um die Aufnahmen zu überlagern.
Bei HDR lassen sich neben einer Automatik drei unterschiedliche Stärken einstellen. Wie bei vielen Herstellern ist die HDR-Funktion unnötig umständlich implementiert. Da sie nur mit JPEGs funktioniert, muss man Raw zunächst deaktivieren und daran denken, es nach der HDR-Aufnahme wieder zu aktivieren. Einfacher wäre es, wenn die Kamera das automatisch übernähme. Wer nachträglich HDRs aus Raws machen will, kann natürlich zu normalen Belichtungsreihen greifen.
Wi-Fi und Bluetooth
Im Gegensatz zur D810 ist die D850 mit Wi-Fi ausgestattet. Wie schon bei anderen Nikon-Kameras der letzten anderthalb Jahre lässt sich dieses allerdings nur mit Hilfe der SnapBridge-App für Android und iOS aktivieren, die zunächst eine Bluetooth-Verbindung zur Kamera aufbaut.
Wer will, kann per Bluetooth auch gleich kleine Bilddateien auf das Smartgerät übertragen und von dort automatisch in die Nikon-Cloud (Nikon Image Space) oder manuell zu Facebook, Instagram & Co laden. Das hat den Vorteil, dass man nicht unbedingt auf Wi-Fi umschalten muss und so beispielsweise per Smartphone mit einem Router verbunden bleiben kann. Größere Dateien sollte der Fotograf allerdings doch per Wi-Fi senden, da Bluetooth hierfür zu langsam ist; Raws oder Videos sind für die Bluetooth-Übertragung komplett gesperrt und auch die Fernsteuerung erfolgt ausschließlich per Wi-Fi.
Leider erlaubt die SnapBridge-App außer der Wahl des AF-Messfeldes und dem Aktivieren des Selbstauslösers keine Kameraeinstellungen – Blende, ISO oder andere Werte müssen also an der Kamera eingestellt werden. Sinnvoll kann Bluetooth auch sein, um GPS-Daten vom Smartphone auf die Kamera zu übertragen oder die Uhrzeit zu synchronisieren. Wünschenswert wäre, dass sich Wi-Fi unabhängig von Bluetooth und SnapBridge nutzen ließe, was technisch problemlos möglich sein sollte. Zurzeit ist der Fotograf bei der D850 für ein SnapBridge-unabhängiges WLAN auf das externe Modul WT-7 angewiesen, das mit über 1000 Euro zu Buche schlägt.
Weitere fotografische Funktionen der D850 sind eine automatische AF-Feinabstimmung, drei verschiedene Raw-Auflösungen (neben der vollen eine mittlere mit 25,6 und eine kleine mit 11,4 Megapixeln), eine schnelle Raw-Stapelverarbeitung, ein besonders kleines AF-Messfeld für Makroaufnahmen im Live-View und die Möglichkeit, im Format 1:1 aufzunehmen.
Video: 4K und Zeitlupen
Die D850 ist die vierte Nikon-SLR, die Videos mit 4K-Auflösung aufnimmt (3840 x 2160 Pixel). Sie bringt es dabei auf eine Bildwiederholfrequenz von 30 B/s, eine Datenrate von 144 Mbit/s und eine maximale Länge von knapp 30 Minuten am Stück. Full-HD gelingt mit 60 B/s oder als Zeitlupe sogar mit 120 B/s. Das Problem beim Video ist der langsame Live-View-AF.
Lediglich die neuen AF-P-Objektive mit Schrittmotor stellen im Live-View schneller scharf – für das Vollformat gibt es bisher nur das AF-P 4,5-5,6/70-300 mm E ED VR. Nikon hinkt hier deutlich hinter dem großen Konkurrenten Canon her, der mit seinem „Dual Pixel CMOS AF“ und zahlreichen STM- und Nano-USM-Objektiven im Live-View/Video schnell und leise fokussieren kann. Auch Sony hat bei der Alpha 99 II den besseren Video-AF, da diese Kamera aufgrund der SLT-Bauweise den gleichen schnellen Phasen-Detektions-AF nutzt wie im Fotomodus.
Wer bei Nikon den Fokus während der Video-Aufnahme verlagern will, muss also manuell scharfstellen. Dabei sollte eigentlich die Peaking-Funktion helfen, welche die Konturen scharfer Bereiche markiert. Ärgerlicherweise steht sie bei 4K nicht zur Verfügung; vermutlich reicht die Rechenleistung des Bildprozessors hierfür nicht aus. Bei Full-HD ist Peaking dagegen vorhanden – mit Ausnahme von Zeitlupen.
Ansonsten ist die D850 sehr gut für Video geeignet: Sie nimmt ohne Crop mit der vollen horizontalen Bildbreite auf (nur bei Zeitlupen wird auf DX-Crop umgeschaltet), es gibt einen Mikrofon- und einen Kopfhöreranschluss und auch die Aufzeichnung auf einen externen HDMI-Rekorder ist möglich.
Bei der normalen Full-HD-Aufzeichnung – nicht in 4K oder Zeitlupe – steht ein elektronischer Bildstabilisator zur Verfügung, der das Bildfeld leicht beschneidet, um die Aufnahme auf dem Sensor verschieben zu können. Gut für fotografische Zwecke: In der Kamera lassen sich Standbilder aus dem Video speichern. Bei 4K sind dies rund 8 Megapixel – die Qualität ist so gut, dass sich die Stills problemlos für großformatige Prints nutzen lassen.
Geschwindigkeit
Nikon gibt eine Seriengeschwindigkeit von 7 Bildern/s an, wir haben mit einer XQD-Karte von Lexar (2933x, 440 MB/s) sogar 7,1 Bilder/s gemessen. Bei JPEGs ist die Serienbildlänge auf 200 Aufnahmen begrenzt, bei Raws wird die Kamera vorher langsamer. Im Test haben wir folgende Werte ermittelt:
- 14 Bit, unkomprimiert: 26
- 14 Bit, verlustfrei komprimiert: 32
- 14 Bit, komprimiert: 48
- 12 Bit, unkomprimiert: 37
- 12 Bit, verlustfrei komprimiert: 53
- 12 Bit, komprimiert: 60
Noch höhere Geschwindigkeiten ermöglicht der Batteriegriff MB-D18, wenn er mit dem großen, aus der D5 bekannten Akku EN-EL18b bestückt wird. Benötigt wird hierfür noch die Batteriefachabdeckung BL-5 und natürlich ein Ladegerät für den EN-EL18b. Mit dieser Kombi haben wir dann 9,2 Bilder/s gemessen, allerdings hält die Kamera dann keine 200 JPEGs in Folge durch, sondern nur noch 80 bzw. maximal 37 Raws (12 Bit, komprimiert). Natürlich verlängert der zusätzliche EN-EL18b auch die Batterielaufzeit – von sehr guten 1840 auf herausragende 5140 Aufnahmen. Wer keine 9 Bilder/s braucht, kann den Batteriegriff mit dem normalen Kamera-Akku EN-EL15A bestücken und auch acht herkömmliche AA-Mignonzellen lassen sich verwenden.
Zugelegt hat die D850 auch bei der Geschwindigkeit des Einzel-AFs: Wir haben mit dem AF-S 2,8/24-70 mm VR rund 0,3 s Auslöseverzögerung gemessen – das ist der beste Wert im Testfeld.
ISO-Vergleich
Bildqualität
Im Labor haben wir die D850 wie ihre Vorgängerin mit dem Referenzobjektiv Micro Nikkor 2,8/60 mm im JPEG-Modus und in den Werkseinstellungen vermessen. Bei der Auflösung hat die D850 gegenüber der D810 stärker zugelegt als die zusätzlichen gut neun Megapixel vermuten lassen.
In der Grundempfindlichkeit (ISO 64) erreicht sie 35,6 effektive Megapixel, was einem sehr guten Wirkungsgrad von 88,6 % entspricht – zum Vergleich: Die D810 hat einen maximalen Wirkungsgrad von knapp 80 %; erreicht wurde dies bei der D850 wohl auch durch eine stärkere Scharfzeichnung, die jetzt etwa auf dem Niveau von Canon und Sony liegt. Im Konkurrenzvergleich kitzelt nur Sony in der Alpha 99 II noch etwas mehr Auflösung aus dem Sensor heraus (Wirkungsgrad über 98 %), hat dafür aber auch die schlechteste Artefaktnote.
Der D850 gelingt es, die Auflösung mit zunehmenden ISO-Werten hoch zu halten – sie nimmt kontinuierlich leicht ab, stark bricht sie erst bei ISO 25.600 ein. Das Bildrauschen fällt dagegen etwas höher aus als bei der D810 und der Konkurrenz. Vor allem die Canon EOS 5D Mark IV erreicht hier bessere Werte, allerdings auch bei deutlich geringerer Auflösung.
Die visuelle Beurteilung der im Praxistest entstandenen Aufnahmen bestätigt den sehr guten Laboreindruck. Auf einem 27-Zoll-Monitor sind in der Gesamtansicht bis ISO 6400 kaum Unterschiede zwischen den Testbildern zu erkennen und auch ISO 25.600 sieht noch passabel aus. In der 100-%-Ansicht gehen dagegen ab ISO 1600 erste feine Details verloren.
FAZIT
Mit der D850 ist Nikon ein großer Wurf gelungen – mit kleinen Schwächen. Die Kamera begeistert im fotografischen Einsatz mit hervorragender Bildqualität, Geschwindigkeit und Ausstattung. Ihr größter Schwachpunkt ist der langsame Live-View/Video-Autofokus. Ein Dauer-Ärgernis bleibt bei Nikon die Wi-Fi-Implementierung über Bluetooth.
Hier gelangen Sie zum Download der Ergebnis-Tabelle (Canon EOS 5D Mark IV, Nikon D810, Nikon D850 und Sony Alpha 99 II).
Labormessungen: Anders Uschold
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Dieser Test wurde in unserer Ausgabe fotoMAGAZIN 11/2017 veröffentlicht.
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