Ein preisverdächtiges Landschaftsfoto sollte uns überraschen, um länger in Erinnerung zu bleiben – durch die Motivwahl, die Perspektive, Bildkomposition und vielleicht auch den Aufnahmestil des Fotografen. Insbesondere, wenn dieses Bild unter den besten Landschaftsfotos der Welt landen möchte. Insofern ist unsere Erwartungshaltung beim Betrachten der Siegerfotos des International Landscape Photographer of the Year (LPOTY)-Wettbewerbs besonders groß.
Landscape Photographer überraschen nicht
Bisweilen wirkten die hier in den vergangenen zehn Jahren prämierten Bildwelten tatsächlich wie Szenenbilder aus dem Hollywood-Spektakel „Dune“ oder anderen Science-Fiction-Szenarien. Schlimmstenfalls erscheint hier jedoch ein Siegerbild klischeebeladen wie direkt der „Bergdoktor“-Idylle des ZDF-Abendprogramms entsprungen. Dann rauscht der Wildbach eben ins Tal, die Wiesen leuchten im späten Sonnenlicht eines Tages und niemand hätte es überrascht, wenn der Fotograf bei der Aufnahme beglückt gejodelt hätte.
Das Ergebnis ist leider bei dem Alaska-Motiv von Matt Meisenheimer (3. Platz unter den besten Bildern 2023) wenig mehr als technisch solide Stereotypen-Pflege auf Grußkarten-Niveau. Derlei Schmalzfotografie kann mühelos Jahr für Jahr an wechselnden Locations reproduziert werden.
Überhaupt scheint das Schöne, das Erhabene, bei der Bildauswahl dieses Wettbewerbs fest in den Köpfen der Jury verankert gewesen zu sein. Dabei sollte hier wirklich nicht Motiven der Fremdenverkehrswerbung nachgeeifert werden. Oder standen in manchen Wettbewerbskategorien einfach keine besseren Einreichungen zur Verfügung?
Dass Kreativität und erfrischend andere Bilder auch beim LPOTY eine Chance haben, zeigt uns John Seagers „Wüstenfoto des Jahres“. Der Brite hat in der argentinischen Wüste ein abstrahiertes Foto eines Landschaftskegels geschossen, dessen Schatten wie der Zeiger einer Sonnenuhr auf die Landschaft fällt. Licht, Form und zarte Farben prägen diese schöne Aufnahme.
Abstraktionen der Natur
Auch der Australier Tony Hewitt, der „International Landscape Photographer of the Year 2023“, hat bei seinen prämierten Luftbildern den Weg zur Abstraktion gewählt. In den Aufnahmen wird die Landschaft zur Leinwand, auf der sich Farben mischen wie auf Aquarellpapier und sich erstaunliche Naturmuster abzeichnen.
„Jedes Bild ist gewissermaßen die Stimme meiner Augen“, formuliert Hewitt pathetisch. „Mit meinem Foto findet das Gesehene Gehör.“ Derlei Wortgeschwurbel ist unnötig. Das Landschaftsdesign der Natur wird in Hewitts Aufnahmen zur Geo-Art – nicht als umweltkritische Betrachtung konzipiert wie bei Edward Burtynsky, sondern als ästhetische Wertschätzung der immer wieder faszinierenden Farbpalette unserer Umwelt. Und das ist in diesem Kontext völlig ausreichend. Nun hat der vom Australian Institute of Professional Photography als „Grand Master of Photography“ ausgezeichnete Fotokünstler eine weitere große Würdigung für sein kreatives Schaffen bekommen.
Ansonsten bietet uns dieser Wettbewerb tatsächlich auch in diesem Jahr wieder Bilder, die den Location-Scouts der Filmindustrie Ideen für künftige Drehorte liefern können. Und Ihnen vielleicht ein paar Anregungen für die nächste Fotoreise?
> Weitere LPOTY-Award-Gewinner
Beitrage Teilen