Russell James

Er hat legendäre Kampagnen des Dessous-Labels Victoria´s Secret“ fotografiert und ist einer der Lieblingsfotografen bei Heidi Klums „Germany's Next Top Model“.

Manfred Zollner

Manfred Zollner

Chefredakteur fotoMAGAZIN

Russell James und Manfred Zollner

Russell James (links) nach seinem Interview mit fM-Chefredakteur Manfred Zollner (rechts) und vor der Vernissage seiner Ausstellung in der Berliner Galerie Camera Work.

Foto: © Manfred Zollner

Russell James ist heute einer der bekanntesten Fashion- und Beautyfotografen der Welt. Nun zeigt der Australier seine Bildikonen in der Berliner Galerie Camera Work. Wir trafen ihn am anlässlich der Vernissage in Berlin am 28. April zu einem ausführlichen Interview.

Toni Garrn

Toni on Fur, 2016

Foto: © Russell James / Courtesy of Galerie Camera Work

fotoMAGAZIN: Sie haben kurz vor deren Tod die britische Queen getroffen. War das ein Highlight Ihrer Karriere?
Russell James: Es war natürlich etwas Besonders, den Order of Australia zu erhalten. Noch wichtiger war mir jedoch, dass ich diesen Orden nicht für meine Aktfotografie erhalten habe, sondern für meine philanthropische Arbeit – für Aufnahmen indigener Stämme. Der Orden wurde mir vom Gouverneur des Bundesstaates überreicht. Die Queen traf ich dann später, als ich Fotos an einem Ort ausstellte, an dem Sie eine Rede hielt. Sie kam auf mich zu und wir unterhielten uns kurz. Ich musste bei diesem Anlass Schuhe tragen, daran erinnere ich mich am meisten. Der Premierminister sagte zu mir: No Shoes, no Meeting!

fotoMAGAZIN: Sonst hätten Sie wie immer Ihre Flipflops getragen?
Russell James: Ja, allerdings die guten, meine Ausgeh-Flipflops.

fotoMAGAZIN: Wenn Sie an all die Aufnahmen denken, die Sie im Laufe Ihrer Karriere gemacht haben, welche Bilder sind Ihnen dann besonders in Erinnerung geblieben?
Russell James: Da taucht bei mir sofort eine Art Collage auf. Ich sehe darin alle Aspekte meiner Arbeit durch Bilder vertreten, zum Beispiel ein Foto der Augen eines Aborigines – eines der ersten Porträts eines Projekts. Dieses Bild hat meine Welt verändert. Heute, in meiner Berliner Ausstellung bei der Galerie Camera Work, denke ich etwa an mein Foto von Gisele Bündchen, das an einem der ersten Tage ihrer Karriere entstanden ist.

fotoMAGAZIN: Auch Kendall Jenner war eine der vielen Frauen, die Sie zu Beginn ihrer Modellkarriere ermutigt und beraten haben …
Russell James: Das stimmt. Bei einer Preisverleihung im vergangenen Jahr haben sich Kendall und Chris Jenner sogar bei mir dafür bedankt, dass ich ein Mentor für Kendall gewesen bin. Chris war einst zu mir gekommen und hatte mir erzählt, ihre Tochter würde gerne als Model arbeiten. Ich habe ihr dann Tipps gegeben, wie ein Einstieg in die Branche gelingen könnte.

fotoMAGAZIN: Sie haben all die Supermodels der 90er-Jahre fotografiert und konnten verfolgen, wie sich das Model-Business entwickelt hat. Wie sehen Sie es heute?
Russell James: Hinter all den Supermodels – Frauen wie Helena Christensen, Cindy Crawford, Stephanie Seymour – standen Fotografen wie Herb Ritts und Peter Lindbergh. Das Phänomen der Supermodels war eine Kreation dieser erstaunlichen Fotografen in Kombination mit einer starken Präsenz dieser Frauen auf Zeitschriftencovern. Damals wurden Zeitschriften rund um den Globus noch ganz genau beachtet, und alle hatten Supermodels auf dem Titel. Du konntest beispielsweise Linda Evangelista auf mindestens fünf Covern in mehreren Ländern gleichzeitig sehen.

„Das Phänomen der Supermodels war eine Kreation von Fotografen wie Herb Ritts und Peter Lindbergh – in Kombination mit einer starken Präsenz dieser Frauen auf Zeitschriftencovern.“

Russell James

fotoMAGAZIN: Wann und warum hat das ein Ende gefunden?
Russell James: Als die Industrie kapierte, dass die Leser noch mehr Anteil nehmen würden, wenn sie mehr Stories zu den Menschen auf den Titelblättern bringen würden. So sind sie auf die Prominenten gestoßen und ich hatte plötzlich ganz viele Porträtsitzungen mit berühmten Schauspielern, Schauspielerinnen und Musikstars. Sie haben also die Lücke gefüllt.
Für mich stand ganz am Anfang einer neuen Entwicklung Gisele Bündchen. Sie war nach langer Zeit eines der ersten Models, das wieder Cover-Abbildungen bekam. Als ich anfing, sie zu fotografieren, arbeitete sie für Victoria´s Secret und das wurde damals noch sehr kontrovers betrachtet. Manche meinten, sie habe diese hochklassige Karriere und Victoria´s Secret sah man als Label für den Massenmarkt. Als dann ein Werbemotiv mit ihr in den USA auf Billboards erschien, machte das aus einem in der Model-Industrie bekannten Namen einen Namen, den man plötzlich in jedem Haushalt kannte. Gisele folgten dann neue Models nach und auch die sozialen Medien hatten ihren Anteil daran.

fotoMAGAZIN: Wo stehen wir jetzt?
Russell James: Wir leben jetzt in einer sehr interessanten Zeit. Die sozialen Medien haben für einige Verwirrung gesorgt. Was ist heute eine Influencerin und was ein Supermodel? Keiner weiß mehr, ob es da einen Unterschied gibt. Allerdings wissen Sie und ich, dass ein Model in der Welt der Mode und Beauty präsentieren kann und auch etwas schauspielerische Qualitäten mitbringt.

fotoMAGAZIN: Heute haben Sie selbst 780.000 Follower auf Instagram. Wie wichtig ist es für Fotografen, dort Präsenz zu zeigen?
Russell James: Vor etwa drei Jahren habe ich eine bewusste Entscheidung getroffen, als ich merkte, welchen Einfluss Instagram auf Kids hatte. Ich finde viele positive und negative Dinge auf Instagram, habe aber selbst aufgehört zu posten – mit Ausnahme von Bildern zu meinen Ausstellungen. Ich stelle nichts Persönliches rein. Wir leben in einer Zeit, in der wir eine riesige soziale Umwälzung hatten bei dem Umgang mit der Frage was richtig oder falsch ist. So viel Heuchelei ist daraus entstanden. Mit den sozialen Medien ist heute jeder in der Lage, einen öffentlichen Kommentar zu etwas abzugeben. Und jedes Medium kann ihn zitieren. Hinter dem Verweis „Wie ein Twitter-User sagte“- steckt allerdings überhaupt keine Autorität mehr. Es sind keine Journalisten mit Reputation im Spiel. Nun kann jeder etwas behaupten.

fotoMAGAZIN: Modelagenturen listen heute auf, wie viele Instagram-, Facebook- und Twitter-Follower ein Model hat. Ist das nun wichtiger als ihr Aussehen?
Russell James: Eine wichtige Frage. Ich hatte Werbekunden, die mir sagten, ich könne jedes Model auswählen, das ich möchte, doch es sollte mindestens eine Million Follower haben. Ihr Business ist es, Dinge zu verkaufen, also brauchen Sie Öffentlichkeit. Es gibt hier also einen kommerziellen Hintergrund. Mein Business ist es jedoch, Talente zu finden, ihnen zu helfen. Dazu kommt: Wenn ich Aborigines fotografiere, dann haben diese keine Follower. Das hat jedoch keinen Einfluss darauf, ob ich sie fotografiere.

„Ich hatte Werbekunden, die mir sagten, ich könne jedes Model auswählen, das ich möchte, doch es sollte mindestens eine Million Follower haben.“

Russell James

fotoMAGAZIN: Ihre Antwort führt uns zurück ins heutige Star-System, zu Schauspielerinnen und selbst Kindern bekannter Fußballspieler wie David Beckham, die mehr Follower haben.
Russell James: In der Supermodel-Ära galten Zeitschriftencover als Gradmesser der Popularität. Jeder sah sie und erkannte sie. Als dann die Schauspielerinnen aufs Cover kamen, hatten diese einen Bekanntheitsgrad vom Kino. Ich verstehe absolut, wie Modelabels handeln – es geht immer um die erreichte Öffentlichkeit. Gigi Hadid ist ein großartiges Model, aber sie bekommt die Jobs im direkten Konkurrenzkampf mit zehn gleich guten Models immer, weil sie über 78 Millionen Follower hat. Es ist kein Zufall, dass ihre ganze Familie öffentlich sehr präsent ist. Das hat sicher mitgeholfen.

fotoMAGAZIN: Wie hat sich das Business für Sie verändert?
Russell James: Ich habe mich verändert mit den Erfahrungen, die ich über die Jahre gemacht habe. Corona hat das Business zudem grundlegend verändert und mir die Gelegenheit gegeben, herauszufinden, was mir wirklich wichtig ist. Je älter du wirst, desto mehr wird dir klar, dass dir weniger Schätze im Leben bleiben, die du verteilen kannst. Stellt sich also die Frage, ob ich mich nun am Boden wälze, um eine Story für die Klamottenindustrie zu schießen oder lieber eine großartige Story in den Outbacks von Australien fotografiere.

fotoMAGAZIN: Wie lange mussten Sie während des Corona-Lockdowns pausieren?
Russell James: Ich konnte drei Jahre lang nicht reisen. Das war, als ob du einem Drogensüchtigen Crack entziehst. Es gab vermutlich in den ganzen 30 Jahren davor keine einzige Woche, in der ich sieben Tage am gleichen Ort gewesen wäre.

fotoMAGAZIN: Haben Sie in der Zeit an kleinen privaten Projekten gearbeitet?
Russell James: Ja, zunächst fing ich damit an, die ersten Auswirkungen der Pandemie zu fotografieren: Den seltsamen Anblick von abgesperrten Kinderschaukeln im Park, eine Atmosphäre wie bei der Serie ,The Walking Dead´. Ich habe dann angefangen, Essen auf Rädern auszuliefern, weil ich dabei unterwegs sein konnte. Nebenbei machte ich Porträts der Menschen, denen ich Essen brachte. Das war großartig. Danach fing ich an, etwas tiefer einzusteigen und Porträts von Menschen zu machen, die ganz abgeschieden draußen auf dem Land arbeiteten.
Ich habe ganz für mich gearbeitet und musste mein Equipment selbst mitschleppen. Je erfolgreicher du als Fotograf wirst, desto mehr hast du für alles einen Assistenten. Nun musste ich zurück zu den Basics. Ich wurde mir wieder bewusst, dass ich die Kraft habe, etwas allein anzupacken, ohne den ganzen Lärm im Hintergrund und die großen Sets.

fotoMGAZIN: Eine der großen Veränderungen der vergangenen Jahre hat die MeToo-Debatte in die Branche gebracht. Hat diese Ihren Fotografenalltag verändert?
Russell James: Beruflich hat sich für mich nichts verändert.

fotoMAGAZIN: Müssen Sie nicht heute lange Erklärungen zum Verhalten am Set unterschreiben?
Russell James: Ja, so betrachtet hat sich wirklich alles verändert. Zunächst musste die Branche herausfinden, wie sie auf diese Anschuldigungen reagiert. Es betraf ja nicht nur die Modeindustrie. Ich habe auch einige schlimme Reaktionen mitbekommen. Eine Firma, die ich hier nicht nennen möchte, erklärte, nur noch mit Fotografinnen und Produzentinnen und Make-up-Künstlerinnen zu arbeiten. Mit dieser Entscheidung nahm sie schlagartig vielen Menschen den Job weg, die über viele Jahre für sie gearbeitet hatten.

fotoMAGAZIN: Hat die Firma diese Entscheidung inzwischen revidiert?
Russell James: Ja, als sie merkte, dass sie sich dabei vielen talentierten Leuten verwehrte. Zudem kann eine Fotografin natürlich genauso wie ein Fotograf Fehlverhalten zeigen. Das war also eine echte Diskriminierung. Wie hat das Thema MeToo nun meine Arbeit verändert? Es ließ mich insbesondere über meine Aktfotografie nachdenken. Was mache ich da – und warum? Ich musste für mich herausfinden, wofür ich stehen möchte. Ich hätte jetzt sagen können, dass ich ab sofort keine Akte mehr fotografiere. Das fühlte sich für mich aber so an, als ob ich all meinen Models sagen würde, sie hätten etwas falsch gemacht. Tatsache ist, dass sie alle es geliebt haben, bei diesen Aufnahmen mitzuwirken und stolz auf die Fotos sind. Jetzt kommt es vor, dass mir manche Menschen sagen, ich solle mich schämen, weil ich die Frauen erniedrigen würde, während diese Frauen selbst sagen es sei ihre Entscheidung gewesen, diese Bilder machen. Wenn man mir vorhält, ich beute diese Menschen aus, weil ich sie nackt fotografiere, muss ich sagen, dass das eine sehr eingeschränkte Sicht auf ein großes Thema ist.

fotoMAGAZIN: Kannten Sie Fotografen, bei denen Sie sagen, es wurde Zeit, dass gegen diese jetzt härter vorgegangen wird?
Russell James: Sagen wir es mal so: Ich habe Leute gesehen, bei denen es mich nicht überraschte, als nun etwas passierte. Zugleich habe ich aber auch traurigerweise erlebt, dass viele Anschuldigungen im Umlauf waren. Bei der Hälfte davon stellte sich heraus, dass sie berechtigt waren, bei der anderen Hälfte kam nichts raus. Dahinter steckte eine verärgerte Person, die eine Gelegenheit sah, jemandem eins auszuwischen. Diese Karrieren sind für immer zerstört. Das war ein wenig wie damals in der McCarthy-Ära in den USA, als plötzlich hinter jedem ein Kommunist vermutet wurde.

fotoMAGAZIN: Unabhängig von der MeToo-Debatte gab es davor schon einen Trend zu weniger Nacktheit in der Fotografie. Wann fing das alles an?
Russell James: Ich weiß nicht, ob das wirklich angefangen hat. Ich gehe noch immer in Kunstgalerien und ganz ehrlich findet sich dort im Kern immer die Wertschätzung des Aktes. Ob das nun gut oder schlecht ist – er spricht etwas ganz Primitives in uns an. Manche Anti-Haltung mag von einem religiösen Background kommen, andere von einem radikalen Standpunkt. Manche Menschen interpretieren das, was MeToo sein könnte, sehr radikal. Zunächst fing MeToo mit wirklich guten Absichten an, ist aber dann für ganz andere Zwecke missbraucht worden. Es ist Zeit, heute genauer hinzusehen.

fotoMAGAZIN: Haben Sie das Gefühl, Sie müssten Ihre Aktfotos heute mehr erklären?
Russell James: Ich mache jetzt viel weniger Pressearbeit als früher, doch ich freue mich auf die Gelegenheit meine Aktfotos hier zu zeigen. Ich möchte nicht in eine Verteidigungshaltung kommen und es war eine große Entscheidung, diese Bilder zu zeigen. Meine Kinder spielen hier eine große Rolle, ich hatte große Diskussionen mit meiner 20 Jahre alten Tochter.

fotoMAGAZIN: Sind die Akte Ihrer Meinung nach ein wichtiger Bestandteil in Ihrem Œuvre, da die Fotos jenseits von Zwängen der Modebranche entstanden sind?
Russell James: Ich spreche zwar viel über Nacktheit, aber bei diesen Akten handelt es sich tatsächlich um Porträts. Sie wären bei genauer Betrachtung überrascht, wie wenig Nacktheit sich in ihnen findet. Ich habe viele Motive, die nur eine Illusion von Nacktheit vermitteln aber nichts enthüllen. In meinem Werk ist das sicher eine Kategorie, die zu vielen Diskussionen führt. Letztlich sollte jede Diskussion bei dem Unterschied zwischen Ausbeutung und einvernehmlichen Arbeiten enden. Hinter all meinen Fotos steckt mehr als eine bloße Einwilligung – es ist eine Partnerschaft zwischen Model und Fotograf.

„Ich habe viele Motive, die nur eine Illusion von Nacktheit vermitteln aber nichts enthüllen.“

Russell James

fotoMAGAZIN: Was zeichnet Ihrer Meinung nach Toni Garrn als Model besonders aus?
Russell James: Toni ist mir zuerst in Fotos aufgefallen, die Karl Lagerfeld von ihr gemacht hatte. Bei ihr dachte ich sofort: was für eine faszinierende Person mit interessanten Gesichtskonturen. Als ich dann mit ihr sprach, wurde es erst richtig interessant. Sie ist supercool, sehr authentisch. Und als sie dann über ihre Stiftung sprach, merkte ich, dass sie selbst ganz aktiv mitarbeitet. Sie ist ein Mensch, den ich gerne meinen Kids vorstellen wollte.

Toni Garrn

Toni, 2016

Foto: © Russell James / Courtesy of Galerie Camera Work

fotoMAGAZIN: Glauben Sie, dass wir je wieder wegkommen von der heutigen Idee der Perfektion von Schönheit?
Russell James: Es scheint gerade eine Art Revolution in Richtung Anti-Beauty zu geben. Und im gewissen Sinne geht es hier darum, Menschen, die bislang nicht im Fokus standen, neue Möglichkeiten zu geben. Aber ich glaube, es gibt Platz für beides. Denn wenn ich ein Foto von Tom Brady sehe, denke ich keinen Augenblick, dass ich Tom Brady sein könnte. Es hat viel Kritik gegeben nach dem Motto: Du musst den Leuten Vorbilder geben, nach denen sie streben können. Doch wenn ich mir ein Football-Spiel anschaue, möchte ich Tom Brady spielen sehen. Ich bekomme nicht die Möglichkeit in dem Team mitzuspielen, weil da jeder mitspielen kann. Das musst du dir verdienen. Es gibt meiner Meinung nach viele Möglichkeiten, sich auszudrücken.

fotoMAGAZIN: Ich habe allerdings das Gefühl, dass sich bereits Teenager nach Botox und Schönheits-OPs sehnen. Wird das je wieder verschwinden?
Russell James: Ich hoffe es. Das führt uns zurück zu der Verwirrung, die durch die sozialen Medien entstanden ist. Alles, was wir heute sehen, ist eine Form von Collage. Dabei musst du, wenn du gebildet bist, verstehen: Wenn du ein Marketing-Foto siehst, dann versucht jemand, dich zu manipulieren. Es soll nicht real sein, sondern reine Fantasie zeigen, eine seltsame Welt der Mode und Schönheit sein, die nicht wirklich existiert. Das Streben nach Perfektion, die durch den massiven Wunsch nach Selfies angetrieben wird, ist jedoch zweifellos immer da – und ich sehe dabei jetzt förmlich meine Tochter, wie sie ihr Smartphone hochhält …

fotoMAGAZIN: Wie definieren Sie Schönheit?
Russell James: Schönheit kann so vieles sein. Wenn ich eine 70-Jährige im Outback fotografiere, sehe ich solche Schönheit in ihrem Blick, aber auch wenn ich das Model Candice Swanepoel porträtiere, die für mich einer der schönsten Menschen der Welt ist. Ich habe diese Wertschätzung für ganz unterschiedliche Menschen, aber auch für Landschaften. Zusammengefasst: Meine Leidenschaft ist für beides gleich. Wenn ich also figurativ fotografiere, dann muss ich mir das erarbeiten. Es muss zu mir sprechen – und wenn wir das richtig machen, wird es so schön sein, dass die Menschen kommen und jahrelang darüber sprechen.

fotoMAGAZIN: Sie sind seit Jahrzehnten umgeben von hübschen Menschen. Hat das Ihren persönlichen Geschmack beeinflusst?
Russell James: (Lacht) Nicht alle Menschen um mich herum sind hübsch, das kann ich Ihnen sagen. Wie Sie wissen, hängt am Ende vieles vom persönlichen Stil ab, dem Stil eines Menschen. Für mich ist hier mit am einflussreichsten Behati Prinsloo – sie ist wie ein namibischer Hippie. Die ganze Art, wie sie sich stylt und kleidet ist ganz erstaunlich.

fotoMAGAZIN: Was macht Charisma für Sie aus?
Russell James: Meine Rolle als Fotograf ist es, das Charisma eines Menschen jenseits seiner Unsicherheiten zu durchdringen und ein echtes Foto seiner Persönlichkeit zu bekommen. Das kann sehr schwierig sein, wenn viele Schutzwälle ihn umgeben. Wenn Sie mit Leuten arbeiten, die großes Talent besitzen, wie beispielweise der Musiker Ed Sheeran, und ihn Backstage treffen, dann strahlt er pures Charisma und Bescheidenheit aus.

„Meine Rolle als Fotograf ist es, das Charisma eines Menschen jenseits aller Unsicherheiten zu durchdringen und ein echtes Foto seiner Persönlichkeit zu bekommen.“

Russell James

fotoMAGAZIN: Hängt Charisma davon ab, wie jemand aufgewachsen ist?
Russell James: Vielleicht hängt es davon ab, welche Erfahrungen du gemacht hast. Aber ich denke, du kannst auch Charisma entwickeln. Wir alle haben es in uns. Es ist nur die Frage, ob wir die Möglichkeit bekommen, es weiterzuentwickeln.

fotoMAGAZIN: Welche Zukunft haben Print-Magazine?
Russell James: Sie stehen vor einer großen Herausforderung, das ist kein Geheimnis. Es scheint mir allerdings, dass es, genauso wie bei der Analogfotografie, ein Comeback geben wird und Liebhaber des Zeitschriftenformats bleiben. Wer Fotografien liebt, der schaut sich auch Zeitschriften an – davon bin ich überzeugt.

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Toni Garrn (links), Russell James und Ute Hartjen (Board Member Camera Work AG).

Toni Garrn (links), Russell James und Ute Hartjen (Board Member Camera Work AG).

Foto: © Camera Work Gallery

Die Ausstellung: Russell James Fotografien sind bis zum 17. Juni 2023 in der Berliner Galerie Camera Work zu sehen.

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