fotoMAGAZIN: Ihr nächster Bildband wird sich Ihren inszenierten Porträts von Prominenten widmen. Wie kam es zu dem Buchprojekt?
Martin Schoeller: Ich habe ja mit meinen Close-Up-Porträts angefangen, die sich damals von allem abhoben, was es in der Fotowelt gab. Das war Anfang der 90er-Jahre, als plötzlich jeder mit Photoshop arbeitete. Der Trend ging dahin, alles ein wenig zu übertreiben: David LaChapelle, Riesenaufbauten am Set, alles war bombastisch! Meine Close-ups waren eine Art Gegengewicht. Zunächst hatte ich fünf bis fünfzehn Minuten Zeit mit den Prominenten.
Als ich dann immer mehr Erfolg hatte, bekam ich plötzlich ein bis zwei Stunden Zeit. Dadurch konnte ich mehr rumspielen. So machte ich nun nebenher auch Portraits mit Umfeld. Beeinflusst von Kollegen wie David LaChapelle und Helmut Newton begann ich, das Ganze spielerisch anzugehen. Seit 2000 mache ich viele dieser Fotos mit Humor und Sarkasmus. Für meinen Bildband wähle jetzt ich meine Lieblingsbilder dieser Art von Portrait aus.
fotoMAGAZIN: Fühlen sich die Leute wohler, wenn sie beim Porträt in eine Rolle schlüpfen können?
Martin Schoeller: Wenn sie die Rolle mögen, macht das ein Shooting viel einfacher. Deshalb war das beim Lavazza-Kalender ziemlich unkompliziert. Die Spitzen-Köche wussten schon vorab, was sie machen werden. Ich musste nur darauf achten, dass alles natürlich aussieht.
Berühmte Menschen haben oft etwas zu verkaufen, sie haben eine gewisse Rolle, werden von ihren Umfeld auf eine bestimmte Art gesehen. Da schlüpfen sie gerne mal aus ihrer Haut heraus.
fotoMAGAZIN: Hat sich seit den Anfängen von Annie Leibovitz bei der Zeitschrift Rolling Stone etwas in der Art der Porträt-Inszenierung verändert?
Martin Schoeller: Viele Konzepte von damals kommen einem heute ein wenig überlebt vor. Es ist eben schwierig, zeitlose Bilder zu finden. Ein Ansatz von mir ist, mich nicht zu sehr auf irgendwelche Techniken zu beschränken. Mit meinen Close-ups glaube ich, auf einem guten Weg zu sein. Die haben vielleicht in zwanzig Jahren noch eine Berechtigung. Unter meinen anderen Arbeiten sind viele, die mir nicht mehr so spannend vorkommen, wenn ich dieser Tage meine Fotos von 2000 und 2001 sichte.
fotoMAGAZIN: Was finden Sie daran nicht mehr zeitgemäß?
Martin Schoeller: Damals waren die Farben poppiger, zu überzogen, vieles war zu stark beleuchtet. Das wirkte zu künstlich, schon nicht mehr lebensnah. Ich denke, im Moment geht die Fotografie zum Realistischen zurück, weg vom Theatralischen.
fotoMAGAZIN: Ist das nicht die Kunst der Inszenierung: Dinge natürlich erscheinen zu lassen, obwohl ein großer Apparat hinter der Produktion steht?
Martin Schoeller: Das Schwierige ist: Man hat eine Idee, die aufwändig produziert wird. Wenn man später dann ein Foto auswählt, soll es etwas Spontanes haben, eine Leichtigkeit behalten. Hier war Helmut Newton ein Meister. Seine Bilder sind oft stark inszeniert, aber man hinterfragt sie nicht. Sie haben eine gewisse Zufälligkeit.
Dieses Interview ist im fotoMAGAZIN 1/2014 erschienen.
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