Dieser Beitrag besteht aus vier Artikeln. Der erste ist ein allgemeiner Artikel zur Geschichte der Fotografie. Danach finden Sie
- Von der Daguerreotypie bis zu modernen Sensoren,
- Meilensteine der Fotografie und
- Die Verschmelzung von Video und Foto.
Alles, was Sie über Fotografiegeschichte wissen müssen.
Am 19. August feiert der „World Photography Day“ die Kunst, das Handwerks, die Wissenschaft und die Geschichte der Fotografie. Seit dem frühen 19. Jahrhundert bietet die Fotografie die Möglichkeit besondere Augenblicke einzufangen, Kunstwerke zu erschaffen, wichtige Ereignisse festzuhalten, die Umwelt zu dokumentieren und die eigene Persönlichkeit auszudrücken. Dabei hat die Fotografie in den letzten zwei Jahrhunderten viele Phasen durchlaufen und sich stetig weiterentwickelt: Vom ersten Foto über Visitenkartenbilder, den Anfang der Reisefotografie und die Gruppe f/64 bis hin zu Instagram & Co.
Ein Artikel von Hans-Michael Koetzle, Anja Martin und Manfred Zollner
Das 19. Jahrhundert – Die Anfänge des Mediums
Die Zeit der Pioniere. Konkurrenz der Positiv-Negativverfahren, topographische Interessen, Kampf um künstlerische Anerkennung. Erfolg des Portraitsfotos und die Anfänge der sozialdokumentarischen Fotografie.
Das erste Foto
Die ersten heute bekannten Fotos machte J.N. Niépce ab 1825. Er belichtete asphaltbeschichtete Platten mehrere Stunden lang, nannte sein Verfahren Heliographie. Um es zu verbessern, schloss er sich mit dem geschäftstüchtigen Louis Jacques Mandé Daguerre zusammen, der später Ruhm und Reichtum für die Erfindung der Fotografie für sich beanspruchen sollte. Übergangen wurde auch der Staatsbeamte Hippolyte Bayard mit seinem Direkt-Positiv-Verfahren. Noch ein Pionier hatte zeitgleich die Fotografie erfunden: Der Brite William Henry Fox Talbot machte 1835 das erste Negativ, doch erst 1841 meldete er seine Kalotypie zum Patent an.
Das erste Foto-Buch – The Pencil of Nature
Natürliche Objekte ohne Bleistift abbilden – das war nach W. H. Fox Talbot das Verdienst der Fotografie. "The Pencil of Nature" nannte er denn auch sein 1944-1946 herausgegebenes Buch, in das er 24 Kalotypien klebte.
Das erste gestellte Foto – Hippolyte Bayard
Mit Bildern anklagen – diese Möglichkeit der Fotografie nutzte einer ihrer verkannten Pioniere bereits 1840. Hippolyte Bayards Direkt-Positiv-Verfahren auf Papier war neben dem Hype um die Daguerreotypie übersehen worden. Mit "Selbstportrait als Ertrunkener" gibt er vor, ins Wasser gegangen zu sein, weil die französische Regierung nichts für seine Erfindung übrig gehabt hätte.
Statussymbol Portrait
1839 öffneten die ersten Fotostudios – noch war Portraitiertwerden eine Tortur. Man musste mehrere Minuten die Augen aufsperren, Kopf und Körper in Stützen einlegen. Mit lichtstärkeren Objektiven und lichtempfindlichen Platten verkürzte sich die Zeit, und das Portraitfoto wurde zum Statussymbol und später zum Massenartikel. Nadar eröffnete 1853 in Paris eins der berühmtesten Studios, machte es zum Treff der Bohème, fotografierte u.a. Victor Hugo. Weitere bekannte Portraitisten: Etiénne Carjat und Mathew Brady.
Visitenkartenbilder
Fotos auf das damals übliche Visitenkartenformat (6 x 9 cm) zu verkleinern, war die Idee von Adolphe Eugène Disdéri, die er sich 1854 patentieren ließ. Man gab sie statt der normalen Visitenkarte aus und sammelte sie wie heute Autogrammkarten. Die Vertreter der europäischen Königshäuser ließen sich genauso ablichten wie Berühmtheiten der Zeit. Disdéris "Carte de Visite" von Napoléon III. wurde innerhalb von drei Monaten 70.000 Mal verkauft.
Stereofotografie
Auf dem Tisch eines bürgerlichen Salons fand sich neben dem Visitenkartenalbum meist auch ein Stapel Stereokarten. Fremde Länder, berühmte Städte, Baudenkmäler und nackte Frauen in 3D zu betrachten, wurde zur leichten Muse, die der Fotografie das Manko der Eindimensionalität nahm. Das Prinzip: Zwei perspektivisch leicht verschobene Fotos werden im Kopf zu einem addiert. Die Präsentation auf der Weltausstellung 1951 und das Interesse Königin Victorias lösten einen Stereo-Boom aus.
Maler mit der Kamera
Konkurrenz und gegenseitige Abhängigkeit kennzeichneten lange das Verhältnis von Fotografie und Malerei. Einerseits nutzten Künstler Fotos als Vorlagen, andererseits versuchten viktorianische Fotografen, die Bildsprache der Gemälde zu kopieren. Gustave Le Gray, Oscar G. Rejlander und Henry R. Robinson verfügten gar über eine Ausbildung als Maler. Auf der Suche nach dem Schönen versuchten sie, die Realitätstreue der Fotografie zu überwinden. Sie nutzen u.a. die Kombinationstechnik, die mehrere Negative zusammenfügte.
Le Gray sandwichte Wolkenhimmel in seine Flottenbilder. Rejlander kombinierte allegorische Bühnenszenen. Auch Julia Margaret Cameron wollte das Wirkliche mit dem Idealen verbinden – und den Portraits ihrer einflussreichen Freunde und in Kostümbildern im Stil der Präraffaeliten. Weitere Portraitisten der Zeit: Lewis Carroll, Autor von "Alice im Wunderland", David Octavius Hill & Robert Adamson.
Der frühe Akt
Das Aktstudium mit dem Pinsel hatte bereits eine lange Tradition. Doch wie mit Aktfotos umgehen? Das Auge der Kamera schien weniger distanziert als das Auge des Malers. So wurde der fotografische Blick auf den Körper bald verboten, und Aktfotografen blieben meist anonym.
Der Beginn der Reisefotografie
Seit den fünfziger Jahren kam das Reisen in Mode: Man besuchte die Kolonialgebiete oder ging auf Grand Tour. Und Zuhausegebliebene verlangten nach Erfahrungsersatz. So zogen Fotografen schwer bepackt mit Glasplatten, Dunkelkammerzelt und Chemikalien in die Ferne: Francis Firth nach Ägypten und Palästina, Samuel Bourne nach Indien, John Thomson nach China und Südostasien.
Felice A. Beato nach Japan und Francis Bedford als offizieller Reisefotograf des Prince of Wales in den Nahen Osten. Von den Glasnegativen ließen sich große Mengen Abzüge machen, die direkt verkauft oder in Reisebücher geklebt wurden.
Bilder vom Krieg
Roger Fenton hat als erster Fotograf einen Krieg ausführlich dokumentiert. Die britische Krone schickte ihn 1855 auf die Krim, damit er im Stil der Schlachtenmaler ein positives Bild zeichne. Belichtungszeiten von drei bis zwanzig Sekunden und die schwere Ausrüstung erlaubten lediglich Bilder von leblosen Schlachtfeldern und Soldatenportraits. Authentischeres lieferte da bereits der amerikanische Bürgerkrieg. Mathew Brady schickte einen ganzen Trupp Fotografen in den Kampf, darunter Timothy O'Sullivan und Alxander Gardner.
Neue Landschaften
Im Jahrzehnt nach dem Krieg erwachte das Interesse der Natur des amerikanischen Westens. O'Sullivan verewigte 1871 den Grand Canyon, Carleton Watkins schuf Panoramen von Yosemite. Mit ihren Bildern ebneten sie auch den Weg zu späteren Nationalparkgründungen. In Europa suchten Fotografen Neuland in der Höhe: Die Brüder Bisson etwa erkundeten das Montblanc-Massiv.
Sozialdokumentation
Einer der Ersten, die Lebensumstände mit Fotos beschreiben, war in den Achtzigern der Journalist Jacob A. Riis. Sein Thema: Armut und Elend in New Yorker Slums. John Thomson, eigentlich Reisefotograf, nahm sich des Londoner Straßenlebens an. Einer der berühmtesten Sozialdokumentare aber was Lewis W. Hine, der u.a. Kinderarbeit in Nordamerika fotografierte, wofür er seine Kamera schon mal in der Brotbüchse versteckte. Dokumentarisch, aber weniger investigativ arbeitete Eugène Atget in Paris.
Lewis W. Hine
Eugène Atget
Der Fotojournalismus
Weltweit wurden seit den sechziger Jahren wichtige Ereignisse fotografisch dokumentiert. In Zeitungen mussten sie allerdings noch als Holzschnitte und Lithografien erscheinen. Den Durchbruch brachten das Rasterbild und die Autotypie 1881. Innerhalb eines Jahrzehnts wurde das Zeitungsfoto zum Standard der Berichterstattung.
Auf Knopfdruck
"You press the button. We do the rest", so die Idee von George Eastman, der 1888 die Kodak Nr. 1 auf den Markt brachte: eine kleine, leichte Boxkamera mit Fixfokusobjektiv. Zum Entwickeln schickte man die ganze Kamera mit dem Film ein, bekam sie gelandet zurück. Fehlende Köpfe oder Beine waren keine Seltenheit, da die Kamera noch keine Sucher hatte. Mit ihr war der Schnappschuss geboren und die Ära der Amateure angebrochen.
Druckverfahren im 19. Jahrhundert
Zunächst waren Daguerreotypien die beliebteste Form der Abbildung: spiegelnde Unikate auf silberbeschichteten Kupferplatten, fein gezeichnet und scharf. Man bewahrte sie in samtgefütterten Etuis unter Glas auf. Nachteil: Es waren Unikate, nicht vervielfältigbar, empfindlich und teuer. So machten schließlich Papierabzüge das Rennen, die zuerst wegen der Schemenhaftigkeit der Salzpapierprints/Kalotypien ins Hintertreffen geraten waren.
Ab 1850 gab eine Albumin(Eiweiß)-Schicht den Abzügen Brillanz. In der größten Albuminpapierfabrik der Welt, in Dresden, schlug man pro Tag über 60.000 Eier auf. Abgelöst wurden diese populärsten Fotopapiere des 19. Jh. Erst vom Gelatinepapier (Aristopapier). Die künstlerische Fotografie verlor sich geradezu in verschiedenen Printarten.
Um 1900 waren weit über hundert Edeldruckverfahren bekannt. Die gängigsten: Kohledruck/Pigmentdruck, bei dem eingelagerte Kohlestoff- oder Pigmentpartikel das Bild erzeugen. Haltbares Platin ersetzt das Silber beim Platindruck: exklusiv und nuancenreichen. Dem steht der eher malerische Gummidruck gegenüber: Durch Sonnenlicht entsteht ein pigmentiertes Gummiarabikum-Relief. Als eines der letzten Verfahren etabliert sich der Bromöldruck, bei dem ein Bromsilber-Gelatine-Bild mit Ölfarbe eingestrichen und abgezogen wird.
Das 20. Jahrhundert – Der Weg zum Massenmedium
Fotografie wird ein Massenmedium im Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit und etabliert sich als künstlerische Ausdrucksform auf dem Weg zur Moderne.
Pictorialismus
Auch "Kunstfotografie". Internationale Bewegung ambitionierter Liebhaberfotografen mit dem Ziel einer ästhetischen Erneuerung des Mediums. Kernzeit zwischen 1890 und 1920. In Themen (u. a. Landschaft, Gerne und Portrait) sowie Verfahren (Bromöldruck, Gummidruck etc.) Annäherung an die Tafelmalerei. International führend die New Yorker "Photo-Secession" unter Alfred Stieglitz.
Russische Avantgarde
Allgemein für den Aufbruch der Künste im postrevolutionären Russland (Stichwort "Konstruktivismus"). Malerei, Grafik, Fotografie im Dienst einer neuen, gesellschaftlichen Belangen verpflichteten Gebrauchskunst. El Lissitzky und Alexander Rodtschenko als wichtigste Vertreter der bis Mitte der 20er-Jahre international einflussreichen Richtung.
Bauhaus
Bedeutendste Kunstgewerbeschule in Deutschland der Zwischenkriegszeit. 1919 in Weimar gegründet. 1925 Neubau und Umzug nach Dessau. 1933 geschlossen. Ab 1929 Fotoklasse unter Walter Peterhans. Theoriebildung Durch Moholy-Nagy. Pflege des Erbes durch das Bauhaus-Archiv, Berlin.
Surrealismus
Internationale Bewegung von Literaten, Malern oder Fotografen (ab 1924). Man Ray als bekanntester Protagonist. Im Zentrum des Interesses: Die Erkundung des Unterbewussten bzw. Imaginären mittels innovativer Praktiken wie Fotogramm, Mehrfachbelichtung, Solarisation. 1936 wichtige Zwischenbilanz im Museum of Modern Art, New York.
Neue Sachlichkeit
Engl. "Straight Photography". Bezeichnung für eine fotografische Haltung, die malerische Effekte ausschließt und ganz auf die Eigengesetzlichkeit des Mediums baut. Begriff von G. Hartlaub (1925). Programmatische Buchtitel dieser Richtung u.a. "Die Welt ist schön" (Albert Renger-Patzsch), "Urformen der Kunst" (Karl Blossfeldt) oder "Antlitz der Zeit" (August Sander).
Photo League
Einflussreiche Gruppe engagierter Sozialdokumentaristen 1928-1951 mit Sitz in New York. Fotokurse durch Sid Grossman und Sol Libsohn. Mitglieder u.a. Walter Rosenblum, Arthur Leipzig & Dan Weiner.
Gruppe f/64
1932 von Ansel Adams, Imogen Cunningham und Edward Weston gegründete, bedeutendste Fotografengruppe der amerikanischen Westküste. Das technische Kürzel (für die kleinste scharf abbildende Blende) als Hinweis auf eine von den Prinzipien der "Neuen Sachlichkeit" geleiteten Kunstfotografie.
Edward Weston
Fotografie und Propaganda
Professionelle und in nicht gekannter Weise effektive Indienstnahme der Fotografie durch die Kommunisten und Faschisten um 1930. Verbreitung der politischen Botschaften u.a. durch gestalterisch innovative Zeitschriften wie "UdSSR im Bau" (1931-1941) und "Signal" (1940-1945).
Farm Security Administration
Walker Evans, Dorothea Lange, Arthur Rothstein, Gordon Parks als wichtigste Vertreter der 1937 gestarteten "New Deal"-Foto-Enquête mit dem von Roy Stryker formulierten Ziel, die (nach Börsenkrach und Dürreperiode) grassierende Armut im US-amerikanischen Süden öffentlich zu machen.
New Deal
New York School
Von Jane Livingston geprägte Sammelbezeichnung für die wirkungsmächtige Fotoavantgarde im New York der 40er- und 50er-Jahre, u.a. Richard Avedon, Irving Penn, Diane Arbus, William Klein, Lisette Model.
Subjektive Fotografie
Programmatischer Titel dreier Weg weisender Ausstellungen im Deutschland der 50er-Jahre. Initiiert von Otto Steinert als Versuch, an die experimentellen Tendenzen der 20er-Jahre anzuknüpfen.
Magnum
Bedeutende Fotografenkooperative mit Zentrale in Paris. 1947 von Robert Capa, David Seymour, George Rodger und Henri Cartier-Bresson gegründet. Die Wahrung der Autorenrechte im Zentrum der Charta.
Family of Man
Bedeutendes, in jedem Fall folgenreichste Fotoausstellung der Nachkriegszeit. Konzipiert von Edward Steichen. 1955 im Museum of Modern Art (New York) eröffnet. Ungeachtet zum Teil heftiger Kritik an einer alle Unterschiede nivellierenden Ideologie des "Allgemein Menschlichen" weltweit von über neun Mio. Menschen gesehen.
New Topographics
Ein neuer Blick auf die (zersiedelte, verwunderte, zerstörte) Landschaft. Programmatische Ausstellung gleichen Titels 1975 im George Eastman House mit neun Künstlern, u.a. Robert Adams, Lewis Baltz, Bernd & Hilla Becher.
New Color Photography
Titel einer 1981 von Sally Eauclaire kursierten Ausstellung und des dazugehörigen Katalogs. Heute international geläufiges Label für seit den späten 60er-Jahren künstlerisch arbeitende Farbfotografen der zweiten und dritten Generation (William Eggleston, Joel Meyerowitz, Stephen Shore, Nan Goldin).
William Eggleston
Contemporary German Photography
Spätestens seit dem von Art Director Markus Rasp 1997 edierten gleichnamigen Band international gebräuchlicher Begriff für einen neuen, am Bildschaffen der Amateure geschulten, häufig private Gestimmtheit thematisierender Trend in der zeitgenössischen deutschen Fotografie (meist Farbe).
Becher Schule
Inoffizielles Label für einen neuen, konzeptionellen Dokumentarismus im Deutschland der 80er- und 90er-Jahre. Prominent vertreten durch Bernd Becher (als Lehrer in Düsseldorf) und dessen international erfolgreiche Schüler (u.a. Andreas Gurksy, Thomas Ruff, Thomas Struth, Candida Höfer).
Das 21. Jahrhundert – Matrix Reloaded: Das digitale Zeitalter
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts prägt die digitale Revolution die künstlerische Auseinandersetzung und unsere Idee des Realen. Fokus: Reproduktion, mediale Verflechtung und der Trend zur Inszenierung.
Appropriation Art
Begriff der neueren Kunstdebatte. Bezeichnung für künstlerische Strategien, (fremdproduzierte) Objekte, Bilder oder Texte aus ihrem angestammten Zusammenhang zu lösen und in einen neuen Kontext zu überführen, etwa Christian Boltanski, Richard Prince oder Peter Piller.
Staged Photography
Inszenierte Fotografie. Zentraler Trend in der Fotokunst der 80er-Jahre, erlebt im digitalen Zeitalter ein Revival. Das gefundene, erhaschte Bild wird abgelöst durch minutiöse Inszenierungen für die Kamera. Vertreter u.a. Cindy Sherman, Sandy Skoglund, Bernard Faucon. Wichtige Ausstellung: "Das konstruierte Bild" (1995).
Einfluss des Digitalen
Nutzung digitaler Möglichkeiten, aber auch thematische Reflexion medialer Veränderungen (& in der Folge neuer Wahrnehmung) durch Fotokünstler wie Gurksy, Struth, Roland Fischer, Loretta Lux seit den 90er Jahren. Erste Bilanz digital generierter Bilder in der Ausstellung "Fotografie nach der Fotografie" (1995).
Werbekunst
Wechselseitige Befruchtung von Kunst und Werbung seit dem Konstruktivismus (nach 1920) bzw. Pop Art (nach 1960). Viel diskutiert die Aneignung journalistischer Bilder durch Oliviero Toscani für Benetton.
Foto, Film & Video
Mediale Grenzgänger der Avantgarde: Fotografen filmen (Robert Frank, William Klein), Filmemacher fotografieren (Stanley Kubrick, Wim Wenders), Künstler arbeiten in Sequenzen (Duane Michals). Man definiert sich nicht über das Medium, sondern über Inhalte.
Robert Frank
Instagram & Co.
Heute fotografieren mehr Leute als je zuvor - Smartphones sind daran nicht ganz unbeteiligt. Die darin verbauten Kameras werden immer besser und die digitalen Begleiter prägen das alltägliche Leben. Zudem kann auf Plattformen wie Instagram und Facebook ein jeder mit Internetzugang seine Handy-Schnappschüsse aber auch hochwertige Fotografien mit der ganzen Welt teilen.
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Anlässlich unseres 65-jährigen Bestehens blickten wir in der Ausgabe fotoMAGAZIN 06/2014 auf die Geschichte der Fotografie zurück. Dafür entstanden die folgenden Artikel.
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Von der Daguerreotypie bis zu modernen Sensoren
Eine rasante und erstaunliche Entwicklung: Die Fotografie ist im Vergleich zu ihren Anfangsjahren kaum wiederzuerkennen. Wir zeichnen die Geschichte der Fotografie samt ihrer technischen Entwicklungen nach und zeigen, wohin die Reise in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gehen könnte.
Text: Andreas Jordan
Anfang Januar 1839 präsentierte der durch seine Bühnenbilder und Dioramen bekannt gewordene Maler Louis Daguerre an der Pariser Akademie für Wissenschaften sein Verfahren zur Erzeugung eines dauerhaften fotografischen Abbildes. Gegen eine Leibrente kaufte die französische Regierung Daguerre diese Erfindung ab und machte sie am 19. August 1839 als „Daguerreotypie“ ohne Lizenzgebühren der Öffentlichkeit zugänglich.
Dieser Tag gilt als Geburtsstunde der Fotografie, obwohl Daguerres Partner Joseph Nicéphore Niépce schon 1826 einen Blick aus seinem Arbeitszimmer fotografisch auf einer asphaltbeschichteten Zinnplatte festgehalten hatte – die Belichtungszeit dieser „Heliotypie“ betrug über acht Stunden.
Daguerreotypien mussten in den Anfangsjahren nur noch mehrere Minuten statt mehrere Stunden belichtet werden. Sie waren allerdings nach wie vor Unikate – eine Vervielfältigung war zunächst nicht möglich. Fotografische Abzüge ermöglichte erstmals die von dem Engländer William Henry Fox Talbot 1840 vorgestellte Kalotypie (auch als Talbotypie bezeichnet), das erste Negativ-Verfahren. Bald waren auch die ersten kommerziellen Fotoapparate verfügbar.
Die Geschichte der Fotografie: Was folgte nach den ersten Schritten?
Daguerres Schwager Alphonse Giroux baute Daguerreotypie-Kameras, welche aus zwei Teilen bestanden, die gegeneinander verschoben werden konnten, um eine Entfernungseinstellung vorzunehmen.
In den Folgejahren beschleunigte sich die Entwicklung der Fototechnik immer mehr. So konstruierte der in Österreich lebende Mathematiker Joseph Maximilian Petzval 1840 ein für damalige Verhältnisse ungewöhnlich lichtstarkes 100-mm-Portraitobjektiv mit der vergleichsweise großen Blendenöffnung 1:3,6. Das Petzval-Objektiv wurde von Voigtländer gebaut – bis 1862 sollen weltweit 60.000 Stück verkauft worden sein. Erst kürzlich wurde es im Rahmen eines Kickstarter-Projekts als „Lomography x Zenit Petzval“ neu aufgelegt.
Auch das fotografische Material wurde immer lichtempfindlicher und schon Anfang der 40er-Jahre waren Belichtungszeiten von wenigen Sekunden möglich. 1871 erfand Richard Leach Maddox die Gelatine-Trockenplatte, die um den Faktor 100 empfindlicher war als die bis dahin üblichen Kollodium-Nassplatten. In den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts gelangen Eadweard Muybridge mit Hilfe mehrerer Kameras und mechanischer Verschlüsse erstmals Bewegungsstudien von Pferden – der Beginn der Serienbildfotografie.
Aufnahmeformate werden immer kleiner
In der Anfangszeit der Fotografie war das Aufnahmemedium genau so groß wie das fertige Bild. Entsprechend sperrig waren auch die verwendeten Plattenkameras.
Kodaks Boxkameras, welche die Fotografie Ende des 19. Jahrhunderts popularisierten, verwendeten zwar bereits Rollfilm, allerdings waren die Negative noch 60x90 mm groß und wurden nicht vergrößert. Erst mit der Erfindung des Kleinbildes in der Leitz Camera (Leica) durch Oskar Barnack 1914 hielt die Vergrößerung auf breiter Basis Einzug in die Fotografie.
Die Skepsis gegenüber dem für die damaligen Verhältnisse mit 36x24 mm sehr kleinen Negativ war anfangs groß, die überraschend guten Vergrößerungen überzeugten in der Praxis allerdings die meisten Skeptiker. Vor allem aber überwogen die praktischen Vorteile: Die vergleichsweise kleinen Kameras und Objektive ermöglichten eine völlig neue Art der Fotografie – mobil, komfortabel und unauffällig.
Nachdem Leitz die Leica 1924 auf der Leipziger Frühjahrsmesse der Öffentlichkeit präsentiert hatte, begann der Siegeszug des Kleinbilds und das „Leica-Format“ entwickelte sich für die meisten Amateure und Profis – vor allem in der Reportage-Fotografie – zum fotografischen Standard; bis heute werden die von Objektiven an Digitalkameras mit kleineren Sensoren erfassten Bildwinkel gerne als „kleinbildäquivalente Brennweite“ angegeben.
Digitalfotografie ändert alles
Heute erscheint uns das Kleinbild groß. Mit der Digitalisierung hielten noch einmal deutlich kleinere Aufnahmeformate Einzug in die Fotografie. Die meisten Kompaktkameras nutzen Bildsensoren mit dem Formfaktor 1/2,3 Zoll (ca. 6,2x4,7 mm) und bei den höherwertigen Modellen 1/1,7 Zoll (ca. 7,5x5,7 mm); in Fotohandys befinden sich sogar häufig noch kleinere Sensoren.
Gute Kameras mit 1/2,3-Zoll-Sensoren, wie die Pentax Q10, machen in den niedrigen ISO-Stufen Bilder, die auch im A4-Format oder auf großen Monitoren vorzeigbar sind. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass das Ausgangsbild auf dem Bildsensor für einen A4- Print um den Faktor 200 vergrößert wird.
Die Vorteile deutlich größerer Sensoren erschließen sich meist erst in den höheren ISO-Stufen oder wenn für Highend-Ansprüche sehr hohe Auflösungen benötigt werden. Für die meisten Amateur- und viele Profifotografen liefern Micro-Four-Thirds- (17,3x13 mm) und APS-C-Sensoren (ca. 24x16 mm) heute hervorragende Bildergebnisse, die weit besser sind als das analoge Kleinbild.
Das digitale Vollformat mit Kleinbildabmessungen bietet für höchste Profi-Ansprüche noch etwas mehr Spielräume (Auflösungen bis 36 Megapixel, rauscharme Aufnahmen auch noch bei ISO 6400), das Mittelformat mit Sensorgrößen bis 53,7x40,4 mm und Auflösungen bis 80 Megapixeln bleibt primär Studioanwendungen in der Werbe- oder Modefotografie vorbehalten. Möglich wird die hohe Qualität auch bei kleinen Sensoren durch permanente Fortschritte bei CMOS- oder CCD-Sensoren, der Auslese-Elektronik und der digitalen Bildaufbereitung.
Heutige APS-C-Kameras mit 16 bis 24 Megapixeln liefern nicht nur höher aufgelöste Bilder als die ersten 6-Megapixel-SLRs für den Massenmarkt vor zehn Jahren, sondern rauschen auch deutlich weniger. Und selbst die sehr kleinen Bildsensoren in Smartphones machen immer bessere Aufnahmen, die in manchen Situationen sogar von Profis genutzt werden.
Werden große Bildsensoren durch technische Verbesserungen also zunehmend überflüssig? Nicht unbedingt. Im Massenmarkt dürften in den nächsten Jahren weiter Smartphones Kompaktkameras und vielleicht sogar Einsteiger-Systemkameras ersetzen. Anspruchsvolle Fotografen werden aber wohl weiterhin für die beste Bildqualität auch bei schlechten Lichtverhältnissen und den kreativen Spielraum beim Spiel mit der Schärfentiefe auf größere Sensoren setzen. Entscheidende Innovationen könnten sich aber in Zukunft in anderen Bereichen abspielen.
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Meilensteine der Fotografie
Von Niépce bis zur Lumix G1
Die Fotografie ist im Vergleich zu ihren Anfangsjahren kaum wiederzukennen. Wir zeichnen in Meilensteinen diese technische Entwicklung nach.
Text: Andreas Jordan
1826
Der Franzose Nicéphore Niépce hält ein Bild auf einer lichtempfindlichen Schicht fest ("Blick aus dem Arbeitszimmer"). Es handelt sich um die älteste erhaltene Photographie.
1839
Die von Louis Daguerre begründete Daguerreotypie wird offiziell an der Pariser Akademie der Wissenschaften der Öffentlichkeit vorgestellt.
1840
William Henry Fox Talbot perfektioniert in England sein Positiv-Negativ-Verfahren, an dem er seit 1835 arbeitet: Die Kalotypie ermöglicht beliebig viele Kopien.
Der slowakische und in Wien lebende Mathematiker Joseph Maximillian Petzval konstruiert erstmals ein Objektiv nach optischen Gesetzen und mit einer hohen Lichstärke von 1:3,6.
1871
Richard Leach Maddox erfindet die Gelantine-Trockenplatte mit deutlich höherer Empfindlichkeit als bisherige Kollodium-Nassplatten.
1878
Der Engländer Eadweard Muybridge erstellte Bewegungsstudien von gallopierenden Pferden.
1888
Das amerikanische Unternehmen Kodak macht die Fotografie mit seinen Boxkameras auf Rollfilmbasis populär und bietet einen Entwicklungsservice an. Das berühmte Kodak-Motto lautet "You press the button, we do the rest".
1914
Oskar Barnack, Leiter der Entwicklungsabteilung der Firma Leitz in Wetzlar, stellt den Prototypen einer Kamera auf Kleinbildbasis fertig. Die Kommerzialisierung der Leitz Camera (Leica) wird wegen des Ersten Weltkrieges zunächst nicht weiter verfolgt. Die Leica kommt erst 1925 auf den Markt.
1932-34
Anfänge der japanischen Fotoindustrie: Nikon stellt 1932 erste Kameraobjektive her, Fuji Photo Film 1934 Kinofilm.
1935/1936
Kodak und Agfa bringen die ersten Kleinbild-Dreifarbenfilme auf den Markt. Schon 1935 kommt der "Kodachrome", 1936 folgt der "Agfacolor neu".
1936
Die Kine-Exakta von Ihagee aus Dresden ist die erste Kleinbild-Spiegelreflexkamera.
1947
Das von Edwin Herbert Land entwickelte Polaroid-Sofortbild wird der Öffentlichkeit vorgestellt
1963
Das japanische Unternehmen Canon zeigt auf der Photokina den Prototyp einer Autofokus-Kamera. Technische Innovationen kommen nun zunehmend aus Japan.
1975
Die erste funktionsfähige Digitalkamera wird von Steve Sasson bei Kodak entwickelt. Sie wiegt 3,6 Kilogramm und erzeugt Schwarzweiß-Bilder mit 10.000 Pixeln.
1978
Die Konica C35 AF ist die erste Autofokus-Sucherkamera. Erst in den 80er-Jahren setzt sich der Autofokus auch in Spiegelreflexkameras durch (1985: Minolta 7000).
1981
Sony stellt mit der Mavica eine Spiegelreflexkamera vor, die mit einem CCD-Sensor arbeitet und Videostandbilder analog auf Diskette speichert. Später brachten auch andere Hersteller Still-Video-Kameras, Canons RC-701 wurde 1984 bei den olympischen Spielen eingesetzt.
1991
Kodak bringt die erste volldigitale Spiegelreflexkamera DSC-100 auf den Markt. Das auf der Nikon F3 basierende Modell verwendet einen Sensor mit 1,3 Megapixeln.
Der Logitech Fotoman ist die erste Digitalkamera für den Massenmarkt, sie liefert allerdings nur Schwarzweiß-Bilder und hat keinen Monitor. In den Folgejahren kommen die ersten Farbdigitalkameras mit Display von Casio, Fuji, Kodak und Apple auf den Markt.
1999
Nikon bringt mit der D1 seine erste selbstentwickelte digitale Spiegelreflexkamera für professionelle Fotografen. Die Kamera besitzt einen CCD-Sensor mit 2,6 Megapixeln.
In Japan kommen die ersten Fotohandys auf den Markt. In Deutschland sind Mobiltelefone mit Kamera erst ab 2002 erhältlich.
2008
Panasonic stellt auf der Photokina die erste spiegellose Systemkamera Lumix G1 vor.
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Die Verschmelzung von Video und Foto
Vom Video zur Cinephotography
Video wurde in Fotokameras lange stiefmütterlich behandelt. Mit neuen Kameras und der 4K-Aufzeichnung wird das Bewegtbild nun auch für Fotografen immer interessanter.
Text: Andreas Jordan
Ein Film ist nichts anderes als die Aneinanderreihung von einzelnen Fotos. Und so verwundert es nicht, dass Film und Fotografie von jeher eng miteinander verwandt sind. Schon Eadweard Muybridge präsentierte seine Serienbilder 1879 mit dem von ihm erfundenen Zoopraxiskop als projiziertes Daumenkino.
Gut 30 Jahre später suchte Oskar Barnack von der Firma Leitz einen Weg, um die Empfindlichkeit von Kinofilm zu überprüfen. Das Leica-Kleinbildformat (36x24 mm) entstand aus der Verdoppelung des 35-mm-Kinofilms. Auch die Digitalfotografie entwickelte sich aus dem Video. Bevor in den 90er-Jahren die ersten Digitalkameras auf den Markt kamen, wurden bereits CCDs in Camcordern eingesetzt. Die in den 80er-Jahren aufkommenden Still-Video-Kameras speicherten elektronisch erzeugte Videostandbilder noch analog, die Digitalisierung fand nachträglich am Computer statt.
Von HD zu 8K
Lange Zeit wurde die Videoaufzeichnung in Digitalkameras eher stiefmütterlich behandelt. Bis 2003 nahmen die meisten Kameras Filme nur mit QVGA-Auflösung (320x240 Pixel) und als sehr kurze Sequenzen auf. In Spiegelreflexkameras hielt die Videoaufzeichnung 2008 mit der Nikon D90 und der Canon EOS 5D Mark II Einzug.
Canon war zwar etwas später dran, hatte dafür aber gleich die volle HD-Auflösung (1920x1080 Pixel) an Bord. Die EOS löste eine technische Revolution aus, mit der Canon wohl selber nicht gerechnet hatte. Der Vollformat-Sensor ermöglichte das preiswerte Filmen mit „Kino-Look“, also selektiver Schärfe. Hinzu kam die Lowlight-Fähigkeit und die riesige Objektivauswahl der Spiegelreflexkameras. Über den fehlenden oder mangelhaften Live-View-Autofokus sehen die meisten Videografen hinweg – viele Profis ziehen die Schärfe manuell. Besser sieht es mit dem Video-Autofokus in spiegellosen Systemkameras aus.
Vor allem Panasonics Lumix-GH-Reihe war von Anfang an bei Filmern beliebt. Die Lumix GH4 zeichnet als erste Fotokamera mit 4K-Auflösung auf, also rund acht Megapixeln – die Standbilder aus dem Videostream sind für A4-Prints geeignet.
Das für seine Kinokameras bekannte amerikanische Unternehmen Red bezeichnet die Verschmelzung von Video und Foto als „Cinephotography“. So sind bereits Cover von Magazinen wie „Vogue“ mit Videokameras aufgenommen worden. Die neue für Foto und Video gedachte 6K-Kamera Epic Dragon ist mit Wechselbajonett ausgestattet (unter anderem für Canon- und Nikon-Objektive) und gibt Bilder mit 19 Megapixeln aus.
Doch auch 4K und 6K sind noch nicht das Ende der Fahnenstange. Zu den Sommerspielen 2020 in Japan will der Sender NHK den 8K-Regelbetrieb (33 Megapixel) starten. Trotz der Verwandtschaft stellt Video für Fotografen einen Paradigmenwechsel dar. Der berühmte „entscheidende Moment“, der ein gutes Foto ausmacht, verlagert sich damit vom Drücken des Auslösers in die Postproduktion. Viele Fotografen mag bei dieser Vorstellung das Grauen überkommen und sicher wird Video nicht überall das Foto ablösen – in manchen Bereichen aber sicher.
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