Bislang ist man davon ausgegangen, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts lediglich in Frankreich und England mit fotografischen Verfahren experimentiert wurde – erst nach der offiziellen Vorstellung der Daguerreotypie am 19. August 1839 in Paris begann der Siegeszug des Mediums auch in Deutschland.
Die wiederentdeckten und nun vorgestellten Fotografien stammen von Franz von Kobell und sie werden in den Sammlungen des Deutschen Museums aufbewahrt. Die Museumswissenschaftlerin Cornelia Kemp hat die Bilder untersucht und herausgefunden, dass das älteste auf März 1837 datiert ist. Das vier mal vier Zentimeter große Blatt zeigt die Frauenkirche in München. In ihrem neuen Buch „Licht – Bild – Experiment. Franz von Kobell, Carl August Steinheil und die Erfindung der Fotografie in München“ schildert sie, dass Kobell eben schon zwei Jahre vor der offiziellen Erfindung der Fotografie Salzpapier-Negative angefertigt hat. Positivabzüge sind aus diesen Negativen nicht möglich, weil das Papier dafür zu dick ist – es kann kein Licht durch sie hindurch scheinen und somit ein weiteres Blatt Papier belichten.
Offensichtlich verlor Kobell unmittelbar nach seiner Erfindung das Interesse daran und sprach zwei Jahre lang mit niemandem darüber. Erst als 1839 in Frankreich die Daguerreotypie vorgestellt wurde, berichtete er der Bayrischen Akademie der Wissenschaften von seiner Entdeckung. Darüber, warum Franz von Kobell das Interesse an seiner eigenen Erfindung verloren hat, kann Cornelia Kemp nur Vermutungen anstellen: „Für Franz von Kobell aus der berühmten Malerfamilie der Kobells besaß die Fotografie offensichtlich künstlerisch keine Bedeutung. Er hat genau in dem Jahr angefangen zu dichten, als er mit der Fotografie aufgehört hat.“
Zudem wurde Kobells Rolle bei der Entwicklung der deutschen Fotografie bisher völlig unterschätzt – man schrieb die Hauptrolle Steinheil zu, der sich jedoch hauptsächlich mit der Daguerreotypie beschäftigt hat. Die ersten Papieraufnahmen sind nachweislich von Kobell allein gemacht worden.
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