Förderliche und kritische Blende

Abblenden macht scharf, noch mehr Abblenden bringt Unschärfe. Das Optimum liegt in der Mitte, je nach Anforderungsprofil bei der förderlichen oder der kritischen Blende.

Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann

freier Journalist und Technikexperte

Diagramm Blende und Schärfentiefe

Weiteres Abblenden kann die Schärfentiefe oft noch vergrößern.

Illustration: Michael J. Hußmann

Die Blende ist das wohl einfachste optische Element, aber ihre Effekte sind vielfältig und wirken nicht immer in der gleichen Richtung. Zu den die Schärfe fördernden Wirkungen der Blende gehört die bei kleineren Blenden wachsende Schärfentiefe. Ein Objektiv bildet nur Motive in einer Ebene wirklich scharf ab: Das von einem Punkt des fokussierten Motivs ausgehende Licht wird von der Linse zu einem Kegel gebündelt, dessen Spitze den Sensor trifft. Bei ferneren oder näheren Motiven schneidet der Sensor den Lichtkegel vor oder hinter seiner Spitze und bildet statt eines Punktes eine Scheibe ab – den sogenannten Unschärfekreis, der allerdings ein Abbild der Blende und daher oft ein Vieleck ist. Die Motive werden gewissermaßen mit einem um so gröberen Pinsel gemalt, je weiter sie von der Schärfenebene entfernt sind.
 
So lange der Unschärfekreis klein bleibt, wirkt das Bild noch immer scharf; traditionell nimmt man 1/1500 der Bilddiagonale als akzeptables Maximum, was beim Kleinbildformat knapp 30 µm (Mikrometer) entspräche, aber angesichts der gestiegenen Schärfeanforderungen in der Digitalfotografie geht man besser von der Hälfte aus. Die Ausdehnung der Zone vor und hinter der eingestellten Entfernung, in welcher der erzeugte Unschärfekreis hinreichend klein bleibt, nennt man Schärfentiefe. Wenn man nun abblendet und den Strahlengang begrenzt, wird der Lichtkegel spitzer und der Unschärfekreis als Abbild der verkleinerten Blende schrumpft. Der Entfernungsbereich, in dem das Objektiv noch hinreichend scharf abbildet, wächst entsprechend. 

 
Illustration große und kleine Blende
Illustration: Michael J. Hußmann

Beugen und fördern

Die Blende hat allerdings noch eine andere Wirkung. Aufgrund der Wellennatur des Lichts breitet es sich nicht immer geradlinig aus; an den Rändern des Lichtstrahls, der durch die Blende dringt, breiten sich die Wellen auch in den Schatten aus, den die Blende werfen sollte, und statt eines Punktes entsteht ein Beugungsscheibchen aus konzentrischen Lichtringen. Die Form des Beugungsscheibchens hängt von der Blende ab; nur eine exakt kreisförmige Blende erzeugt ein rundes Beugungsscheibchen, vieleckige Irisblenden dagegen einen gezackten Blendenstern.

Der Einfluss der Beugung wird um so stärker und das Beugungsscheibchen um so größer, je kleiner die Blende ist, weshalb Abblenden eine Beugungsunschärfe erzeugt – selbst exakt fokussierte Punkte eines Motivs werden als unscharfe Beugungsscheibchen abgebildet. Wenn man abblendet, werden die Unschärfekreise für Motive diesseits und jenseits der Schärfenebene zunächst kleiner und die Schärfentiefe größer; weiteres Abblenden lässt die Unschärfekreise aber um den wachsenden Durchmesser des Beugungsscheibchens anwachsen, bis die Schärfentiefe wieder schrumpft. Wenn das Beugungsscheibchen über den maximal akzeptablen Unschärfekreis hinaus wächst, ist im Bild gar nichts mehr hinreichend scharf. Der Blendenwert, bis zu dem man die Schärfentiefe durch Abblenden vergrößern kann, bevor sie aufgrund der Beugung wieder schrumpft, ist die förderliche Blende.

Den Durchmesser des Beugungsscheibchens in Mikrometern kann man annähernd berechnen, indem man die Blendenzahl mit dem Faktor 1,35 multipliziert. Bei Kompaktkameras mit ihren kleinen Sensorpixeln ist die sichtbare Beugungsunschärfe größer als bei D-SLRs, denn ein gleich großes Beugungsscheibchen erstreckt sich dabei über eine größere Zahl von Pixeln. Die förderliche Blende wird entsprechend früher erreicht, weshalb die Blendenskala meist nur bis f/8 reicht.

Illustration große und kleine Blende
Illustration: Michael J. Hußmann

Die kritische Blende

Von der förderlichen unterscheidet man die kritische Blende. Geht es bei der förderlichen Blende um die maximale Schärfentiefe, beschreibt die kritische Blende den Blendenwert, bei dem Motive in der eingestellten Entfernung am schärfsten abgeblendet werden. Die Blende schließt einen Teil der Lichtstrahlen von der Bildentstehung aus und verringert damit Abbildungsfehler; dieser qualitätsverbessernden Wirkung steht aber wiederum die wachsende Beugungsunschärfe entgegen. Kritische Blende und förderliche Blende wirken so zusammen, dass beim Abblenden zunächst die Schärfe in der Schärfenebene steigt und die Schärfentiefe wächst; ab der kritischen Blende nimmt die Schärfe überall im Bild wieder ab, während ab der förderlichen Blende auch die Schärfentiefe schrumpft.

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