Die Sensoren unserer Kameras erzeugen Bilder in den Grundfarben Rot, Grün und Blau, aber die unbearbeiteten Farben wären noch weit von einer natürlichen Wiedergabe entfernt.
In der kamerainternen Bildverarbeitung (oder im Raw-Konverter) müssen die Farben zunächst aus dem idiosynkratischen Farbraum des Sensors in einen Standardfarbraum wie sRGB oder Adobe RGB umgewandelt werden. Diese Umwandlung kann nicht nach einem immer gleichen Muster erfolgen, denn die Farbwiedergabe hängt nicht nur vom Sensor, sondern auch vom Licht ab.
Die Aufgabe des Weißabgleichs ist es, die Farbe des Lichts zu neutralisieren
Wir bezeichnen einen Gegenstand als weiß oder grau, wenn er alle Wellenlängen des sichtbaren Lichts in gleichem Maße reflektiert. Das heißt allerdings noch nicht, dass auch die Kamera einen solchen Gegenstand als weiß (oder grau) sieht; schließlich reflektiert er die Farben der Lichtquelle, in deren Licht oft bestimmte Wellenlängen dominieren. Die Aufgabe des Weißabgleichs ist es nun, die Farbe des Lichts zu neutralisieren, sodass ein weißes Motiv auch im Bild stets weiß erscheint, unabhängig von der Beleuchtung.
Um diesen Ausgleich vorzunehmen, muss man die Farbcharakteristik des Lichts kennen, und diese wird vor allem durch die in Kelvin gemessene Farbtemperatur beschrieben. Der Zusammenhang zwischen Farbe und Temperatur hat nichts mit „warmen“ oder „kalten“ Farben zu tun, sondern ist physikalischer Natur. Jeder Gegenstand sendet elektromagnetische Wellen aus, deren Wellenlänge von seiner Temperatur abhängt, und bei einigen Tausend Grad Kelvin leuchtet er im sichtbaren Licht, von Rot (1000 K) über Weiß (5500 bis 6500 K) bis Blau (10.000 K). Rötliche Farben, die wir als „warm“ empfinden, haben also eine vergleichsweise niedrige Farbtemperatur, „kalte“ bläuliche Farben dagegen eine hohe.
Die Bedeutung der Farbtemperatur
In der fotografischen Praxis hat die Temperaturangabe als solche keine Bedeutung; sie dient nur dazu, einen Farbton zwischen Rot und Blau zu bezeichnen. Das Licht des bewölkten Himmels hat beispielsweise eine Farbtemperatur um 7000 K, aber natürlich sind die Wolken nicht wirklich so heiß.
Allein mit der Farbtemperatur lassen sich die wechselnden Farben des Tageslichts oder auch das Glühlampenlicht charakterisieren, aber andere Farbtöne fehlen. Um alle Farben des Lichts zu beschreiben, ist noch ein zweiter Wert für die Abstufungen zwischen Grün und Magenta nötig, den man aber durchweg nur im Raw-Konverter einstellen kann, nicht in der Kamera. Anders als bei der Farbtemperatur gibt es hierfür keine festgelegte Maßeinheit.
Leuchtstoffröhren erzeugen einen Farbstich, der sich meist nur damit korrigieren lässt. Auch bei Aufnahmen in der Natur wird dieser Korrekturwert benötigt, weil das von Blättern reflektierte Licht einen Grünstich erzeugt, den eine Verschiebung in Richtung Magenta kompensiert.
Mit diesen beiden Werten ist die Farbcharakteristik des Lichts beschrieben, und damit auch der Weißpunkt – der Farbton, den ein eigentlich weißes Motiv reflektiert.
Den Farbstich des Lichts kompensieren
Die Aufgabe des Weißabgleichs ist es nun, die Farben im Bild insgesamt so zu verschieben, dass dieser Farbton am Ende tatsächlich weiß erscheint. Daraus wird auch verständlich, weshalb ein manueller Weißabgleich über die Einstellung der Farbtemperatur zu unerwarteten Ergebnissen führt: Wählt man beispielsweise eine niedrige Farbtemperatur von 2000 K, die Orange entspricht, verschieben sich die Farben im Bild in Richtung Blau. Umgekehrt führt eine hohe Farbtemperatur von 10.000 K (entsprechend bläulichem Licht) zu rötlichen Bildern. Mit der Farbtemperatur gibt man dem Weißabgleich nicht die gewünschte Farbcharakteristik vor, sondern im Gegenteil den Farbstich des Lichts, den der Weißabgleich kompensieren soll.
Falls man die Farbgebung der Fotos unabhängig vom Licht nach eigenen Vorlieben verändern möchte, muss man die Farbtemperatur also gerade in die Gegenrichtung verschieben.
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