Zwei grundsätzlich unterschiedliche Autofokusverfahren kommen in aktuellen Kameras zum Einsatz: Spiegelreflexkameras nutzen im Sucherbetrieb einen speziellen Autofokussensor mit Phasen-Detektion; Kompaktkameras, spiegellose Systemkameras und Spiegelreflexkameras im Live-View messen dagegen den Kontrast auf dem Bildsensor.
Bei näherer Betrachtung wird es etwas komplizierter. Immer mehr Hersteller ergänzen den Kontrast-AF um eine Phasen-Detektion auf dem Bildsensor – dieses Mischverfahren wird als Hybrid-Autofokus bezeichnet. Wo genau liegen nun die Unterschiede und die Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren?
1. Autofokus-Prinzip - Phasen-Detektion
Bei der Phasen-Detektion ermittelt ein eigenständiger AF-Sensor, ob die Fokusebene vor oder hinter dem Motiv liegt und die Fokuslinien im Objektiv in den Nahbereich oder in der Ferne bewegt werden müssen.
2. Kamera-Aufbau - SLR mit Phasen-AF-Modul
In einer klassischen Spiegelreflexkamera passiert ein Teil des Lichtes den Hauptsiegel und wird über den AF-Spiegel auf den vom Bildsensor unabhängigen Phasen-AF-Sensor gelenkt. Im Live-View klappt der Spiegel hoch und das Licht fällt komplett auf den Bildsensor.
Phasen-Detektion und AF-Prädiktion
Lange Zeit galt, dass Spiegelreflexkameras gegenüber Kompaktkameras den deutlich besseren Autofokus haben. Der Fokussiervorgang war schneller und vor allem bei der Schärfenachführung eines bewegten Motives im Serienbildmodus war die SLR mit Phasen-Detektion weit überlegen. Der Grund: Die Phasen-Detektion ermittelt mit einer einzigen Messung, in welche Richtung der Fokussiermotor im Objektiv laufen muss, während die Kontrastmessung mehrere Anläufe benötigt, also die Fokuselemente im Objektiv so lange hin- und herbewegt, bis der Kontrast und damit die Schärfe maximal sind.
Der Phasen-AF in SLRs ermöglicht außerdem eine bessere Prädiktion, also eine Vorhersage, in welche Richtung sich das Motiv bewegt. Vor allem in der Sportfotografie spielt dieses System seine Vorteile aus, wobei die Leistung bei verschiedenen SLRs sehr unterschiedlich ist – abhängig beispielsweise von der Anzahl der Messfelder, speziell der besonders empfindlichen Kreuzsensoren, und der Leistung des Bildprozessors, der die Informationen des Autofokus-Moduls auswertet.
Das klassische SLR-Autofokussystem hat zwei Nachteile. Zum einen muss das Autofokusmodul perfekt auf das verwendete Objektiv kalibriert sein, sonst kann es zu Front- oder Backfokus-Problemen kommen, sprich die Schärfe liegt vor oder hinter dem Motiv. Bei Systemen mit geringer Schärfentiefe, also lichtstarken Objektiven und Vollformat-Kameras, macht sich dies besonders bemerkbar.
Zum anderen wird das Autofokusmodul beim Aufnahmevorgang blind, da beim Auslösen der Spiegel, der den AF-Sensor mit Licht versorgt, hochgeklappt werden muss. Dieses Problem hat Sony in seinen SLT-Modellen gelöst. Sie arbeiten zwar wie eine klassische SLR mit einem separaten Phasen-AF-Modul und nutzen auch einen Spiegel. Allerdings ist dieser nicht für das Sucherbild zuständig, welches elektronisch erzeugt wird. Stattdessen lässt der teildurchlässige Spiegel permanent den größten Teil des Lichtes direkt auf den Bildsensor durch und lenkt einen kleinen Teil auf das Autofokusmodul um. Auf diese Weise muss der Spiegel zur Aufnahme nicht hochgeklappt werden und sowohl der AF-Sensor als auch der Bildsensor werden immer mit Licht versorgt.
Der Nachteil hierbei ist der Lichtverlust bei der Aufnahme, der sich theoretisch in einer etwas schlechteren Bildqualität äußern sollte – in unseren Tests macht sich dies allerdings so gut wie nicht bemerkbar.
1. Autofokus-Prinzip - Kontrast-Detektion
Der klassische Kontrast-Autofokus weiß zunächst nicht, in welche Richtung die Fokuslinien im Objektive bewegt werden müseen. Nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" nähert sich die Kamera dem maximalen Kontrast und damit der korrekten Fokussierung an.
2. Kamera-Aufbau - Spiegellose Systemkamera
Bei Kompaktkameras und spiegellosen Systemkameras fällt das Licht permanent auf den Bildsensor, der auch zur Fokussierung genutzt wird.
Kontrast- und Hybrid-Autofokus
Kontrast-Autofokus-Systeme erlauben viel simplere Kamerakonstruktionen. Es wird kein Spiegel und kein separater AF-Sensor benötigt. Da der Kontrast auf dem Sensor gemessen wird, der auch für die Bildaufnahme zuständig ist, kann es auch zu keinen Front- oder Backfokus-Problemen kommen. In den letzten Jahren haben die Hersteller die Geschwindigkeit der Kontrast-AF-Systeme dramatisch gesteigert.
Verantwortlich dafür sind drei Faktoren: Zum einen lassen sich moderne CMOS-Sensoren deutlich schneller auslesen als frühere CCD-Bildwandler. In Kombination mit leistungsfähigen Bildprozessoren und entsprechenden Algorithmen kann der Bildkontrast extrem schnell ausgewertet werden. Damit die Informationen auch zügig umgesetzt werden, haben die Hersteller die Objektive optimiert. So sind die Verstellwege im Objektiv möglichst kurz und die Motoren wurden für den Kontrast-Autofokus optimiert.
Unsere Tests zeigen, dass die aktuellen Kontrast-AF-Systeme – vor allem von Nikon (1er-System), Olympus und Panasonic – häufig schneller sind als die Phasen-Detektions-Verfahren in SLRs. Bleibt das Problem der Schärfenachführung im Serienbildmodus. Hier sind viele Kompakt- und spiegellose Systemkameras den SLRs noch deutlich unterlegen. Abhilfe schafft unter anderem der Hybrid-AF. Hierbei werden einige Tausend Pixel für eine Phasen-Detektion auf dem Bildsensor reserviert.
Kameras mit Hybrid-AF wechseln automatisch, abhängig von der Aufnahmesituation und dem Kameramodus, zwischen Phasen-Detektion und Kontrast-AF. Die Sony Alpha 6000 erreicht auf diese Weise eine kontinuierliche Autofokusleistung, die sich selbst mit Profi-SLRs messen kann (11 Bilder/s mit AF-Nachführung). Olympus nutzt den Hybrid-AF in seinem Flaggschiff OM-D E-M1, um auch mit den Four-Thirds-Spiegelreflexobjektiven, die nicht für den Kontrast-Autofokus ausgelegt sind, schnell schauzustellen.
Der einzige Systemkamerahersteller, der keinen Hybrid-AF nutzt, ist Panasonic. In der Lumix GH4 und der Bridgekamera FZ1000 setzen die Japaner dagegen auf eine andere Technologie: „Depth from Defocus“ (DFD) wertet das Bokeh (also den Unschärfebereich) eines Objektives aus, um so Informationen darüber zu erhalten, wie stark das Motiv außerhalb des Fokus liegt und in welche Richtung das Objektiv scharfstellen muss. Auf diese Weise kann die grobe Position schnell angefahren werden und der eigentliche Kontrast-Autofokus dann schneller die letzten Feineinstellungen vornehmen. Das speziell im Videomodus störende „Pumpen“ lässt sich auf diese Weise vermeiden.
Neben spiegellosen Systemkameras setzen auch Spiegelreflexkameras im Live-View einen Kontrast-Autofokus ein. Da die SLR-Objektive nicht für diese Art der Fokussierung konstruiert wurden, ist der Autofokus hier sehr langsam. Canon hat den Live-View-AF in der EOS 700D und 100D per Hybrid-AF etwas beschleunigt. Am schnellsten ist der Live-View-AF in der EOS 70D, die statt eines Hybrid- Verfahrens den so genannten „Dual Pixel CMOS AF“ (DAF) nutzt. Dabei kommen insgesamt 40 Millionen Fotodioden zum Einsatz.
Bei der Bildaufnahme werden immer zwei Fotodioden zusammengeschaltet, sodass die Bilder 20 Millionen Pixel haben. Zur Fokussierung werden dagegen 80 Prozent der Pixel getrennt ausgelesen und für eine Phasen-Detektion genutzt. Sowohl der Hybrid-AF als auch der DAF sind deutlich schneller, wenn sie mit den neuen STM-Objektiven mit Schrittmotoren kombiniert werden – auch hier zeigt sich, dass die Optimierung der Objektive eine wesentliche Voraussetzung für einen schnellen Autofokus ist.
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