Ob Kompakt- oder Systemkamera – die meisten Hersteller verfolgen bei ihren Neuheiten ähnliche Konzepte. Aus gutem Grund, denn diese sind erprobt und erfüllen in der Regel die Erwartungen der Kunden.
Flops der Kameraindustrie und erfolgreiche Neuentwicklungen
In der Vergangenheit haben sich andere Ansätze meist als Flop erwiesen. Zu den inzwischen eingestellten Experimenten der letzten Jahre zählen die Android-Kameras von Nikon und Samsung, die SmartShot-Kameramodule von Sony, das modulare GXR-System von Ricoh, die Lichtfeldkameras von Lytro und 3D-Kameras, beispielsweise von Fujifilm.
Erfolgreicher waren bezeichnenderweise Neuentwicklungen, die außerhalb des klassischen Kameramarktes stattgefunden haben: Smartphones und Kamera-Drohnen. Im Folgenden stellen wir zwei neue, ungewöhnliche Kompaktkameras von Leica und Zeiss im Praxistest näher vor und weitere Modelle im Kurzdurchlauf.
Leica Q2 Monochrom
Nach zwei Messsucherkameras der M-Serie ist die Q2 Monochrom bereits die dritte Schwarzweiß-Kamera von Leica. Die Idee dahinter ist einfach: Da der Sensor keine lichtschluckende Farbfilter hat, kommt mehr Licht an den Fotodioden an. Auch die durch eine Farbinterpolation und ein Tiefpassfilter entstehenden Probleme entfallen, sodass die Aufnahmen artefaktfreier und schärfer sein sollten.
Bei der Q2 Monochrom macht sich die gesteigerte Empfindlichkeit durch eine zusätzliche High-ISO-Stufe im Vergleich zur herkömmlichen Q2 bemerkbar (ISO 100 bis 100.000 statt 50 bis 50.000).
Hiervon abgesehen ist die neue Q identisch mit der im fotoMAGAZIN 6/2019 getesteten Q2 mit Farbsensor und neuster Firmware. Sie kostet aber noch etwas mehr (5590 statt 4800 Euro). Die relativ schwere Kompaktkamera (734 Gramm) ist mit einem Vollformat-Sensor mit 47 Megapixeln und dem Weitwinkelobjektiv Summilux 1,7/28 mm Asph. ausgestattet.
Das Metallgehäuse im Messsucher-Design fühlt sich grundsolide an und ist gegen Staub und Spritzwasser geschützt (nach IP52). Blende und Entfernung werden über Ringe am Objektiv gesteuert. Ein Makro-Umschaltring verkürzt die Naheinstellgrenze von 30 auf 17 cm, wobei die maximale Blendenöffnung auf 1:2,8 reduziert wird.
Mit dem Zeitenrad auf der Oberseite kann der Fotograf Verschlusszeiten von 1/2000s bis zu 1 s direkt anwählen. Über das Daumenrad sind weitere Zeiten zugänglich: Bis zu 120 s bzw. bis zu 1/40.000 s. Für Zeiten kürzer als 1/2000 s kommt ausschließlich der lautlose elektronische Verschluss zum Einsatz.
Puristisches Bedienkonzept der Leica Q2 Monochrom
Trotz der geringen Anzahl an Tasten gelingt die Bedienung recht gut. So führt die Menütaste zunächst in ein Kurzmenü, das sich per Touch bedienen und zwischen Foto und Video umschalten lässt.
Beim zweiten Drücken auf die Menü-Taste gelangt man in weitere Menü-Ebenen. Eine Funktionstaste lässt sich schnell mit den individuell gewünschten Einstellungen belegen. Eine weitere Taste unter dem Zeitenrad ist ab Werk mit dem Digitalzoom alias Crop-Modus belegt, der mit reduzierter Auflösung KB-äquivalente Brennweiten von 35 mm (30 MP), 50 mm (15 MP) und 75 mm (7 MP) erlaubt.
Der nicht bewegliche Monitor hat eine Diagonale von 7,5 cm und ist mit 1,04 Millionen Punkten eine nicht mehr ganz zeitgemäße Auflösung. Der OLED-Sucher erreicht mit 3,68 Millionen Punkten zwar keine Rekordauflösung, liefert aber trotzdem eine sehr gute Qualität, zumal er naturgemäß keine Probleme mit Farbmoirés hat.
Nicht selbstverständlich für eine Vollformat-Kompaktkamera mit lichtstarkem Objektiv ist der integrierte Bildstabilisator. Leica macht keine Angaben zur Effektivität; im Test gelangen uns scharfe Aufnahmen aus der Hand mit 1/5 s – kein sensationeller Wert, aber doch deutlich besser als ohne Stabilisator. Weitere fotografische Funktionen sind eine Gesichtserkennung, Intervallaufnahmen, Panorama, HDR und eine 3D-Wasserwaage.
Videofunktionen der Leica Q2 Monochrome
Videos nimmt die Q2 Monochrom mit Cinema-4K im 17:9-Format mit 24p auf (4096 x 2160 Pixel). 16:9-4K lässt sich wahlweise mit 24p oder 30p aufzeichnen, Full-HD mit bis zu 120p. Eine manuelle Steuerung von Blende und Zeit ist möglich (bei der Q2 mit Firmware-Update 2.0 vom Februar 2020 nachgerüstet).
Bleibt als Schwachpunkt der fehlende Anschluss für ein externes Mikrofon. Generell haben beide Q2-Modelle – außer dem Blitzschuh – keine einzige Hardware-Schnittstelle, also auch kein USB oder HDMI. Dafür gibt es Bluetooth zur Kopplung und Wi-Fi zur Dateiübertragung und Fernsteuerung über die „Leica Fotos“-App.
Serienbildgeschwindigkeit der Q2
Die neue Leica hat wie ihre Vorgängerin eine sehr kurze Auslöseverzögerung von gut 0,1s mit Einzelautofokus. Serien sind mit bis zu 20 Bildern/s möglich, dann allerdings nur mit elektronischem Verschluss und ohne AF- und Belichtungsnachführung. Außerdem ist die Länge der Serien bei 20 B/s auf eine gute Sekunde (JPEG) bzw. eine halbe Sekunde (Raw) beschränkt.
Eine weitere Eigenheit bei den schnellen Serien mit E-Verschluss ist die Auslöseverzögerung von mehr als 0,5s (AF-S) bzw. über einer Sekunde (AF-C). Im zweitschnellsten Serienmodus schafft die Kamera mit mechanischem Verschluss 10 Bilder/s, bei JPEGs immerhin 2,5 s und bei Raws 1 Sekunde lang. Auch hier werden allerdings Autofokus und Belichtung nicht nachgeführt. Erst im dritten Serienbildmodus steht bei 6 Bildern/s die Nachführfunktionalität zur Verfügung; und zwar für 35 JPEGs (knapp 6 s) oder 13 Raws (gut 2 Sekunden) in Folge.
Das Objektiv der Leica Q2 Monochrome
Beim Test der herkömmlichen Q2 hatte das Summilux-Weitwinkelobjektiv schon seine Stärken und Schwächen offenbart. In der Bildmitte erreicht es auch bei Offenblende bereits eine sehr gute Auflösung, die sich durch leichtes Abblenden auf f/2,4 und f/3,2 noch steigern lässt. Zum Bildrand hin fällt die Auflösung allerdings bei f/1,7 und f/2,4 stark ab.
Die beste Gesamtleistung erreicht die Kamera bei Blende f/4,5. Am Rand hilft auch ein noch stärkeres Abblenden auf f/6,3, wobei dann im Vergleich zu den offeneren Blenden in der Bildmitte bereits Auflösung verloren geht.
Mitverantwortlich für die eher mäßige Rand-Performance dürfte die recht starke digitale Verzeichnungs- und Vignettierungskorrektur sein. Eine deutliche Leistungssteigerung bei Auflösung und Bildrauschen bringt der Schwarzweißsensor mit. Visuell bewertet rauscht er gut eine Blendenstufe weniger als der Farbsensor und es treten keine Moirés auf.
Zeiss ZX1
Den Namen Zeiss kennen Fotografen in den letzten Jahren vermutlich eher von Objektiven als von Kameras. Mit der ZX1 bieten die Oberkochener nun die erste Digitalkamera unter eigenem Namen an. Angekündigt wurde sie bereits im September 2018 auf der photokina, auf den Markt kommen sollte sie eigentlich Anfang 2019, daraus wurde der Spätherbst 2020.
Die ZX1 ist mit einem Vollformatsensor mit 37,4 Megapixeln und einem 35-mm-Objektiv mit Lichtstärke 1:2,0 und einer Naheinstellgrenze von 30 cm ausgestattet. Sie ist aktuell die einzige Kamera mit Android-Betriebssystem und vorinstalliertem Lightroom-Mobile. Mit der Kamera erwirbt der Käufer auch einen 12-monatigen Zugang zu Lightroom für Mac oder Windows, aber nicht für Lightroom Classic.
Beim vorinstallierten Android handelt es sich übrigens um kein offenes System, auf dem der Fotograf beliebige Apps installieren könnte, wie es beispielsweise bei der Samsungs Galaxy NX von 2013 möglich war. Die Unterstützung für weitere Apps müsste von Zeiss per Software-Update verteilt werden.
Von Android bekommt der Anwender zunächst nicht viel mit; einzig die Bootzeit von gut 20 s deutet darauf hin, dass hier mehr geladen wird als ein schlankes Kamera-System. Einmal eingeschaltet geht die ZX1 in Pausen in den Schlafmodus und schaltet sich erst nach längerem Schlaf – spätestens nach 12 Stunden – komplett aus und muss dann bei Bedarf neu gestartet werden.
Zeiss ZX1 Bedienung über gewöhnungsbedürftiges Touch-Interface
Die Bedienung der Zeiss ZX1 erfolgt überwiegend über ein etwas gewöhnungsbedürftiges Touch-Interface auf dem großen 4,3-Zoll-Monitor. Fotografische Einstellungen sind über die Toolbar am rechten Monitorrand zugänglich, der leicht angewinkelt ist.
Die mechanischen Bedienelemente beschränken sich auf Auslöser, eine Funktionstaste (für AF- oder AE-Lock), einen AF/MF-Umschalter und Einstellräder für Belichtungszeit und ISO; die Blende wird am Objektiv gewählt. Der Sucher hat zwar auf dem Papier eine hohe Auflösung, ist aber kleiner, als man es von einer Kamera in dieser Preisklasse erwarten würde, und er moiriert recht stark.
Die ZX1 nimmt JPEGs und DNG-Raws auf, die sich mit der vorinstallierten Lightroom-Mobile-App auf gewohnte Weise bearbeiten lassen. Neben der Bildbearbeitung ist die Konnektivität eines der zentralen Merkmale der Kamera. Verbindet man sie mit einem WLAN, so lassen sich Bilder in sozialen Netzwerken teilen (aktuell Facebook, Instagram, Flickr), in Cloud-Diensten speichern (Dropbox, OneDrive) oder per Mail versenden.
Ansonsten ist die Ausstattung eher spartanisch. So gibt es beispielsweise keinen Bildstabilisator, keine Gesichtserkennung und nur einen Anschluss: Über USB-C wird der Akku geladen und mit Hilfe eines Adapters lässt sich auch ein HDMI-Signal ausgeben. Mikrofon- oder Kopfhöreranschlüsse fehlen ebenso wie ein Speicherkarten-Laufwerk.
ZX1 mit internem Speicher
Bilder und Videos (bis 4K/30p mit APS-C-Crop) werden stattdessen in einem internen 512-GB-Speicher abgelegt. Positiv fallen der Panoramamodus, Intervallaufnahmen und Belichtungsreihen auf. Über den Blitzschuh lassen sich Aufsteckblitzgeräte steuern, die mit Sigmas SA-STTL-Protokoll kompatibel sind.
Der sehr leise mechanische Zentralverschluss unterstützt Verschlusszeiten bis zu 1/2000 s bzw. Synchronzeiten bis zu 1/1000 s. Für kürzere Zeiten (bis zu 1/8000 s in der Automatik) kommt ein elektronischer Verschluss zum Einsatz, der allerdings bei Kunstlicht starke Probleme mit Banding hat.
Geschwindigkeit der Zeiss ZX1
Die ZX1 ist vergleichsweise langsam. Trotz Hybrid-Bauweise mit Phasendetektionspixeln auf dem Sensor reagiert der Autofokus nicht ganz so schnell wie man es von anderen aktuellen Kameras gewohnt ist. Im Serienmodus haben wir bis zu 4,3 Bilder/s gemessen, allerdings nur für 8 bis 9 Bilder in Folge, danach wird die Kamera deutlich langsamer. Mit aktivierter AF-Nachführung (AF-C) bremst die Kamera gar auf 0,6 Bilder/s ab.
Das Objektiv der ZX1
Einen guten Eindruck hinterlässt das Distagon 2/35 mm T*, das eine hohe Auflösung, eine gute Randschärfe (auch bei offener Blende) und eine geringe Verzeichnung hat. Die JPEG-Engine konnte uns dagegen nicht überzeugen.
Unsere Testaufnahmen zeigen ein deutlich stärkeres Bildrauschen als bei den meisten aktuellen Vollformatkameras und bei Kunstlicht einen Grünstich. Im Raw-Modus liegt die Kamera dagegen etwa auf dem Niveau der Vollformatkonkurrenz.
“Leicas Konzept einer reinen Schwarzweiß-Kamera geht auf, die Zeiss ZX1 konnte uns dagegen nicht überzeugen.“
FAZIT
Schon allein wegen ihres Preises sind die getesteten Kameras Nischenmodelle. Wer das Geld ausgeben kann und will, erhält mit der Leica Q2 Monochrom eine SW-Kamera, die ihrem herkömmlichen Schwestermodell im High-ISO-Bereich um eine gute Blendenstufe überlegen ist und für klassische Reportagen eine sehr gute Wahl darstellt.
Die Zeiss ZX1 ist aktuell die einzige Fotokamera mit eingebautem Lightroom-Mobile; so richtig überzeugen konnte uns das Konzept allerdings nicht. Der Monitor ist für eine Kamera zwar relativ groß, für eine echte Bildbearbeitung aber zu klein. So erscheint es uns doch sinnvoller, Bilder per Wi-Fi auf ein Tablet oder Notebook zu übertragen und dort zu bearbeiten, zumal hier ein offenes Betriebssystem zur Verfügung steht, mit dem sich auch andere Dienste als Facebook, Instagram und Flickr nutzen lassen.
> Download der Liste mit den technischen Daten zu Q2 Mono und ZX1
Beitrage Teilen