Text: Hans-Michael Koetzle
Gleich zweimal im Jahrzehnt zwischen 1955 und 1965 hat Horst H. Baumann, 1934 in Aachen geboren, 2019 in Düsseldorf verstorben, die Grenzen einer Fotografie mit Kunstanspruch verschoben. Einmal durch seine radikal subjektive Schwarzweiß-Fotografie – auf die übrigens das fotoMAGAZIN bereits 1957 hingewiesen hatte. Und dann ein weiteres Mal durch seine kompromisslose Hinwendung zur Farbe. Früher als andere hat Baumann die ästhetischen Möglichkeiten der Farbe erkannt und als neue Herausforderung begriffen – rund zwei Jahrzehnte vor William Eggleston oder Stephen Shore.
Hilfreich damals war sicher die Unterstützung durch Dr. Walter Boje, seit 1954 Leiter des Agfa-Werbestudios, der sich ab Mitte der 1950er Jahre als wohl entschiedenster Förderer einer kommenden Farbfotografie in Deutschland profilierte. Nicht nur versorgte er Professionals wie Horst H. Baumann oder Erwin Fieger mit dem neuen Agfacolor CN 17, einem Farbnegativfilm, der sich im Heimlabor entwickeln und farblich steuern ließ. Boje stand auch technisch beratend zur Seite und sorgte über Ausstellungen für eine breite Rezeption der für manche irritierenden Bildergebnisse.
Von Horst H. Baumann könnte man sagen, er habe seinen experimentellen Elan annähernd bruchlos von Schwarzweiß in die Farbe übertragen, dabei bestimmte Strategien übernommen, etwa das Spiel mit Schärfe und Unschärfe, mit ungewöhnlichen Blickwinkeln oder kühnen Anschnitten, ohne das Besondere des Ausdrucksmittels Farbe außer Acht zu lassen. Baumann fotografierte nicht einfach in Farbe, er dachte die Farbe. Nicht irgendwie Buntheit war das Ziel, sondern das bewusste Herausarbeiten von Farbkontrasten, von Monochromien oder eine überlegte Auseinandersetzung mit der farbintensiven Popkultur der Zeit.
Horst H. Baumanns Faszination von Automobil und Technik
Gedruckter Höhepunkt der Beschäftigung Baumanns mit der Farbe war fraglos der 1965 erschienene Bildband „Die neuen Matadore“. Fasziniert vom Phänomen Automobil in Technik und Design, begann sich Horst H. Baumann ab 1961 intensiv für das Thema Motorsport zu interessieren. Erste Aufnahmen entstanden auf dem Nürburgring, wobei Baumann seinen Blick nicht nur auf das Renngeschehen selbst, sondern auch auf Aspekte jenseits der Piste richtete.
Einmal mehr setzte er auf partielle Schärfe, jonglierte mit Vordergrund und Hintergrund oder versuchte Tempo zu visualisieren.
„Mit diesen Bildgeschichten standen wir ziemlich konkurrenzlos da.“
Horst H. Baumann, Fotograf (* Juni 1934 in Aachen; † 24. Mai 2019)
Baumann, eigentlich Autodidakt, war fotografierender Autor, Bildreporter, Fotodesigner. Auf dem damals neuen Feld der Multivision hat er sich bewährt, Kalender und Poster produziert. So wurde aus dem Bilder-Finder Horst H. Baumann ein Bild-Erfinder. Der viel gerühmte Fotograf geriet in Vergessenheit. Nun wird er wiederentdeckt – nicht zuletzt als Vorreiter von „New Color“, als Wegbereiter eines kreativen Umgangs mit der Farbe jenseits von Werbung und Fotojournalismus.
Die Ausstellung „Apropos Visionär. Der Fotograf Horst H. Baumann“
Vom 26. August 2023 bis 28. Januar 2024 ist die Ausstellung „Apropos Visionär. Der Fotograf Host H. Baumann“ im MAKK – Museum für angewandte Kunst Köln zu sehen.
> Zur Ausstellung
Ein Bildband zur Ausstellung ist im Steidl-Verlag erschienen.
> „Apropos Visionär. Der Fotograf Horst H. Baumann“
Hans-Michael Koetzle ist Autor und Journalist, der sich vor allem mit der Geschichte und Ästhetik der Fotografie beschäftigt. Im Jahr 2022 wurde er von der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) mit dem Kulturpreis ausgezeichnet. Er ist Kurator der Ausstellung „Apropos Visionär. Der Fotograf Horst H. Baumann“.
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