Landet an einem dieser Orte gleich ein Raumschiff mit unbekannter Misssion? Die perfekt komponierten Luftbilder wirken wie einem kühnen Science Fiction-Plan zur Besiedelung fremder Planeten entsprungen – und wecken zugleich auch Erinnerungen an jene gigantisch großen, mehr als 2000 Jahre alten Erdzeichnungen, die Archäologen in der Nähe der peruanischen Kleinstadt Nazca gefunden haben. In der Gegenüberstellung von menschenleerer Natur und modernsten „Green Technology“-Projekten bekommen Jamey Stillings Aufnahmen aus der Vogelperspektive eine Anmutung, als würden wir hier mythenbesetzte Kultstätten ritueller Handlungen entdecken.
„Ich hoffe, dass meine Arbeit dazu anregt, über unsere Energieressourcen nachzudenken.“
Jamey Stillings
Eine Auseinandersetzung mit der Transformation der Energiegewinnung
Mit ihrer verstörend schönen Ästhetik könnten diese Fotografien aber auch Dokumente aufwendig inszenierter „Land Art“ sein, Szenarien eines überwältigenden Großprojektes, das Hightech-Strukturen in die ansonsten scheinbar unberührte Landschaft setzt. „Changing Perspectives“ nennt Jamey Stillings sein global ausgerichtetes Langzeitprojekt, in dem er sich mit der Transformation der Energiegewinnung in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts auseinandersetzt. Mit „Perspektiven“ sind bei ihm nicht nur diese monumentalen Landschaftsansichten gemeint, sondern zugleich auch unser Blick auf nachhaltige Energien in einer Zeit des Abschieds von fossilen Brennstoffen.
„Die Entwicklung erneuerbarer Energien ist weltweit Ausdruck einer ständig wachsenden Verpflichtung, nationale und internationale Volkswirtschaften von ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wegzubringen und in eine Zukunft zu führen, die auf nachhaltige Energie von Sonne, Wind und Gezeiten setzt“, erläutert der in Santa Fe lebende Amerikaner. „Ich arbeite daran, ausgewählte internationaler Projekte für erneuerbare Energien zu dokumentieren.“
Jamey Stillings Aufnahmen regen zu differenzierten Betrachtungen an
Der Fotokünstler zeigt in epischen XXL-Prints im ganz wörtlichen Sinn die Dimensionen dieses komplexen Unterfangens. Er stellt uns dabei Großprojekte wie die „Ivanpah Solar“-Kraftwerke in der Mojave-Wüste bei Las Vegas vor. Hier lenken 173.500 „Heliostaten“ (autonom bewegliche Spiegel) das Sonnenlicht auf drei 140 Meter hohe Türme. Das kalifornische Sonnenwärmekraftwerk beliefert 140.000 US-Haushalte mit Strom. Dieses Projekt hat jedoch auch Proteste bei Umweltschützern ausgelöst.
Was verstehen wir unter sauberer Energie, welche Veränderungen der Landschaft bringt das Streben nach „sauberer Energie“ mit sich, wenn es in einem gesellschaftlich relevanten Umfang umgesetzt wird? Vielleicht werden rückblickend auf unsere Ära des schnellen technologischen Wandels spätere Generationen die momentan vermeintlich zukunftsweisenden Methoden der Energiegewinnung lediglich als Zwischenstufe auf dem Weg zu effektiveren Ansätzen sehen. Doch wenn Jamey Stillings aus dem Hubschrauber oder Kleinflugzeug Bilder des Strebens nach erneuerbaren Energien macht, visualisiert er definitiv eine Zeitenwende der globalen Energiepolitik.
Seit Anfang Juli ist Stillings neuer Bildband „Atacama“ erhältlich (in englischer Sprache). Das Buch umfasst 176 Seiten und ist im Steidl Verlag erschienen. Preis: 58 Euro.
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