Innenarchitekt, Fotograf, Fotosammler und Gründer des Berliner Fotohauses CHAUSSEE 36: Renaud Vercouter De Gambs engagiert sich auf vielen Ebenen für die Fotografie. Mit seinem Engagement bei CHAUSSEE 36 hat er einen neuen Fixpunkt der Berliner Fotoszene installiert, der exzellente Bilderschauen präsentiert und mittlerweile einen Teil des Nachlasses des deutschen Fotokünstlers Heinz Hajek-Halke verwaltet. In unserem Exklusiv-Interview berichtet er über seinen Weg zur Fotografie, seine Anfänge und seine Interessen als Sammler.
fotoMAGAZIN: Wie sind Sie zum Sammler von Fotografie geworden?
Renaud Vercouter De Gambs: Der Fotografie und der Architektur gelten meine große Leidenschaft. Ich habe mit elf Jahren angefangen zu fotografieren. Als Teenager verbrachte ich während meiner Internatsjahre jede Woche einen Tag im Fotolabor. Später habe ich mein Studium mit Fotografie finanziert und wollte zwischenzeitlich Fotograf werden. Ich fotografierte in Paris Portfolios für Models, knipste am Catwalk, auf Hochzeiten und auf Parties. Allerdings wollte ich nie Auftragsfotograf werden.
„Ich nahm mir vor, eines Tages einen Ort für andere Fotografen zu schaffen.“
Renaud Vercouter De Gambs, Fotograf und Fotosammler
fotoMAGAZIN: Stattdessen widmeten Sie sich zunächst der Modefotografie.
De Gambs: Ja, weil ich die Frauen, die Schönheit und weiblichen Körperlandschaften liebe. Ich wollte damals schon mehr mit Erotik zu tun haben als mit der Mode. Das Genre war in jenen Tagen nicht sonderlich angesagt und ich fand diesen Schritt zu riskant. So nahm ich Abstand von der Fotografie und machte etwas anderes. Bereits im Alter von 20 Jahren habe ich mir jedoch etwas vorgenommen: Sobald ich mir es leisten konnte, wollte ich andere Fotografen unterstützen, Ausstellungsflächen für sie organisieren und Fotos jener Fotografen sammeln, die ich gut finde. So ist CHAUSSEE 36 in Berlin entstanden. Ich nahm mir vor, eines Tages einen Ort für andere Fotografen zu schaffen. Das mag vielleicht naiv und idealistisch gewesen sein, aber ich habe mich da überhaupt nicht verändert.
fotoMAGAZIN: Was war das erste Foto, das Sie erworben haben?
De Gambs: Ich glaube, es war ein Bild, das Will McBride am Brandenburger Tor aufgenommen hatte und ich beim Berliner Auktionshaus Bassenge ersteigerte. Und die bekannte Aufnahme von Jewgeni Chaldej: Die Soldaten, die 1945 auf dem Berliner Reichstag die sowjetische Flagge hissten.
fotoMAGAZIN: Also bildjournalistische Aufnahmen!
De Gambs: Bilder mit Blick auf die europäische Geschichte. Ich bin Franzose und ein überzeugter Europäer. Das erste Projekt, das wir bei CHAUSSEE 36 anpackten, waren deutsche Fotografen und Kriegsfotografen aus England, Russland und Großbritannien. Wir zeigten, wie sich Berlin seit 1945 verändert hat – Berlin als Vorbild für das, was Europa werden könnte: Eine offene, multikulturelle, multireligiöse Gesellschaft. Der Anfang meiner Sammlung war Architektur und Berliner Geschichte seit 1945. Zweiter Schwerpunkt der Sammlung ist das Thema Nachhaltigkeit. Mein Vater hat in den 60er-Jahren die erste Wasserkläranlage in Europa eingeführt. Nachhaltigkeit ist also in meiner Familie kein neues Thema.
Der dritte Sammlungsschwerpunkt ist Erotik. Erotik ist immer noch tabubehaftet. Letztlich sprechen die Menschen eher über Sex als über Erotik – die geistige Ebene, die Kunst der Begierde und der Verführung. Die Art, einen Menschen wirklich kennenzulernen und zur Intimität zu kommen. Diese Intimität fehlt heute in der Gesellschaft. Ich will nicht moralisch sein, aber ich finde es erstrebenswert, die Menschen zu inspirieren, was Erotik ist.
fotoMAGAZIN: Wann waren Sie an dem Punkt, dass Sie Kuratoren für die Sammlung engagierten.
De Gambs: Ich bin kein Kunsthistoriker. Du kannst nicht nur einfach Fotos an die Wand hängen. Ich hatte das Glück, Mona Mathé kennenzulernen. Sie war die erste Kuratorin meiner Sammlung. Dann kam noch Justina Kilinski dazu. Die beiden haben 2015 CHAUSSEE 36 gegründet. Seit kurzem haben wir den Kunst- und Förderverein CHAUSSEE 36 gegründet. Jetzt wird das Projekt institutioneller ausgerichtet. Der Verein verwaltet dann auch den Nachlass von Heinz Hajek-Halke und kuratiert alle Ausstellungsprojekte. Das alles soll unabhängig von mir erfolgen.
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